AWS-Tagung in Regensburg

Raus aus der Kodak-Falle

8. Mai 2012
Redaktion Börsenblatt
Noch bis zum morgigen Mittwoch diskutieren 132 Fachbuchhändler, Verleger und Bibliothekare über digitale Kompetenzen im wissenschaftlichen Wertschöpfungsprozess. Der Tenor: Wer weiter mitspielen will, muss Mehrwerte schaffen.

"Nicht das Abendland geht unter, sondern die Medienform“ – Rafael Ball, seit 2008 Direktor der Universitätsbibliothek Regensburg, zeigte sich in Sachen Leitmedium leidenschaftslos. Sein Ansatz: Kundenorientierung. Seine Überzeugung: Deutschland steht an der Schwelle der Ablösung des Buchs als Leitmedium. Ball erinnerte bei seinem Ritt durch die Mediengeschichte an das Unternehmen Kodak, das die Digitalfotografie zu lange ignorierte und im Januar Insolvenz anmelden musste. Und an die Encyclopedia Britannica, die es nach kontinuierlichen Rückgängen der Printversion seit 2012 nur noch digital gibt. Nur noch? Es wird weiter fotografiert, auch die Enzyklopädie ist nicht am Ende. Nach 500 Jahren mit dem Buch als Leitmedium bereite der Abschied Unbehagen, bedeute aber nicht das Ende der Zivilisation, so Ball. Auch wenn Bibliotheken nicht mehr gebraucht würden, sei das keine Katastrophe für die Zivilisation. Rafael Ball jedenfalls arbeitet daran, dass dieser Fall nicht so bald eintritt: Schon jetzt gibt er 40 Prozent des Anschaffungsetats für digitale Medien aus; zehn Prozent des Medienbestands in Regensburg sei mittlerweile digital.

 

Wünsche der Kunden 

Aber erfüllt die Universitätsbibliothek Regensburg damit überhaupt die Wünsche ihrer Kunden? Einer AWS-Umfrage zum Bedarf digitaler Informationsprodukte in wissenschaftlichen Bibliotheken wird Print noch mindestens zehn Jahre lang die Hauptrolle spielen. Für Ball sind solche Fragen ein typischer Fall für die Kodak-Falle: Die Selbstorganisation der Wissenschaft an Verlagen, Händlern und Bibliotheken vorbei, schreite voran. Ball: „Wir müssen jetzt Mehrwerte schaffen, sonst fallen wir aus dem ganzen Prozess heraus.“ 

Von P zu E in den Bibliotheken: In den USA haben sich die Bibliotheken zumindest bei den Zeitschriften weitgehend vom Papier verabschiedet werden. Über 90 Prozent der Journals im STM- Bereich werden bereits e-only erworben, weiss Monika Krieg, Vertriebsexpertin bei Harrassowitz. Dagegen streben in Deutschland laut AWS-Umfrage nur 37 Prozent der Universitätsbibliotheken für den STM-Bereich eine vollständige Ablösung gedruckter Werke an. Weitere Unterschiede: Bei den E-Books ist die Zusammenstellung in Deutschland flexibel, in den USA sind Big Deals und Pakete erfolgreicher. Bei uns ist das Interesse an der Unterstützung bei der Auswahl von E-Books gering, amerikanische Bibliotheken schätzen E-Erwerbungspläne. Hier wie dort sei man Krieg zufolge an der: verlagsübergreifenden Angebotserstellung, konfektionierter Rechnungsstellung, Zahlungsabwicklung und Erneuerung, der Vereinheitlichung von Lizenzmodellen und an Nutzungsstatistiken interessiert. 

Kann der Handel digital?

Klaus Bahmann, Vertriebschef Bibliotheken bei Springer, beantwortete diese Frage differenziert: In der Print-Welt könne man allenfalls noch überwintern, doch schon in fünf Jahren würden in Deutschland, Österreich und der Schweiz 60 Prozent der Printbestände migriert sein. Approval Plans für E-Books und Printbücher, Publikationsdatenbanken / Bibliometrie, Consortium Support, ERM-Tools, Nutzungsanalysen – all das schreibt Bahmann den Wissenschaftsbuchhändlern ins Aufgabenbuch. Das Bibliotheksgeschäft funktioniere nicht nebenbei sondern erfordere Entscheidungen, sagte Bahmann. Zum Beispiel die zwischen Rechnungsgeschäft und stationärem Handel. 

Harte Zeiten des Übergangs

Darüber denkt Barbara Mahlke, bei Schweitzer Fachinformationen für den Bereich Recht, Wirtschaft, Steuern zuständig, sicher nicht nach. Mehr als 90 Prozent ihrer Umsätze generiert sie im Print-Bereich. Sie pflegt ihre Kataloge, recherchiert bei der Grundausstattung für den Anwalt aber auch alle E-Angebote – inklusive Vor-und Nachteile. Auch für Bibliotheken leistet sie einen P to E-Abgleich. Mauke: „Gibt es e-only, wie sind die Lizenzbedingungen, wir klären die Details und sorgen auch für die Einhaltung des Lizenzvertrages“. Fazit: Erstens: Der Wissenschafts- und Fachbuchhandel scheint also angekommen in der digitalen Zeit. Zweitens: Die Rollen beim Umstellungsprozess von P to E sind noch nicht vergeben.