AkS-Jahrestagung 2012

Nachfolge im Sortiment

28. Juni 2012
Redaktion Börsenblatt
Auf der AkS-Tagung in Berlin referierte der Verleger und Berater Klaus-W. Bramann über den Verkauf einer Buchhandlung. Wir geben hier seinen Vortrag und die darin enthaltenen Beispielrechnungen gekürzt wieder.

Das Thema "Verkauf – Übergabe – Nachfolge" ist 'on top'. Nach einer Berechnung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn stehen im Zeitraum 2010 bis 2014 rund 22.000 Unternehmen zur Übergabe an. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) sieht dies als eine so große Herausforderung für die Wirtschaft insgesamt an, dass es die Initiative "nexxt" zur Regelung der Nachfolge ins Leben gerufen hat. "nexxt" ist groß aufgehängt und wird auch von der KfW sowie Vertretern von Verbänden, Institutionen und Organisationen der Wirtschaft, des Kreditwesens und der Freien Berufe getragen. Das Internetportal www.nexxt.org ist damit der zentrale Treffpunkt für alle Verkäufer – und damit auch für Käufer.

Natürlich gibt es andere und besser geeignete Plattformen: Anzeigen im Börsenblatt gelten als branchenrelevanter Standard, und so mancher Verkäufer wird auch über mündliche Gespräche (Vertreter etc.) Kontakt zu seinem potenziellen Nachfolger anbahnen. Schauen wir uns also die Situation unserer Branche an.

Laut Umsatzsteuerstatistik 2009 (nach BuBiz 2011) erreichen 5.403 von 6.885 Geschäften, die Bücher, Zeitschriften und Zeitungen anbieten, einen Umsatz von bis zu 500.000 Euro. Das entspricht 78 Prozent. Das sind die 'Kleinen', die von Altkanzler Helmut Schmidt einst als vielmaschiges "Netz der geistigen Tankstellen" bezeichnet worden sind, Betriebe die mit 3 bis zu 3,5 betriebswirtschaftlichen Köpfen, wenn wir von einer durchschnittlichen Pro-Kopf-Umsatzleistung von 150.000 Euro ausgehen.

Zielgruppen für Übernahme (Externe)

Meiner Meinung nach steht auch weiterhin eine Generation in den Startlöchern, die zur Übernahme von Buchhandlungen bereit ist. Eigentlich sind es zwei 'Generationen':

  • 'Vierzigjährige' ohne buchhändlerische Ausbildung, die aus ihrem herkömmlichen Lebenserwerbsschienen ausbrechen und sich für den Rest Ihres Erwerbslebens einen Traum verwirklichen wollen.
  • 'Zwanzig-/Dreißigjährige' mit guter Ausbildung, die nicht übernommen werden und sich ein eigenes Plätzchen suchen.

Hinzu kommen:

  • Mitarbeiter der 'Großen', die mit dem eingeschlagenen Firmenkurs und der gegenwärtigen Sortiments- und Personalpolitik unzufrieden sind.
  • Und natürlich: Expansionsfreudige Marktteilnehmer.

Es gibt Interessenten, aber nicht für alle Geschäftsgrößen (mancher träumt vom 'kleinen Glück' und möchte keinen großen Markt mithilfe eines größeren Personalstamms bedienen) und nicht um jeden Preis (mancher setzt nur einen bestimmten Betrag für sein neues 'Lebensglück' auf das Spiel; Kaufangebote liegen zu hoch. Also warten auf Alternativen: Warten auf ein neues Angebot oder an anderer Stelle selber neu aufmachen.)

Handlungsoptionen

Wenn Buchhändler aufhören beziehungsweise aufhören sollten, stehen ihnen mehrere Optionen zur Verfügung: Weitergabe an Familienmitglieder; Verkauf an Mitarbeiter; Verkauf an Externe; Liquidation, kein Nachfolger; Pacht.

Es sollte ein geordneter Rückzug sein, der in einem überschaubaren Planungszeitraum sorgfältig geplant ist. Denn 25 Prozent aller Unternehmer ignorieren das Problem einer Nachfolgeregelung, für die Experten fünf Jahre veranschlagen. Einer der häufigsten Fehler bei der Nachfolgeregelung: Zeitdruck – ein fataler und unnötiger Fehler.

