Liebe & Partnerschaft

"Man kann im Netz schnell verloren gehen"

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Annabel Dillig (1981), beschreibt in ihrem Buch "Diesen Partner bitten in den Warenkorb legen" die vernunftgesteuerte Suche ihrer Generation nach der Liebe. Im Valentinstags-Interview berichtet sie, warum eine Erfolgsquote von 38 Prozent beim Onlinedating ideal ist und warum man sich auch unter Millionen Singles sehr einsam fühlen kann.

Frau Dillig, Sie haben mehr als ein Jahr in die Recherche für Ihr Buch gesteckt, um das Liebesleben einer Generation zu erforschen. Verliebt man sich heute anders als früher? Ich konnte feststellen, dass meine Altersgenossen, also Menschen zwischen 30 und 40, sehr viel pragmatischer an das Thema Liebe herangehen. Sie sind bei der Partnersuche viel mehr auf Effizienz ausgerichtet als das noch vor einigen Jahren üblich war, indem sie sich bei Partnerbörsen anmelden, ziemlich viel Geld dafür bezahlen und denken: „Ich geh das jetzt gezielt an, das funktioniert dann schon." Viele denken aber gar nicht darüber nach, dass die Partnerbösen auch etwas mit einem selbst machen. Sie werfen unangenehme Fragen auf, nach dem eigenen Marktwert zum Beispiel. Oder wie drängend eigentlich der Wunsch nach einer Partnerschaft ist - und was man bereit ist, dafür zu tun.

Sie selbst waren unter anderem zu einem Speeddating bereit … Ja, das Speeddating hat mich wirklich positiv überrascht. Es ist einfach eine unterhaltsame und sportliche Art neue Menschen kennenzulernen – auch jenseits der Frage, ob man sich vorstellen kann, ob das der zukünftige Freund sein könnte, der einem da gerade gegenübersitzt. Bei einem zweiten Date, das vielleicht drei Stunden dauert, merkt man dann schnell, dass es doch nicht gefunkt hat. Aber das ist nicht schlimm, es hat eben nicht gepasst. Anfangs fand ich aber auch die Partnerbörsen sehr spannend – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich bemerkt habe, was ich dort eigentlich für ein kleines Rädchen bin. Das hat mich dann verunsichert. Es war schon komisch. Ich habe niemals so viel über meinen eigenen Marktwert nachgedacht wie während meines Abos auf den Seiten der Partnerbörsen von Parship und ElitePartner.

Das klingt danach, die eigene Haut zu Markte zu tragen. In einer Bar kommt dir dieser Gedanke einfach nicht. Du denkst nicht darüber nach, ob du den richtigen Beruf hast oder ob du lustig genug bist. Aber bereits die Fragen bei der Erstellung deines Profils verunsichern dich: Du wirst gefragt, ob du dich „sehr attraktiv" oder nur „attraktiv" findest oder ob du nicht antworten willst. Du musst Bilder auswählen und dir lustige Sprüche ausdenken. Auch die Kontaktfrequenz mit potentiellen Partnern ist im Internet ist viel höher – und die Zahl der Abfuhren genauso. Auch wenn die einzelne Abfuhr so weniger zählt, muss man eine robuste Psyche haben.

Wie sind Sie denn überhaupt zum Thema Partnerbörsen gekommen? Es war zunächst ein rein journalistisches Interesse, als ich gemerkt habe, dass hier millionenschwere Unternehmen agieren, hinter denen oft Medienkonzerne stehen. Das ist lustig: Unternehmen wie Holtzbrinck oder die Tomorrow Focus AG schaffen es oft nicht mehr, den Menschen ein Zeitungsabo zu verkaufen. Aber sie bekommen es hin, dass sich die Menschen auf einer Partnerbörse anmelden und für drei Monate Mitgliedschaft 180 Euro zahlen - manchmal ist die Gebühr sogar noch höher. Das Versprechen „Wir verlieben dich", der Werbeslogan von Friendscout24, ist darum in meinen Augen das größte, das ein Unternehmen jemals ausgesprochen hat: Das schönste Gefühl der Welt im Handumdrehen. Du musst Dich nur anmelden …

Das klingt Ihnen zu vollmundig?
Es ist schon kurios: Die Liebe wird zu einer Ware gemacht und auf den Erfolg gibt es noch ein TÜV-Siegel.

Damit sprechen Sie die Algorithmen der Partnerbörsen im Netz an. Wie gut funktioniert die computergestützte Suche nach dem Traumpartner eigentlich? Parship gibt an, dass 38 Prozent ihrer Mitglieder während ihres Abos einen Partner finden. Mit solchen Zahlen muss man vorsichtig sein. Es wird suggeriert, dass es ja gar nicht so unwahrscheinlich ist, hier jemanden zu treffen. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht zu hoch, dass man als Kunde nicht daran glaubt und auch nicht zu schlecht, um die Mitglieder abzuschrecken – immerhin wollen die ja etwas bekommen für ihr Geld. Überprüfen lässt sich so eine Zahl aber kaum.

Mit anderen Worten: Sie sind skeptisch. Man kann im Netz schnell verloren gehen. Das Versprechen, dass europaweit 14 Millionen Singles auf dich warten, und es also an dir liegt, richtig zu suchen, verunsichert. Wer niemanden findet, ist selbst schuld. Diese unendliche Auswahl setzt aber auch einen interessanten Mechanismus in Gang: Du denkst immer, da kommt noch ein besserer und sortierst Menschen viel schneller aus, als du es im echten Leben machen würdest – und alle anderen machen es auch so. Gleichzeitig glaube ich auch nicht, dass sich die Liebe so einfach berechnen lässt: Nicht jeder, der mir ähnlich ist, passt auch zu mir – auch wenn viele Studien diesen Schluss nahezulegen scheinen! Etwas Unberechenbares bleibt immer.

Sie brechen gerade eine Lanze für die romantische Liebe. Sie selbst scheinen nicht an die Versprechen der Partnerbörsen zu glauben? Ich glaube, es ist eine gute Zeit für die Liebe! Ich habe so viele Menschen kennengelernt, die sich über Partnerbörsen verliebt haben und mir großartige Liebesgeschichten erzählt haben. Wenn man über Zeitgeistphänomene schreibt, die sich auch aufgrund technischer Veränderungen ergeben haben, läuft man immer Gefahr negativ und kulturpessimistisch zu klingen. Das wollte ich in meinem Buch unbedingt vermeiden, auch wenn ich tatsächlich vieles an den Partnerbörsen kritisch sehe.

Würden Sie Ihr Experiment wiederholen? Nein, das habe ich jetzt durch. Ich habe gelernt, dass es unglaublich wichtig ist, bei der Partnersuche sozial mobil und offen zu sein. Man muss bereit sein, neue Menschen kennenzulernen und sich in Situationen begeben, die neu und manchmal auch befremdlich sind. Denn wenn man andere, neue Menschen trifft, dann erfährt man ganz viel über sich selbst. Es ist wie in den Spiegel zu schauen.

 

Annabel Dillig (Jahrgang 1981) ist freie Journalistin. Fünfeinhalb Jahre war sie Redakteurin beim Magazin „NEON". Sie hat die Deutsche Journalistenschule absolviert und Journalistik in München und Paris studiert. Annabel Dillig lebt in München. Im September 2012 ist ihr Buch „Diesen Partner in den Warenkorb legen" bei blanvalet erschienen.