Die legendäre Gretchenfrage aus Goethes "Faust" – "Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?" – ist aktueller denn je. Gesellschaftlich vollzieht sich in Deutschland ein tiefgreifender Wandel: Die christlichen Volkskirchen verlieren kontinuierlich Mitglieder, traditionelle Kirchgänger sterben aus, der muslimische Glaube scheint in der Öffentlichkeit sichtlich zuzunehmen.
Diese Entwicklung hat Folgen für den konfessionellen Buchhandel. Die Umsätze mit religiöser Literatur sind 2011 um dramatische 25 Prozent gesunken, und manch einer ist versucht, schon das Totenglöcklein zu läuten. Bleibt die Kundschaft aus? Dabei findet die Kehrseite der Medaille zu wenig Beachtung: Spiritualität ist unterschiedlichsten Umfragen zufolge unverändert gefragt – nur eben ohne dogmatische Korsette. Der Buchhandel muss sich auf eine kritischere Kundschaft einstellen und das Angebot entsprechend verändern. Die Nachfrage geht in Richtung religiöse Lebenshilfe, geistliche Impulse und in moderne Sprache "übersetzte" Betrachtungen; die Leserschaft der wissenschaftlichen Fachliteratur wird dagegen immer kleiner. Da es bislang nicht gelingt, Muslime in nennenswerter Zahl als Kunden im religiösen Sortiment zu gewinnen – auch weil ein entsprechendes Angebot fehlt –, wird der Fokus weiter bei christlichen Themen liegen.
Dass die Lage der Sortimente dabei keineswegs hoffnungslos ist, zeigt der MDG-Betriebsvergleich mit einem zweiprozentigen Plus für religiöse Buchhandlungen. Diese haben an verschiedenen Schrauben gedreht, das Angebot klarer strukturiert und präsentiert, Synergien ausgeschöpft und den Non-Book-Anteil erhöht – Devotionalien und "fühlbare" Glaubenshilfen laufen gut. Wer verstanden hat, dass religiöse Inhalte nicht in traurig einfarbigen Covern mit kleiner Schrift präsentiert werden müssen, sondern auch optisch den lebendigen Dialog vertragen, wird profitieren.
Lesen Sie weiter zum Thema im Extra "Religion" im aktuellen Börsenblatt, Heft 29, ab Seite 33.