Forum Zukunft

"Der perfekte Feedback-Kanal"

4. April 2012
Redaktion Börsenblatt
Mit "Read&Meet" will der Börsenverein Leserunden populär machen – online wie offline. Katharina Liehr vom Forum Zukunft und Jasmin Marschall vom Mediacampus Frankfurt betreuen das Projekt, das in der Branche Schule machen soll. Ein Interview.

Social-Reading-Plattformen gibt es ja bereits – wo sehen Sie die "Marktlücke" für "Read&Meet"?

Liehr: Wir wollen ja nicht nur eine Plattform für den Austausch über Literatur bieten, sondern auch und vor allem Buchhändler und Verleger von der Idee der Leserunde überzeugen – durch persönliche Erfahrung. Wir möchten ihnen das Rüstzeug an die Hand geben, damit sie das Instrument auch für ihr Unternehmen nutzen können. Handreichungen und Webinare des Mediacampus Frankfurt helfen bei der praktischen Umsetzung.

Marschall: Eine weitere Lücke sehen wir in der Verschränkung von Online- und Offline-Leserunden. Hier bieten sich das "Haus des Buches" in Frankfurt und der Mediacampus als Veranstaltungsorte sehr gut an. Wir haben aber auch schon Rückmeldung von interessierten Buchhändlern bekommen, die sich vorstellen können, "Read&Meet"-Leserunden in ihrem Laden stattfinden zu lassen. Wir sind gespannt, welche Ideen im Laufe des Projekts entstehen, und hoffen, dass wir Buchhändler und Verleger damit inspirieren können.

Hat sich der Börsenverein durch konkrete Vorbilder zu "Read&Meet" anregen lassen?

Liehr: Reading Groups sind den USA und Großbritannien ein bestimmender Marktfaktor, sowohl online als auch offline. Verlage und Buchhandlungen nutzen Reading Groups in vielfältiger Weise; ebenso werden Leserunden dort als Instrumente zur Leseförderung eingesetzt, etwa von Bibliotheken. In diesem Sinne haben uns wohl die gesamte Reading Group-Kultur sowie deutschsprachige Online-Portale wie leserunden.de oder büchereule.de als Anregung und Erfahrungsschatz gedient.

Das Projekt soll Marketing-Impulse für Verlage setzen. Wie könnte das aussehen?

Liehr: Verlage können sich auf ganz verschiedene Weise profilieren. Beispielsweise in dem sie Leserunden anstoßen – auf anderen Portalen oder in eigenen Foren. Sie können den Lesern Diskussionshandreichungen mit Zusatzmaterialien und Hintergrundinformationen zur Verfügung stellen, sogenannte Reading Group Guides. Oder sie können Autoren vermitteln, die an Leserunden teilnehmen. Verlage haben viele Möglichkeiten, um einzelne Bücher über Leserunden zu vermarkten und sich damit zugleich als modern, offen und kundennah zu positionieren. Außerdem können Leserunden den Verlagen als direkter Feedbackkanal zu ihren Lesern dienen.

Kommt der Buchhandel auch ins Spiel?

Liehr: Selbstverständlich! Für das Sortiment sind Leserunden eine großartige Gelegenheit, um die Servicekarte zu spielen, Kundenbindungen zu verstärken und ihre Online-Präsenz mit dem Offline-Auftritt zu verknüpfen. Image- und Kundenpflege gehen dabei Hand in Hand. Auch die Zukunftskonferenz des Börsenvereins hat deutlich gemacht, dass eine Online-Präsenz für Sortimenter künftig ein Muss sein wird und dass die direkte Kommunikation mit den Kunden weiter an Bedeutung gewinnt. Dafür eignen sich Leserunden ausgezeichnet.

Marschall: Ja, unbedingt! Leserunden können sehr gut offline in einer Buchhandlung oder online in einem vom Buchhändler betreuten Forum stattfinden. Sie gehören sozusagen auch originär dorthin. Dieser – für den deutschen Buchmarkt – neue Weg des Kundenkontakts kann sicherlich gewinnbringend zur Kundenbindung genutzt werden.

Webinare sollen die Branche zu eigenen Leserunden inspirieren - hoffen Sie auf den Schneeballeffekt?