Spätestens mit 55 Jahren sollte der Unternehmer also seine Planungen beginnen. Denn Übergabe und Unternehmensnachfolge gleicht einer Quadratur des Kreises. Zu berücksichtigen sind betriebswirtschaftliche, psychologische, rechtliche und steuerliche Aspekte.

Es sind also mehrere Stellen zu konsultieren: Fachleute der Banken, Steuerberater und Unternehmensberater. Und eine Vertrauensperson für die Psyche. Es muss ja nicht gleich ein Seelsorger sein, mit dem man seine Probleme bespricht.

Zum 'Gemeinschaftsprojekt' Unternehmensübergabe gehört auch ein Transparenzgebot:

  • Offenlegung der letzten drei Bilanzen. (Bilanzsumme; Aktiva und Passiva)
  • Einblick in das operative Geschäft (Jahresüberschuss lt. GuV)
  • Einblick in Kassenstatistiken (Warengruppen; Anteil Durchlaufgeschäft)
  • Einblick in Lieferantenstrukturen (Ausschöpfung des Bündelungspotenzials)
  • Ggfs. Einblick in etwaige komplexe Familienverhältnisse (Erbengemeinschaft)

Der Verkäufer muss unbedingt vorbereitet sein, bei der Unternehmensprüfung transparent zu informieren. Damit auch der Nachfolger/Käufer sich vorbereiten und sich in Verträge und Strukturen (mit Kunden, Lieferanten, Banken) einarbeiten kann. Auch und vor allem wegen der anstehenden Liquiditätsberechnung. Und da reicht bereits ein kurzer Blick auf die BWA.

Finanzplanung in Kürze (BWA)

Betriebsergebnis 2011: 52.420 Euro
Unternehmerlohn (kalkulatorisch): 44.000 Euro
Bereinigtes Betriebsergebnis (= Überschuss): 8.420 Euro
Abschreibung: 6.340 Euro
Liquiditätsüberschuss: 14.760 Euro

Von diesem Liquiditätsüberschuss müssen – sofern die Zukunft projektierbar ist – vom neuen Inhaber Zinsen und Tilgungsraten für aufgenommene Kredite bezahlt werden. Und zwar über einen längeren Zeitraum, der in einer Liquiditätsplanung aufgenommen werden muss, ansonsten besteht zwangsläufig eine Unterkapitalisierung, die die weitere Existenz des Unternehmens gefährdet. Außerdem stehen unter Umständen neue Investitionen an. Schon bei dieser Überschlagsplanung zeichnen sich drei Punkte ab:

1. Kalkulatorischer Unternehmerlohn. Vielleicht gibt es Buchhändler, die sich die jährlichen "betrieblichen Entnahmen in Hoffnung auf einen zukünftigen Gewinn" (so formulieren es die Steuerberater) in Höhe von 44.000 Euro nicht 'leisten' können. Trotzdem müssen wir davon ausgehen, dass der neue Chef diesen Betrag wahrscheinlich als 'selbstverständlich' ansieht – ist der kalkulatorische Unternehmerlohn doch relativ offen definiert als "Gehalt, das der Unternehmer für vergleichbare Arbeitsleistung in einem anderen Unternehmen erhalten würde".

2. Banken. Sie sind nicht bereit, einen Kredit zu gewähren, wenn nicht ein detaillierter Businessplan inklusive Liquiditätsplan vorliegt. Und da ist zum einen die Attraktivität der Branche, die in Bankenkreisen nicht gerade als Zukunftsbranche gilt. Der 'klassische Sortimentsbuchhandel' liegt 2011 erstmalig unter 50 Prozent Marktanteil derjenigen Firmen, die zu Ladenpreisen Umsatz generieren. Wenn der Absatzkanal als Ganzer nicht gut zu 'raten' ist, so wenigstens einzelne Firmen. In diesem Zusammenhang sind auch die unterschiedlichen Übergabe- und Zahlungsmodelle zu sehen: Verkauf gegen Einmalzahlung, gegen Kaufpreisraten oder gegen Renten.

