Kommentar

Von Amazon lernen, heißt siegen lernen

30. August 2012
Redaktion Börsenblatt
"Die Zweiteilung des Handels in stationäres Sortiment und Online-Buchhandel ist zunehmend obsolet", kommentiert Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen. Der unabhängige Buchhandel ernte erste Früchte bei den E-Book-Verkäufen.
Die Unterscheidungen der alten Buchwelt gehen im Zeitalter der Digitalisierung manchmal ins Leere. Dazu gehört auch die Zweiteilung des Handels in stationäres Sortiment und Online-Buchhandel. Sie stimmt so nicht mehr. In wenigen Jahren haben wir es vor allem im E-Book-Geschäft nur noch mit Online-Buchhändlern zu tun: mit reinen Internet-Retailern und solchen, deren Stammgeschäft (noch) das physische Buchgeschäft in einem Ladengeschäft ist. Und weil es bald zur Regel wird, dass Buchhändler Titel auch über den Webshop verkaufen, wird die Frage, ob man als Buchhändler E-Books ins Sortiment aufnimmt, über kurz oder lang obsolet. Unabhängige Buchhändler, die E-Books via Web vertreiben, machen inzwischen die Erfahrung, dass sich der Aufwand lohnt. Reich wird damit zwar noch kaum jemand, aber der prozentuale Anteil der E-Books am Gesamtgeschäft wächst stetig.
Das ist eine gute Entwicklung und der beste Beweis dafür, dass eigenes Engagement Früchte trägt und einer resignativen Haltung – nach dem Muster: "Es wird sowieso bei Amazon gekauft" – vorbeugt. Apropos Amazon: Statt den Online-Riesen zu verteufeln, sollte man so viel wie möglich von ihm lernen und den Kunden die nicht algorithmisierbare menschliche Beratungskomponente als "Add-on" dazugeben. Denn richtig beraten, einem Kunden einen Reader in die Hand geben und erklären – das kann der Online-Händler trotz großen Videoaufwands nicht.
Um aber wettbewerbsfähig zu werden, müssen die Voraussetzungen stimmen: Der Buchhandel muss gute, attraktive Lesegeräte anbieten können, er braucht zuverlässige Webshops mit intelligenten Suchmaschinen und ein Datenmanagement, das auf der Höhe der Zeit ist. Das kann nicht jeder Buchhändler aus eigener Kraft stemmen – hier sind Barsortimente und E-Book-Distributeure gefragt.