Jahrestagung der LG Buch

Die Strategien der Best Seller

4. Juni 2012
Redaktion Börsenblatt
Die Lage im Buchhandel mag schwierig sein – und doch gibt es genügend Unternehmen, die ein Rezept gegen die Krise kennen. Ein Bericht von der Jahrestagung der LG Buch in Bad Sulza.

Das Kurstädtchen Bad Sulza liegt in der Thüringer Toskana. Die Ruhe ist durchdringend, das Klima mild, und von Weimar, das nur drei Bahnstationen entfernt ist, weht stets ein Hauch von Goethes Geist herüber. Für den Sortimentsberater Jörg Winter, Moderator der diesjährigen LG Buch-Jahrestagung (1. bis 3. Juni), wäre nichts leichter gewesen, als sich genau von dieser Stimmung tragen zu lassen. Doch Winter blieb auf Linie – die Zeit des 'Kopf hoch, wird schon wieder' ist ein für alle mal vorbei.

„Buchhändlern fehlen knackige Ziele“, warnte er die LG Buch-Mitglieder gleich zu Beginn, und erinnerte sie an die Führungstugenden – daran, dass nur konstruktives Denken handlungsfähig macht, dass Ziele notwendig und Unternehmer zuallererst Entscheider sind.

Entscheidungen aufzusparen, nur weil sie nicht rundum ideal erscheinen, sei jedenfalls der falsche Weg, meinte Winter. Statt die Dinge auf die lange Bank zu schieben, sollten Buchhändler sie deshalb besser auszuprobieren – perfekte Lösungen seien kaum zu haben. „Es muss Ihnen klar sein, für was und wen Sie arbeiten“, mahnte der Berater. „Seien Sie ruhig selbstbewusst, und entwickeln Sie Alleinstellungsmerkmale – sonst sind Sie nur Mittelmaß.“

Auf Kunden wirkt Mittelmaß so reizvoll wie ein Paar ausgetretene Schuhe. Damit lässt sich wenig ausrichten im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Was aus dieser Theorie für die Praxis folgt, ließ Winter bewusst offen. Das übernahmen andere: sechs entscheidungsfreudige Buchhändler, die versuchen, der Krise konstruktiv zu begegnen, und trotz aller Widrigkeiten recht gut im Geschäft sind:

Nichts wurde in Bad Sulza von den 110 anwesenden LG Buch-Mitgliedern so sehr beklatscht wie ihre Berichte aus der Praxis. Vier davon im Schnelldurchlauf:


Auf der Suche nach dem gewissen Etwas 
– Bücher am Käfertörle, Mosbach

Der erste, der nach Winter aufs Podium trat, war Karl-Heinz Harst von Bücher am Käfertörle in Mosbach, einer Stadt mit rund 24.000 Einwohnern zwischen Heidelberg und Heilbronn. Seine 140 Quadratmeter große Buchhandlung existiert seit 1999, mittlerweile gehört auch eine Geschenkeboutique dazu (Lebenslust, 150 Quadratmeter) und eine Café (KäferBar, 40 Quadratmeter). Alle drei Bereiche liegen auf einer Ebene, sie stützen sich gegenseitig – sind aber klar voneinander getrennt.

„Die Frage, warum Kunden ausgerechnet zu uns kommen sollen, treibt mich jeden Tag an“, so Harst. Um seinen Umsatz zu steigern, konzentriert er sich vor allem auf zwei Faktoren: die Verweildauer im Laden und zusätzliche Kunden.

Außerdem kommuniziert er offensiv seine Serviceleistungen (per Postkarte und auf einem Plakat im Laden), er betreibt einen Webshop (von Anfang an) und lädt regelmäßig zum Kaffeeklatsch in seinen Laden, bietet Einschließnächte an („Wir sind bereits ausgebucht bis Ende des Jahres“) – und einen Geschenkeservice, der seinesgleichen sucht. Alles, was Kunden bei Harst kaufen, wird auf Wunsch hübsch (und kostenlos) verpackt. Harst: „Das kommt wahnsinnig gut an. Wir haben ständig zehn verschiedene Geschenkpapiere zur Auswahl.“

Über die eigenen Stärken reden: Buy local – Ravensbuch, Ravensburg

Ravensbuch in Ravensburg (mit einer Filiale in Friedrichshafen) gibt es seit 20 Jahren. Die Inhaber der Buchhandlung, Margarete und Michael Riethmüller, wurden vielfach ausgezeichnet und sind branchenweit gut bekannt – zum Beispiel als Initiatoren einer Buy local-Kampagne. In Bad Sulza ging es um den Status quo: Noch im Juni solle ein gemeinnütziger Verein gegründet werden, kündigte Riethmüller an. „Zur Frankfurter Buchmesse gehen wir dann an die Öffentlichkeit.“ (Mehr dazu im Archiv, hier).

Den Umsatz pro Kunde erhöhen – Buchhandlung Hoffmann, Achim

In Achim eine Buchhandlung zu betreiben hat aus Sicht von Veit Hoffmann einen Vor- und drei Nachteile: Die Kaufkraft in der 30.000 Einwohner-Stadt liege zwar höher als im niedersächsischen Durchschnitt, erzählte er – weil aber gleich zwei Shoppingcenter (Dodenhof, Weserpark) in der Nähe Kunden abziehen und obendrein Bremen in der Nähe ist, bringt ihn das nicht unbedingt weiter.

Hoffmanns Lösung: Er setzt auf den Neugiereffekt – und darauf, den Umsatz pro Kunde zu erhöhen. „Das funktioniert ganz gut,“ betonte er. Sein wichtigstes Instrument dabei: ein ausgewähltes Sortiment an hochwertigen Zusatzprodukten, die im Umkreis sonst nirgends zu haben sind (u.a. Apfel-Prosecco und Süßes von Leysieffer).

Das Lebensgefühl einer Metropole spiegeln – Buch & Bohne, München    

Marianna Geier hat sich vor anderthalb Jahren in einer der angesagtesten Gegenden Münchens selbstständig gemacht – mit einem Laden, der Buchhandlung und Café in einem ist, „eine Mischung aus Antik und Design, Trödel und Selbstgemacht“ (auf 100 Quadratmetern). Was sie sich unter anderem überlegt hat, um die Sache in Schwung zu bringen: Ihre Laden hat vergleichsweise lange Öffnungszeiten (bis 20 Uhr), eine Wand schmückt eine 3 mal 1,5 Meter große Weltkarte, die sie mit Leseempfehlungen bestückt; zusätzlich haben Kunden die Möglichkeit, ihre eigenen Lieblingsbücher zu empfehlen (und erhalten von Geier dafür im Gegenzug einen Espresso). Zusätzlich organisiert sie jeden Monat eine Lesung (für bis zu 50 Leute) – und  bäckt Kuchen für ihren Cafébetrieb grundsätzlich und jeden Tag selbst. (Mehr im Archiv, hier)

buchhandelsweb.de und Non-Books

Außer den sechs Buchhändlern gab es in Bad Sulza noch eine Reihe von Fachvorträgen: Alexander Walther von Softlevel etwa informierte über den neuen Webshop buchhandelsweb.de (mehr auch im Archiv, hier) – und Angelika Niestrath (Messe und Marketing, nonbook.de) gab Tipps, wie Buchhändler zu einem individuellen Non-Book-Konzept, das zu ihrem Profil passt.