3. Abschreibungen. Inhaber machen eine Unternehmensübergabe einfacher, wenn sie weiter in ihre Firma investieren. Denn Abschreibungen erhöhen finanztechnisch den Liquiditätsüberschuss.

Gerade dieser Punkt zeigt aber, wie der scheidende Unternehmer seine Firma sieht – und vor allem auch die Zukunft seines Unternehmens. Denn je professioneller die Haltung zur Geschäftsaufgabe, desto rationaler auch die Entscheidungskriterien – und der Abschied.

Handlungsoptionen, die sich einem Übergabe-Willigen bieten:

Option 1: Familiennachfolge
Hier geht das Unternehmen meistens in Form einer Schenkung bzw. vorweggenommenen Erbfolge auf die nächste Generation über, wobei der Nachfolger den Betrieb unentgeltlich erhält. Es sei denn, die Altersversorgung ist nicht sichergestellt. Zu beachten sind: Ausgleichszahlungen an Ehepartner, Kinder oder Eltern des Noch-Inhabers (hier gibt es gesetzliche Pflichteile), vor allem, wenn das Familienmitglied nicht in direkter Erbfolge steht.

Bei Familienunternehmen liegen die 'psychologischen' Probleme manchmal in gesteigerter Form vor. Das betrifft sowohl den Inhaber, der davon ausgeht, bis ins hohe Alter mitreden zu dürfen, als auch die Kinder, die mitunter das Erbe emotional als belastend empfinden, da kein Spielraum für Alternativen geboten worden sind.

Option 2: Verkauf an Mitarbeiter
Vielleicht die schlaueste Lösung, sofern Vertrauen besteht und Option 1 aus welchem Grund auch immer nicht infrage kommt. Mitarbeiter kennen die Kunden, den Markt, und Kontinuität bleibt in vielerlei Hinsicht gewahrt.

Option 3: Verkauf an Externe (Einzelpersonen oder Firmen)
Inhaber und Nachfolger sind gleichberechtigte Geschäftspartner und können sachlich alle notwendigen Punkte besprechen: Stimmt das Anforderungsprofil? Stimmt die Chemie?

Option 4: Pacht (als Übergangslösung)
Inhaber bleibt weiterhin Eigentümer, aber das operative Geschäft übernimmt ein Pächter oder ein (Fremd-)Geschäftsführer.

Option 5: Geschäftsaufgabe
Die Liquidation (Geschäftsaufgabe) ist sinnvoll, falls der Laden in einem schlechten Zustand ist, größere Konkurrenz in unmittelbarer Nachbarschaft ein erfolgreiches Weiterbestehen wenig wahrscheinlich erscheinen lässt oder falls für den gewünschten Kaufpreis kein Käufer in Aussicht steht und der erhoffte Verkaufswert auch nicht annähernd realisiert werden kann.

Der Erlös ist unsicher. Er hängt zum einen von der Höhe der Gutschriften des bewilligten Remissionsaufkommens ab und zum anderen von den Nachlassstaffeln der Restbestände für Käufer ab.

Unternehmensbewertung

Alles sollte auf den Prüfstand. Drei Kernaufgaben und drei Nutzeffekte sollten bedacht werden:

Kernaufgaben

  • Analyse vorliegender Markt- und Absatzdaten,
  • Vergleich mit ähnlichen Unternehmen,
  • Bewertung des Zukunftspotenzials.

Nutzeffekte – Eine Unternehmensbewertung …

  • zeigt, wo man steht und zeigt, was zu verbessern wäre;
  • wirft kritische Fragen auf und regt zur Kreativität an;
  • sie steckt den Verhandlungsrahmen ab.

Der Unternehmenswert ist nicht der Verkaufspreis. Dazwischen können Welten liegen. Denn wir leben in einem Käufermarkt. Der Käufer ist also die entscheidende Größe. Ohne Berücksichtigung der finanziellen Ausgangslage des potenziellen Käufers läuft nichts. Und zu einem Preis zwingen kann man ihn erst Recht nicht.

