Interview mit Weltbild-Chef Carel Halff

"Ich teile das Jammern der Branche nicht'"

24. Juli 2012
Redaktion Börsenblatt
Carel Halff, Vorsitzender der Geschäftsführung von Weltbild, sieht sein Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt. Im Interview mit boersenblatt.net spricht er über die heute vorgelegte Bilanz, Wachstumsfelder und die notwendigen Korrekturen im stationären Sortiment.
Der Umsatz von Weltbild ist im abgelaufenen Geschäftsjahr von 1,657 Milliarden Euro auf 1,59 Milliarden Euro gesunken. War eine Umsatzsteigerung nicht möglich?
Die Differenz ist für einen Konzern unserer Größenordnung relativ geringfügig. Wir haben zum einen Filialen geschlossen und verkleinert, was zu einem Umsatzrückgang führt. Hinzu kommt, dass das Kataloggeschäft rückläufig ist. Onlinehandel, E-Books und Mobile-Commerce sind zwar gewachsen – aber das ist natürlich nicht 1:1 aufgegangen.

Hohe Investitionen haben im vergangenen Jahr das Ergebnis von Weltbild belastet. Ist es dennoch positiv?
Wir schreiben unverändert schwarze Zahlen. Mit den Investitionen sind wir an die Grenzen des Möglichen gegangen, ganz bewusst. Wer im Moment im Buchhandel Ertragsoptimierung betreibt, verpasst die Zukunft. Gerade ist es angesagt, die Grundlagen für die Zukunftssicherung zu legen. Wir sind da auf einem guten Weg. Erste Maßnahmen greifen, andere werden in den nächsten zwölf bis 18 Monaten greifen. Wir sehen uns gut aufgestellt.

Wie viel haben Sie investiert?
Wir haben mehrfach zweistellige Millionenbeträge investiert. Etwa in den Umbau der Filialen, ins E-Book-Geschäft, in das vollautomatische Kistenlager oder die Erneuerung der IT-Landschaft.

Eine Million Neukunden haben Sie im vergangenen Jahr gewonnen. Wettbewerber nehmen dafür jede Menge Geld in die Hand. Sie auch?
Nein. Wir haben die Kunden nahezu ohne zusätzlichen Marketingaufwand gewinnen können. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Onlineshops in Darstellung und Design attraktiv sind. Wir betreiben sehr intensiv Suchmaschinen-Optimierung, damit unsere Angebote gefunden werden.

Mehr als zehn Prozent Ihres Online-Buchumsatzes erwirtschaften Sie mit E-Books. Welche Titel laufen besonders gut?
Das sind belletristische E-Books, vor allem. Bestseller, aber auch Backlisttitel verkaufen sich gut und das ist für die Verlagskollegen sehr erfreulich.

Das Thema M-Commerce liegt Ihnen ebenfalls sehr am Herzen, Sie treiben auch dieses Geschäftsfeld voran. Mit welchem Ergebnis?
Das mobile Geschäft wächst sehr stark - auch wenn Deutschland dabei etwas hinterherhinkt, weil noch nicht jeder ein Smartphone besitzt. Und es braucht Zeit, bis die Nutzer alle Funktionen beherrschen und einsetzen. Zehn bis 25 Prozent unserer Online-Shop-Umsätze werden bereits jetzt über mobile Geräte generiert.

Sie haben einige Großflächen stark zurückgebaut und erzielen nun dort auf einem Drittel der Fläche etwa den gleichen Umsatz wie zuvor. Da lief doch etwas falsch, oder?

Ich will überhaupt nicht in Abrede stellen, dass der ein oder andere Standort Übertreibungen erlebt hat und schon mit der Eröffnung gar nicht funktionieren konnte. Weil eine so große Überforderung mit Buchhandelsfläche vorhanden war. Jetzt haben wir zusätzlich noch eine neue Entwicklung. Der Buchmarkt verliert, wird auch in den nächsten Jahren weiter verlieren. Nach Zahlen der GfK finden, je nach Alter der  Kunden, 30 Prozent bis 35 Prozent der Buchumsätze im Netz statt und sind damit für den stationären Handel am Ende verloren. Was wir bei Weltbild jetzt machen, ist eine Anpassung an den Markt und das veränderte Verbraucherverhalten.

Glauben Sie, dass Buchhandlungen um die 500 Quadratmeter das Maß der Dinge sind, um erfolgreich zu wirtschaften?
In Metropolen wie Frankfurt und München haben Großflächen durchaus eine echte Zukunft. Vielerorts jedoch müssen größere Flächen überhaupt nicht mehr sein. Wenn Kunden heute Bücher einkaufen möchten, dann suchen sie zwar immer noch Vielfalt, aber sie suchen vor allem Atmosphäre, Entschleunigung, Muße, sie möchten sich wohlfühlen. Hugendubel erfüllt diese Wünsche mit seinem Konzept, der neuen Ladeneinrichtung, der neuen Sortimentierung.

Die Schlagworte, die Sie nennen, sind nicht neu. Viele Sortimenter beschwören genau das seit Jahren und exerzieren das erfolgreich vor ...
Tun sie das?

Ja!
Es gibt überall gute Buchhandlungen, in denen hervorragend gearbeitet wird, die einen exzellenten Ruf genießen. Ich teile das Jammern der Branche nicht. Es braucht Korrekturen, es gibt zu viel Fläche – und nur der beste Anbieter wird überleben. Das können einzelne Buchhändler sein genauso wie Filialisten. Wir fühlen uns mit unserer jetzigen Filialzahl von ca. 400 Buchhandlungen wohl. Es gibt natürlich noch Standorte, wo wir gerne hin möchten. Doch eine Filialexpansion ist derzeit nicht unser Schwerpunkt.

Den Verlagen treiben die groß angelegten Rückbauten der Filialisten wahrscheinlich Schweißperlen auf die Stirn. Was sagen Ihre Handelspartner?
Wir haben bei Weltbild ja auch den Verlagshut auf. Je nach Temperament findet man in den Verlagen mehr oder weniger Gelassenheit. Die Entwicklung wird natürlich noch dadurch verschärft, dass E-Books immer mehr Marktanteil gewinnen. Aber viele Veränderungen bieten viele Chancen – und E-Books sind margenstark und lukrativ. Ich sehe keinen Grund dafür, dass die Verlage allzu sorgenvoll in die Zukunft blicken sollen.