Gastspiel

Die Kunden gähnen

13. September 2012
Redaktion Börsenblatt
Warum sich die sinkenden Umsätze im Buchhandel nicht nur auf die Reduzierung von Flächen zurückführen lassen. Von Simon Lissner.
Seit einiger Zeit beobachte ich erstaunt die Berichterstattung im Börsenblatt über den Umsatzrückgang mit Büchern, die begleitet wird von fast allwöchentlichen Meldungen über die Schließung von Filialen und Buchhandlungen. Gleichzeitig werden die E-Books gehypt, die bis auf Weiteres nur gering zum Buchumsatz beitragen und den Buchhandel weitgehend außen vor lassen. Daran ändert auch die E-Card-Idee nicht wirklich etwas. Weder werden dadurch Rückgänge kompensiert, noch lässt sich eine signifikante Umsatzverlagerung ausmachen. Woran liegt es aber, dass die Umsätze mit Büchern schwächeln? Wohingegen etwa Zeitungen und Zeitschriften, deren Markt mindestens so unter Druck steht wie der Markt für Bücher, leichte Zuwächse verzeichnen?

Betrachten wir allein die Flächenreduzierungen in den vergangenen 24 Monaten: Sie müssen ein wesentlicher Faktor für Umsatzrückgänge sein. Das sagt schlicht meine Erfahrung. Nachdem es zunächst seit den späten 1980er Jahren massive Flächenausweitung gegeben hat, scheint nun das Pendel in die andere Richtung zu schlagen. In welchem Umfang wirkt sich dies auf den Buchumsatz aus? Wir wissen doch alle, dass eine Buchhandlung, die, aus welchen Gründen auch immer, schließt, ein wirklicher Verlust ist. Auch hier zeigt die Verlagserfahrung, dass solche Umsätze nicht kompensiert werden.

Die zu beobachtenden Flächenreduzierungen treffen zu hundert Prozent das Buch. Damit baut der Buchhandel in seiner Kernkompetenz ab. Stattdessen sehen immer mehr Buchhandlungen im Erdgeschoss aus wie gewisse "Geschenkartikel"-Läden, gepaart mit Parfümerie und so weiter. Da entstehen ganze Spielwarenläden Shop-in-Shop. Die Hinzunahme von "Non-Books" ist keine neue Idee. Im Ländlichen sieht man den Mix aus PBS. Hier entstanden überraschenderweise erfolgreich "reine Buchhandlungen", die nicht darauf verzichten, zum Standort und ihren Kunden passendes Non-Book abrundend anzubieten.

Welche Auswirkungen hat der unübersehbare Personalabbau auf den Verkauf der Ware Buch? Wenn sich einzelne Kolleginnen in teilweise riesigen Verkaufsräumen verlieren, Beratung suchende Kunden in diesen Weiten herumirren, fragt sich, ob der Trend wirklich in Richtung Selbstbedienung geht.

Umso mehr kann man die nach wie vor verbreitete Angst vor "hohen Buchpreisen" nachvollziehen. Solche Titel gehen zwar auch von selbst, aber besser natürlich unterstützt durch kompetentes Personal. Stattdessen sind die verbleibenden Kolleginnen nun mit Produkten unter zehn Euro (oft sogar noch buchfern, also irgendwelche Teddybären, Süßigkeiten und dergleichen mehr) beschäftigt. Das trägt wenig bei zum Umsatz und vor allem zum Ertrag. Selbst die größten Buchhandlungen sind keine Malls, die Paletten an Billig-Non-Books "drehen".

Statt Bestsellerlisten als Marketinginstrument zu verstehen und auf ihnen für Abwechslung zu sorgen, stehen jahrelang die gleichen Titel in den Charts (etwa Gregs Tagebücher). Bei Kunden löst so etwas nur noch ein herzliches "Gähn!" aus.

Ob der Buchhandel derzeit nicht selbst ein gerüttelt Maß daran arbeitet, Buchumsätze sinken zu lassen?