Und der Unternehmenswert deckt nicht die Altersvorsorge ab. Der Verkaufspreis ist nur ein (!) Baustein der Altersvorsorge. Je gesünder Ihre Firma im Hier und Jetzt ist, umso höher wird der Kaufpreis sein. Es liegt also in der Entscheidung des Inhabers, den Wandel selbst zu gestalten und dann erst zu verkaufen oder dem Nachfolger den Gestaltungsspielraum zu lassen und dafür weniger Erlös mit der Buchhandlung zu erzielen.

Den Verkaufswert sinnvoll ansteuern heißt also, den Verkauf systematisch vorbereiten und Überprüfen, ob derzeitige Erträge noch zu optimieren sind. Weichenstellungen treffen.

Verkauf – ein Praxisbeispiel

Tatort: Eine kleine Buchhandlung im Ostteil von Berlin. 1990 nach der Wende gegründet (übernommen vom ehemaligen Volksbuchhandel; in den Treuhand-Wirren der Wendezeit) und von einem Ehepaar relativ erfolgreich 20 Jahre lang betrieben. GF: 60 qm, VF 45 qm; Umsatz: knapp über 300.000 Euro; Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG sowie drei entsprechende Jahresabschlüsse lagen vor; ferner eine Unternehmensbewertung eines Unternehmensberaters.

Zwei Verfahren – die Ertragswert- und die Substanzwertmethode – wurden zur Ermittlung des Unternehmenswertes angewandt. Das arithmetische Mittel aus diesen zwei Verfahren, in die auch ein 'Goodwill' eingearbeitet worden ist, lag bei 93.250 Euro.

[Ertragswertmethode 93.480 Euro, gerundet 93.500 Euro | Substanzwertmethode (Warenvorräte, Ladeneinrichtung, Geschäftsausstattung, Goodwill) 93.000 Euro]

Die Käufer fanden den Wert zu hoch und beanstandeten Teile der Bewertungsermittlung. Dabei legten sie die Wunde in die wirklich schwierigen Punkte einer Unternehmensbewertung. Vor allem ging es – und es geht immer – um: angewandte Multiplikatoren, Wert der Geschäftsausstattung, Lagerwert, Wert für 'Goodwill', aktuelle Marktentwicklungen.

1. Angewandte Multiplikatoren. Bei der Ertragswertmethode wird ein Multiplikator angewandt. Die Noch-Inhaber konsultierten Literatur und Betriebswirte 'Ihres Vertrauens', die darlegten, warum in diesem Fall eher der Faktor 4 statt 6 angemessener gewesen wäre. Den höheren Faktor [es hätte theoretisch auch den Faktor 8 gegeben] gäbe es zwar durchaus, aber eher für größere mittelständische Unternehmen, die viel in Mitarbeiter und Marketing investieren. [In diesem Fall ging es um den EBITDA-Multiplikator.]

2. Wert der Geschäftsausstattung. Dieser Wert wurde zu hoch angesetzt. Wie viel ist eine zwar noch gebrauchsfähige, aber auch in die Jahre gekommene Ausstattung wert? Sicher eine Frage der Einschätzung. Selbst bei bilanzierungspflichtigen Unternehmen wird hier gefeilscht, besteht doch häufig eine Differenz zwischen dem Bilanzwert und dem (empfundenen) Zeitwert (Reproduktionswert, Wiederbeschaffungswert). In der Literatur wird dieses Problem unter 'Stille Reserven' diskutiert.

3. Lagerwert. Auch der Wert des Warenlagers wird höchst unterschiedlich angesetzt. Der Verkäufer hätte es gerne zum Wiederbeschaffungswert, sprich zum Einkaufspreis (Inventurwert abz. 40 Prozent), während der Käufer gerne den abgeschriebenen Wert aus der Bilanz nehmen würde (Inventurwert abz. 60 Prozent).
[Häufig praktizierter Praxis-Kompromiss für Lagertitel von Publikumsverlagen: Übernahme zum EK-Wert am Tag der Übernahme – aber nur für die Waren, die der Käufer übernimmt. Ansonsten: 50 Prozent pauschal vom Inventurwert zu Ladenpreisen netto.]

4. Goodwill. Der Verkäufer hatte einen relativ hohen Goodwill angesetzt, weil "die Buchhandlung weit über die Grenzen des Kiez bekannt sei". Das hat der Verkäufer natürlich genauer wissen wollen, weil stichwortartige Überprüfungen diese Aussage eher widerlegten.

