Libri.Campus

"Jeder muss neu denken"

23. Mai 2012
Redaktion Börsenblatt
Die Attraktivität des stationären Sortiments steigern - darum geht es beim diesjährigen Libri.Campus. Beispiele aus dem Buchhandel und anderen Branchen zeigen, wie das gehen kann.
"Umbrüche gab es schon immer. Fallen Sie nicht auf die Schwarzseher rein“: Libri-Vertriebsleiter Bertram Pfister begann den Libri.Campus, der heute in die dritte Runde gegangen ist, mit einem Blick auf die Veränderungen im Sortimentsbuchhandel. „Die Kunden werden anspruchsvoller, die Lesegewohnheiten ändern sich, die Digitalisierung schreitet voran“, umriss Pfister die Felder. Doch Bangemachen gilt nicht: Die mittelständischen Sortimenter seien wesentlich flexibler als die „großen Tanker“ – und könnten auf die Veränderungen schneller reagieren. Und genau darum geht es bei der zweitägigen Fortbildungsveranstaltung, zu der das Barsortiment in drei Etappen insgesamt rund 300 Buchhändler eingeladen hat. Unter dem Motto „Steigern Sie jetzt die Attraktivität des stationären Handels im digitalen Zeitalter!“ gab es unterschiedliche Best-practice-Beispiele – aus dem Buchhandel und anderen Branchen.

Berater Arnd Roszinsky-Terjung (Buchconsult), der das Programm gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Meyer (Verlagsconsult) konzipiert hat, wies darauf hin, dass „der Wandel im Kopf beginnt“. Jeder müsse für sein Unternehmen neu denken. Bei sämtlichen Überlegungen gebe das Internet den Takt vor. Es radikalisiere die Erwartungen der Kunde etwa in puncto Bequemlichkeit, Verfügbarkeit, Stimulanz und Rasanz. Durch die Online-Handel bildete sich ein neuer „Konsumkosmos“: Die Kaufanlässe würden online und stationär neu verteilt. Im Laden würden vor allem Wunschkäufe getätigt, emotionsfreie, banale Produkte würde online gekauft. „Buchhändler müssen sich vom Waren- zum Wünsche-Experten entwickeln“, betonte Andreas Meyer und bezeichnete Bücher als „polysensuelle Produkte“, die viele Facetten haben, die es sichtbar zu machen gelte. Etwa das Buch als Geschenk – natürlich für andere, aber ganz besonders auch für den Käufer selbst. Vom Need- zum Want-Produkt müssten Bücher entwickelt werden, dann „schafft das Angebot Nachfrage“, anders als beim Need-Produkt, bei dem das Angebot der Nachfrage folgt.

Drei Einzelhändler aus anderen Branchen waren nach Bad Hersfeld gekommen, um ihre Unternehmenskonzepte zu präsentieren. Ihnen allen gemein: Eine große Veränderungsbereitschaft und der Mut, Neues auszuprobieren. Korinna Hornschu aus Kassel etwa, Mit-Geschäftsführerin des gleichnamigen Einzelhändlers: Mit Porzellan, Gläsern und Besteck hatte in den 80-er Jahren alles begonnen. Weil die Umsätze einige Jahre später zurückgingen, wurden immer wieder neue Produkte und Dienstleistungen ins Portfolio aufgenommen. So zum Beispiel gründete Hornschu eine Kochschule, eine Grillschule, eine Weinschule – Angebote, die Kunden in den Laden bringen und Käufe generieren.  Mittlerweile werden auch Küchen angeboten, es gibt regelmäßig Hausmessen, auf denen sich die Hersteller präsentieren und die Kunden informieren können und noch vieles mehr.

Auch Peter Heinrichs, Textilhändler in Heinsberg, hat auf den Strukturwandel im Textilhandel reagiert. Fünf Textilgeschäfte führt er, darunter solche mit eigenem Sortiment, aber auch als Franchisenehmer von Cecil und Street One. Alle Läden liegen nah beieinander, „somit habe ich mir einen attraktiven Mikrokosmos geschaffen“, berichtet Heinrichs. Zugleich hat er noch eine Immobilie vermietet – an H&M.

Mut zur Konzentration auf ein Teilsortiment bewies Andreas Ganzbeck, Chef des gleichnamigen Textilhauses in Neuötting (9.000 Einwohner). Aus einen Bekleidungs-Vollsortiment mit Wäsche machte er ein erfolgreiches Modekaufhaus. Im Laufe der Jahre expandierte er von 950 auf 2.000 Quadratmeter und zieht Kunden aus dem Umkreis von 50 Kilometern an. Sein Einzugsgebiet schätzt er auf 110.000 Einwohner.

Ihr ganz eigenes Konzept vom Buchhandel hat Annerose Beurich mit Stories! in Hamburg umgesetzt. Ihren Kunden bietet sie das Beste aus zwei Welten. „Ich möchte zum einen die Tante-Emma-Welt mit Seele, Herz und Atmosphäre verkörpern, zum anderen die Filialisten-Welt mit einer außergewöhnlichen Architektur, Cafébar, Internet etc.“, beschreibt die Buchhändlerin ihre Idee. Großen Wert legt sie auf Präsentation: 800 Bücher werden frontal gezeigt, insgesamt hat Beuerich ca. 6.500 Titel im Angebot. Einen hohen Stellenwert nehmen Veranstaltungen ein, das Abendbrot etwa, bei dem Schnittchen und Getränke serviert und Bücher vorgestellt werden. Für die Kunden ist das kostenlos: „Was glauben Sie, wie das ist, wenn ich meinen Kunden sage, Sie sind mein Gast, ich lade Sie dazu ein. Natürlich hebt das die Kaufbereitschaft für Bücher und die Kunden geben mir das vielfach zurück.“

Nach soviel Input aus der Händlerpraxis haben die Sortimenter am Abend die Möglichkeit, sich bei einem gemütlichen Zusammensein auszutauschen. Und morgen geht’s weiter mit Gruppenarbeit in Workshops. Auf dem Programm stehen dann unter anderem die Themen Kommunikation und Sprache.