Liehr: Die Webinare, die vom Mediacampus Frankfurt ausgerichtet werden und von Jasmin Marschall und mir gehalten werden, wollen Verlegern und Buchhändlern Anregungen an die Hand geben, wie sie Leserunden für ihr Unternehmen nutzen können. Dabei geht es nicht nur um die Ausrichtung eigener Leserunden – es gibt viele Möglichkeiten, aktiv zu werden. Unser Wunsch dabei ist es natürlich, Leserunden zu verbreiten. Damit wollen wir Akteuren der Buchbranche einen weiteren Baustein für ihre Zukunftsfähigkeit vermitteln, aber eben auch beim Publikum Freude am Lesen wecken.

Die erste Online-Runde hat bereits begonnen. Im Mitttelpunkt: Lily Bretts Buch "Chuzpe". Warum ist die Wahl bei der Premiere gerade auf dieses Buch gefallen?

Liehr: „Chuzpe“ ist ja ein Titel aus der Lesefreunde-Aktion zum Welttag des Buches. Wir haben diese schöne Aktion zum Anlass genommen, um nicht nur unser erstes Offline-Treffen am Welttag des Buches zu veranstalten, sondern auch den ersten Titel für "Read&Meet" aus diesem Kreis zu wählen. Wir haben Kollegen vom Forum Zukunft und vom Mediacampus Frankfurt nach ihrem Lieblingstitel aus der Lesefreunde-Aktion gefragt. Die Wahl fiel auf "Chuzpe". Glücklicher Zufall: In Lily Bretts Buch haben auch Leserunden einen Auftritt.

Wieviele Teilnehmer würden Sie sich wünschen, online wie offline?

Liehr: Wir hoffen natürlich auf reges Interesse, da wir Leserunden online und offline für ein tolles Instrument für Akteure der Buchbranche halten – von Sortimenten und Verlagen über Autoren bis hin zu Bibliotheken. Für die Offline-Treffen wäre ein Teilnehmerkreis von 12 bis 25 Personen toll – in zu großen Runden wird eine spannende Diskussion schwierig. Für das Online-Forum erhoffen wir uns pro Leserunde eine ähnliche Größenordnung. Denn auch hier ist der Austausch bei einer zu hohen Teilnehmerzahl erfahrungsgemäß weniger intensiv. Insgesamt hoffen wir für das Forum allerdings auf weitaus größeren Zuspruch – wir würden uns auch sehr darüber freuen, wenn die Teilnehmer eigene Leserunden auf unserer Plattform anregen.

Warum ist "Read&Meet" für den Mediacampus so interessant? 

Marschall: Viele unserer Schüler und Studenten sind auch in eigenen kleinen Leserunden oder auf Foren aktiv, manche bloggen, andere drehen in ihrer Freizeit eigene Filme. Wir erleben den Branchennachwuchs immer wieder als höchst kreativ und umtriebig und sind uns sicher, dass unser Projekt "Read&Meet" auch über den neunwöchigen Unterricht hinaus zur Kontaktpflege beitragen kann; ein schöner Austausch über Bücher und Inhalte, die unsere Campus-Gäste in ihrer Ausbildung empfehlen können. 

Haben Sie beide selbst schon Leserunden-Erfahrung gesammelt?

Marschall: Ja. Außerdem habe ich als Buchhändlerin mit vielen Kunden gesprochen, die privat, in Bibliothekskreisen, mit alten Kommilitonen oder Freunden zusammen lesen. Und dabei habe ich mich natürlich gefragt, warum wir das Interesse an solchen Lesekreisen nicht intensiver für die Branche nutzen. 

Liehr: Ich habe meine Magisterarbeit am Buchwissenschaftlichen Institut in Mainz über das Potenzial von Online-Leserunden für die Buchbranche geschrieben. 100 Leserunden auf ungefähr 40 Portalen habe ich dafür sehr detailliert analysiert. Insofern sind meine Erfahrungen eher beobachtender Natur, aber die intensive Lektüre so vieler Diskussionen gibt unweigerlich einen intensiven Einblick in die vielen Ausprägungen, die eine Leserunde annehmen kann.