5. Aktuelle Marktentwicklungen. Die Bewertung lässt außer Acht, dass in circa 200 Meter Entfernung eine neue Konkurrenz (Kinder- und Jugendbuchladen) mit 150 qm VF aufgemacht hat.

Verkauf – ein Praxisbeispiel (2)

Die potenziellen Käufer baten mich um meine Meinung. Also setzte ich mich mit dem Zahlenmaterial auseinander. Auch ich empfand die 93.250 Euro für zu hoch und rechnete die einzelnen Werte (begründet) runter. So gelangte ich auf einen Wert von 67.000 Euro. – Wobei ich nicht verhehlen möchte: im Hinterkopf hatte ich einen Kompromisswert von circa 80.000 Euro.

Damit käme es zu einem Mittelwert von (93.250 + 67.000):2 = 80.125 Euro

Ich hätte auch einfacher argumentieren können: Was würde es kosten, an dieser Stelle eine neue Buchhandlung aufzumachen? – 1.000 Euro/qm wäre der Wert für diese Investition, falls man den Wert relativ hoch ansetzt.

60.000 Euro zuzüglich Goodwill von 10.000 Euro (wegen des Standortes, Übernahme der Kundendatei etc.). Kaufpreis letzten Endes: 80.000 Euro.

Traditionelle Verfahren der Wertermittlung

Doch zurück zur Theorie und den traditionellen Verfahren der Wertermittlung, wobei der jeweilige Ansatz erklärt werden soll. Betriebswirtschaftliche und finanztechnische Feinheiten werden besser von Experten (Steuerberater) anhand konkreter Unterlagen geklärt.

Man unterscheidet verschiedene Methoden:

Substanzwertmethode

Substanz bedeutet: Welche Vermögensteile tragen in welcher Höhe zum Unternehmenswert bei? Hier schlagen vor allem die Positionen auf der Aktivseite einer Bilanz zu Buche: die Vermögensgegenstände in Form von Anlage- und Umlaufvermögen.

Substanzwert = Summe aller Vermögensteile am Bewertungsstichtag zu den Kosten der Wiederbeschaffung. Oder: Höhe der Kosten, die ein Erwerber wie bei einer gleichen Ausstattung aufwenden müsste.

Es geht also um den Wiederbeschaffungswert, auch Zeitwert oder Reproduktionswert genannt, um den Wert, dieses Unternehmen und alle dazugehörigen Vermögensbestände im jetzigen Zustand zu beschaffen und wieder zu errichten.

Vorteil: relativ einfache Ermittlung bei bilanzierungspflichtigen Unternehmen.

Streitpunkt: Anlage- und Umlaufvermögen, wo Bilanz- und Zeitwert differieren ('Stille Reserven'). Bewertung von Auto, Betriebs- und Geschäftsausstattung und Warenlager.

Problem: Werte wie Marktposition, Ertragssituation und Know-how der Mitarbeiter finden keine Berücksichtigung.

Die Frage nach dem Substanzwert aus Sicht des Käufers reduziert sich auf: Liegt die Summe der Kosten für die Wiederbeschaffung unter denen für eine Neuerrichtung?

Ertragswertmethode

Ausgangsfrage: Was lässt sich auf Dauer, auch in Zukunft, mit dem Unternehmen erwirtschaften? Grundlage der Berechnung: Bisherige jährlichen Gewinne werden als nachhaltige Zukunftserträge gesehen.

Basis der Berechnung:

  • die letzten drei (fünf) Jahresabschlüsse,
  • Umsatz-, Kosten- und Rentabilitätsplan (inkl. künftige Investitionen; ggfs. unter Berücksichtigung des kalkulatorischen Unternehmerlohn und Eigenkapitalverzinsung) für die nächsten die drei (fünf) Jahre,
  • Ermittlung des Kapitalisierungszinsfußes.

Vereinfacht: Man bildet das arithmetische Mittel aus dem Gewinn (bzw. 'bereinigter Überschuss' unter Berücksichtigung etwaiger kalkulatorischer Kosten; also um die operative Leistungsfähigkeit vor erneutem Investitionsaufwand seitens des neuen Inhabers) der letzten Jahre und schreibt diesen abgezinst in die Zukunft fort. Der Gewinn in der Formel ist als so genannter Barwert ein künftiger Wert, der als nachhaltig angesehen wird ('ewige Rente').

