Heikel. Sehr heikel. Denn bei Buchhändlerinnen ist die Grenze zwischen sensibel und empfindlich immer fließend. Deswegen sind sie ja auch Buchhändlerinnen geworden, denn sie wussten es doch von sich selbst, dass Menschen, die Bücher wollen, Menschen sind, die vielleicht nicht ganz einfach sind, aber die sich bewegen lassen, die jeden Tag auf Neues warten, kurz: Menschen, die so sind wie sie. Und die Sinn für Farben und Klänge im weitesten Sinn haben, die Sinn für Sinnliches haben.
Und das bringt mich zu meinem Geständnis, das eben heikel ist, aber gerade das – Buchhändlerinnen wissen auch das von sich selbst – darf doch kein Grund sein, es nicht zu sagen. Also: Ich finde alle Buchhändlerinnen erotisch.
Ganz im Ernst. Und egal welchen Alters, wie groß oder klein, rund oder schlank, blond oder wieder blond. Ich finde, sie haben alle etwas, was ihrem Entgegenkommen, ihrer Offenheit, ihrer Herzlichkeit den leichten Überschuss gibt, jenes so animierende Extra, das die besonderen Momente des Lebens auch haben, haben müssen, und die Literatur ja sowieso. Buchhändlerinnen sind so zugewandt. So neugierig auf alles. Und sie haben nicht zuletzt diesen wunderbaren Sinn für Schmuck und Dekor, im Geschäft, aber oft auch an sich selbst, sie signalisieren dann etwas Körperfrohes und einen heiteren Ernst, der anstiftend wirkt. Natürlich will man dann gerne etwas davon mitnehmen, und weil die Buchhändlerin ja im Geschäft bleiben muss, nimmt man wenigstens ein Buch mit, etwas, das durch ihre Hände gegangen ist.
Sicher ist es nicht immer so, die Buchhändlerin hat auch so Tage, an denen sie sich ein-, zweimal in ihre Ecke zurückziehen muss und für eine Weile nicht so recht weiß, wie oder was … Dann merkt sie, dass ihre Aura etwas nachlässt. Schon auf dem Weg zur Arbeit sind ihr ein paar unschöne Zahlen durch den Kopf gegangen, ein paar Sekunden lang tat sie sich womöglich sogar leid, aber dann fängt sie sich wieder, spätestens bei ihrer Lieblingsmorgenbeschäftigung: Sie sitzt im Bus, in der S- oder U-Bahn, mustert genau ihre Gegenübersitzer und verkauft ihnen heimlich die passenden Bücher: Die mit dem Strubbelkopf ist sicher eine Gartenfreundin; der mit der Krawatte hat’s gern ein bisschen schärfer, auch wenn man es ihm nicht so direkt sagen darf; das junge Paar liest im Moment einfach gar nicht, aber wenn er ihr was schenken will, muss es etwas sehr Liebes sein; und die Junge da, die nur so vor sich hinsieht, die könnte sicher eine Lewitscharoff vertragen.
Kaum im Geschäft, verstaut sie erst mal die mitgebrachte Mohnsemmel, dann räumt sie ein paar Bücher von hier nach dort oder umgekehrt, gießt die Blume, räuspert sich und wartet.
Und da kommt er schon, er oder sie, die erste Kundin, und gleich hat die Buchhändlerin dieses Gefühl, für das es seit einiger Zeit nur noch das blöde Wort Herausforderung gibt – ja, sie fühlt sich herausgefordert, und dann fühlt sie sich und dann weiß sie, dass sie den Forderungen des Lebens und Geschäfts ganz gut gewachsen ist. Sie merkt es, und das steht ihr, und dafür liebe ich sie. Alle.
Natürlich sind einige Buchhändlerinnen Buchhändler. Aber für die gilt das Gesagte fast genauso.