Das Schlagwort "Lebensfreude" steht unter Buchhandelsberatern hoch im Kurs – was verbirgt sich dahinter?
Bernd Reutemann: Ich erkläre es mal so: Wenn man abends heim kommt und der Partner fragt: "Und, wie wars heute?" Dann antworten wir: "Hm, so wie immer, nichts Besonderes." Das ist schade, denn jeden Abend macht es 'Schnipp' – wieder ist ein Stück von unserem Lebensmaßband weg. Ich sage meinen Leuten: Holt das Beste aus dem Tag raus. Sammelt Diamanten: eine nette E-Mail, eine Entdeckung in der Zeitung, ein Kundengespräch. Kleine positive Ereignisse, die es aufzuspüren gilt und die das Leben bereichern.
Lebensfreude also für den Buchhändler selbst?
Ja, denn zunächst müssen wir selbst zufrieden sein und rund laufen. Erst dann können wir die Freude an den Kunden übertragen. Mein Gegenüber merkt das. Man sollte nicht immer nur das tun, was der Kunde will, sondern das, was man gut kann und gerne macht. Also definieren: Wofür schlägt mein Herz?
Viele Buchhändler scheinen genau das richtig zu machen und trotzdem läuft der Laden nicht.
Sie müssen ihre Leistungen und Besonderheiten auch aktiv kommunizieren. Viele Käufer wissen immer noch immer nicht, dass die Lieferung in der Buchhandlung ums Eck so schnell ist wie bei Amazon. Sie trauen es dem Händler nicht zu und denken automatisch, das Internet sei besser. Genauso ist es bei Leistungen wie Umtausch oder Bezahlmöglichkeiten. Die Sortimenter können jedem klarmachen, dass sie genauso gut sind oder noch besser. Und auf das Verständnis der Kunden setzen.
Was soll der Kunden verstehen?
Bei uns im Restaurant gibt es im Winter keine Tomaten, was zunächst ein Manko ist. Wir erklären, dass sie dann bei uns nicht wachsen und im Sommer viel besser schmecken. Das verstehen die Gäste, sie finden es gut. Der Buchhändler kann ähnlich vorgehen und sagen: Wie sieht es bei uns im Stadteil aus, wenn es nur noch die Hälfte der Händler gibt? Der Kunde ist bereit zu verstehen und sein Einkaufsverhalten zu ändern, wenn man ihn darauf aufmerksam macht, davon bin ich überzeugt.
Was bedeutet guter Service für Sie?
Service hat für mich viel mit Basisqualität zu tun. Das betrifft Dinge wie Buchauswahl, Ladengestaltung, Öffnungszeiten, Wartezeiten, Bezahlmethoden, Lieferservice. Hinzu kommt die Überraschungsqualität, also etwas, das der Kunden in dieser Form nicht erwartet.
Was könnte das sein?
Ein Buchhändler kann jedem unverschweißten Buch, dass er verkauft, ein Lesezeichen mit der Aufschrift "Danke, dass Sie lesen" oder "Danke, dass Sie Ihr Buch bei uns kaufen" beilegen. Der Kunde wird in seinem Verhalten bestätigt, man schafft emotionale Bindung.
Es kommt also nicht auf die nächste Kaufempfehlung an?
Indirekt. Ein "Danke" ist die höchste Form der Bitte. Wenn wir über Emotionen eine stabile Beziehung aufgebaut haben, wird der Kunde von selbst wiederkommen.
Bernd Reutemann (43) ist Hotelier und Berater. Kürzlich wurde der Markdorfer mit dem Branchenpreis "Top-Tagungshotelier 2012" ausgezeichnet. Auf der Frankfurter Buchmesse hält er einen Vortrag zum Thema "Gefühle schenken – mit Emotionen besser verkaufen" im Rahmen des Börsenblatt-Sortimenter-Lunchs.
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