                        (nachhaltiger) Gewinn x 100
Ertragswert = -----------------------------------------
                         Kapitalisierungszinssatz

Der Kapitalisierungszinssatz liegt laut G. Hardt bei kleinen und mittleren Unternehmen zwischen 7 und 15 Prozent – auch hier eine enorme Bandbreite. (SoA-Publikation "Die Bewertung einer Buchhandlung", 2006).

[Der Kapitalisierungszinssatz berücksichtigt Basiszinssatz zuzüglich Risikoaufschlag, der laut G. Hardt zwischen 2–20 Prozent liegt.]

In der SoA-Publikation führt G. Hardt auch eine detaillierte und studierenswerte Kaufpreisberechnung nach der Ertragwertmethode am Beispiel einer Buchhandlung mit 600.000 Euro Jahresumsatz durch. Nach dieser Beispielberechnung beträgt der Unternehmenswert rechnerisch: 166.048 Euro.

Problem: Sind künftige Erträge in dynamisch sich verändernden Märkten berechenbar?

Goodwill (Firmenwert)

Auf den Goodwill, vor allem auf den selbst geschaffenen immateriellen Wert der Firma, sind wir bereits kurz eingegangen. Er ist die eigentliche 'Belohnung' oft jahrelanger Arbeit. Ein Wert, den jeder Nachfolger sich erst einmal selbst schaffen muss. Hier geht es um Marke, Traditionsimage, Kontakte, Vernetzungen, Know-how, solvente Stammkunden u. a. m. Doch wie wertmäßig festlegen?

Bei der Ertragswert-Berechnung kommt er bereits im Überschuss/Gewinn zum Ausdruck. Bei der klassischen Substanzwert-Berechnung fällt er heraus, weil er keine bezifferbare Substanz darstellt.

So bleibt er eine Art Manövrier- oder Verhandlungsmasse, ein immaterieller Wert, über den man trefflich streiten kann.

Multiplikatorenmethode

Jahresgewinn x Faktor 5–8 (bei Einzelunternehmungen wird der Jahresgewinn um einen kalkulatorischen Unternehmerlohn und die Eigenkapitalverzinsung vermindert).

Umsatz x Faktor 0,2–0,5

[Quelle: Handelsblatt Mittelstands-Bibliothek Band 8, Birgit Felden/Annekatrin Klaus, Nachfolgeregelung, Schäffer-Poeschel, 978-3-7910-2718-0, (2007)]

Standen vor ein paar Jahren im Buchhandel noch 30 Prozent vom Umsatz im Raum, so möchte ein heutiger Käufer nur noch um die 20 Prozent zahlen. Die aufwändige Berechnung nach der Ertragswertmethode von G. Hardt führte übrigens zu einem rechnerisch Unternehmenswert von 166.048 Euro. Bei einem Jahresumsatz von 600.000 Euro entspricht dies 27,7 Prozent.

Marktwertmethode

Stichwort Käufer-Markt: "Käufer kann man nicht zwingen, man kann sie höchstens verführen." Man muss immer auf die Käufer-Optionen 'Nein', 'Ist mir zu teuer' oder 'Ich suche mir günstigere/bessere Alternativen' gefasst sein. Auf jeden Fall: der Markt bestimmt den Preis.

In der Regel: Verkauf ohne Aktiva und Passiva. Es geht nur um: Inventarwert, Warenwert, Firmenwert (in etwa ein durchschnittliches Betriebsergebnis der letzten Jahre).

Das 'Schema F' gibt es nicht. Hierzu einige kurze Ausführungen.

– Streitfall Warenbestand
Ist der Warenbestand aktuell? Und: Entspricht der Warenbestand dem Profil, mit dem der Käufer sich am Markt etablieren möchte? Denn ein allgemeines Sortiment, das Kinderbuchhandlung werden soll (oder umgekehrt), hat zeitbezogen vielleicht aktuelle Ware, die aber der Käufer gar nicht eingekauft hätte.
Streit: Bereits erwähnt: Verkauf zum Einkaufswert (LP abz. 40 Prozent) oder Verkauf zum Bilanzwert (LP abz. 60 Prozent)? [Pauschalkompromiss 50 Prozent steht im Raum. Oder Remission und nur Übernahme der gewünschten Ware mit einem höheren Wertansatz.]

– Streitfall Inventarwert
Liegt ein Wert nach AfA vor? Ist aber eigentlich egal. Veraltetes Mobiliar ist wertlos, selbst wenn es stabil gebaut ist. Für langsame PC-Ausstattung oder suboptimale Kassenlösungen gilt das gleiche.
Aber: Auch neues Mobiliar wird nicht bezahlt, wenn es ganz oder in Teilen ausgetauscht werden muss, um beispielsweise mit flexiblen Regalen buchaffine Non-Books und Spiele besser präsentieren zu können.

Mittelwertmethode

Man benutzt unterschiedliche Methoden, denkt sich sinnvolle Gewichtungsfaktoren aus, sodass sich ein 'stimmiges Bild' ergibt. Denn die Wertermittlung steht ja nur am Anfang der Verkaufsverhandlungen.

Wollen sie in naher oder ferner Zukunft Ihren Laden veräußern, müssen sie ihn bereits heute so aufstellen, dass er zu den besseren und erfolgreicheren gehört. Denn in Anbetracht der mehrfach angesprochenen Bewertungsspielräume müssen sich Buchhändler an Benchmarks orientieren.

Wo gibt es Vergleichswerte?:

  • ERFA-Gruppen
  • Kölner Betriebsvergleich

Drei Gesichtspunkte sind entscheidend:

  • ökonomische Kennziffern
  • Alleinstellungsmerkmale
  • Zukunftsorientierung

Ökonomische Eckziffern (1)

  • Lagerleistung (LUG)
  • Anteil Durchlaufgeschäft
  • Handelsspanne
  • Kostenstruktur
  • Durchschnittlicher Bon-Umsatz
  • Barumsatz je Quadratmeter Verkaufsraum
  • Umsatzrentabilität
  • Eigenkapitalrentabilität

[Umsatzrentabilität: Gewinn in Prozent zum erreichten Nettoumsatz. Eigenkapitalrentabilität: Gewinn in Prozent zum eingesetzten Eigenkapital. Eigenkapitalrentabilität sollte höher liegen als die Verzinsung für langfristiges Fremdkapital.]

Ökonomische Eckziffern (2)

  • Lagerleistung (LUG) (> 5)
  • Anteil Durchlaufgeschäft ('Abholfach' Ihre umsatzstärkste Warengruppe?)
  • Handelsspanne (> 32 Prozent)
  • Kostenstruktur (Personalkosten inkl. Unternehmerlohn < 20 Prozent; Miete/Mietnebenkosten < 5 Prozent)
  • Durchschnittlicher Bon-Umsatz (> 17,00 Euro)
  • Barumsatz je Quadratmeter Verkaufsraum (> 3.500 Euro [Wert für Betriebe mit circa 650.000 Euro Jahresumsatz]; > 3.000 Euro bei kleineren Unternehmen]
  • Umsatzrentabilität (> 2 Prozent)
  • Eigenkapitalrentabilität: Gewinn in Prozent zum eingesetzten Eigenkapital (> 5 Prozent)

Was ist ihr verkäuferisches Alleinstellungsmerkmal? Versuchen sie, weniger Ware mit mehr Profil zu verbinden. Erfahrungswerte von Buchhandlungen, die differenzierten Lagerabbau betrieben haben, zeigen, dass der Umsatz mindestens gehalten und im Regelfall gesteigert werden konnte. Je besser das Alleinstellungsmerkmal, umso höher der Goodwill!

Buchhändler sollten sich mit den für ihre Firma relevanten Zukunftsfeldern auseinandersetzen. Und weiter in die Zukunft investieren. Was steht an? Digitale Geschäftsmodelle (Webshops, E-Books), Digitale Kommunikation (Social Media), Anschluss an Marketinginitiativen (Branchenmarketing des Börsenvereins, Buy-Local-Initiativen).

Klaus W. Bramann