Der Fachbuchhandel und die Nachwuchsnot

Wo ein Wille ist

8. Mai 2013
Redaktion Börsenblatt
Den Buchhandel quälen Nachwuchssorgen, er sucht nach Erklärungen und Auswegen. Die AWS rückte das Thema bei ihrer Jahrestagung gestern deshalb ganz nach vorn ins Rampenlicht. Mit dem Fazit: Die Branche macht sich hier kleiner als sie ist – und übersieht dabei ihre Chancen.
Der vielleicht gewichtigste Hinweis in der Diskussion klang zunächst recht unscheinbar. Dass der Buchhandel Nachwuchssorgen habe, "liegt nicht am Geld", sagte Beate Sieber-Budeck von der Arbeitsagentur Kassel, und schloss jegliche Zweifel kategorisch aus. "1.800 Euro brutto nach dem Ende der Ausbildung – das ist doch nicht schlecht. Auch Akademiker sind da froh über Angebote." Müsste sie es wissen? Eigentlich ja.

"Es gehört Idealismus dazu"

Heinrich Riethmüller, der neben ihr auf dem Podium saß, konnte sie damit allerdings nicht recht überzeugen: Der geschäftsführender Gesellschafter von Osiander blickte eher auf die lange Distanz. Eine Bewerbung erfordere auch ein Quantum Idealismus, "angesichts der Karriere- und Verdienstmöglichkeiten im Buchhandel." Man stehe da nun mal ganz klar im Wettbewerb mit anderen Branchen, meinte er – und warnte damit auch, zumindest indirekt, vor jeglicher Augenwischerei. "Akademiker einstellen? Da kann ich Ihnen nicht folgen", antwortete er Sieber-Budeck. "Beim Gehalt können wir mit anderen Branchen kaum mithalten."

Ausweg Nummer 1: Imagewandel, einmal vor und zurück

Ein anderer Punkt, der ihn beschäftigt – wie wohl viele andere auch, ist das Image der Buchbranche. Riethmüller: "So wie sich die Branche in den vergangenen zwei bis drei Jahren dargestellt hat, ist sie nicht besonders attraktiv." Zu oft sei sie "durch die Presse gezogen worden", und das oft mit einem düsteren Tenor. "Gut, dass sich jetzt was tut."

Dass sich die veröffentlichte Meinung – und damit auch die öffentliche – über den Buchhandel langsam wieder ändert, hält er für enorm wichtig. "Ich bin froh, dass sich das Bild ändert, positiver wird", sagte Riethmüller  – das sei die Grundvoraussetzung dafür, Jüngere für den Buchhandel neu zu begeistern.

Ausweg Nummer 2: Duales Studium im Fachbuchhandel

Schweitzer Fachinformationen hat auf die Nachwuchsfrage indessen eine ganz eigene Antwort gefunden, nach dem Motto: wo ein Problem ist, ist auch eine Lösung. Und die hat nur mittelbar etwas mit Geld und auch nur bedingt mit dem (mutmaßlich) durch die Medien induzierten schiefen Branchenbild zu tun, sondern eher mit Karrierechancen: Die zum Unternehmensverbund gehörende Hamburger Buchhandlung Boysen + Mauke bietet künftig ein duales Studium an.

Los ginge es zunächst mit einem Platz, erklärte Filialchef Rudolf Oechtering – man stecke bereits mitten in der Bewerbungsphase. Und mehr noch: Zwei jungen Mitarbeiterinnen, die den Aufstieg suchten, ermögliche er jetzt ein duales Studium außerhalb dieses Programms. "Wir wollen gezielt fördern", so Oechterding.  

Ein Problem, für das er im Moment noch keine rechte Lösung weiß, ist die klassische Buchhandelsausbildung. "Die reicht nicht mehr aus", argumentierte er. Neue Ausbildungsordnung hin oder her: Man brauche keine anderen, aber zusätzliche Qualifikationen. In den Rahmenplänen lese sich alles ganz wunderbar, nur sei sie die Praxis immer noch eine andere. „Projektmanagement, E-Commerce, digitales Marketing: Das können wir so intensiv, wie es nötig wäre, gar nicht liefern – und die Berufsschule auch nicht.“ Deshalb gibt es nun bei Boysen + Mauke auch einen Alternativweg, sprich: ein duales Studium.         

Ausweg Nummer 3: Zuversichtlich bleiben, zusammenarbeiten, Schulmarketing ausbauen

Monika Kolb-Klausch, die gestern in doppelter Funktion in Kassel dabei war (als Bildungsdirektorin des Börsenvereins und als Geschäftsführerin des mediacampus), blickte in beide Richtungen – die der Praxis und die der Theorie. Sie warb dafür, bei der Problemanalyse stets zu differenzieren, zuversichtlich zu bleiben, positiv zu kommunizieren, aktiv zu werden.

Eine duale Ausbildung fordere nun einmal zwei Partner. "Eine große Verantwortung liegt also auch bei Ihnen", appellierte sie. "Nehmen Sie den Bildungsauftrag als Unternehmer ernst." Was die Nachwuchswerbung angehe, sehe sie sich oft allein auf weiter Flur. Dabei gehe es besser zusammen – wenn Handel und Verband im Duett arbeiteten. Sie sei dafür sehr offen, sagte Kolb-Klausch, und nannte auch gleich einen Anknüpfungspunkt: "Wir entwickeln gerade neue Ideen für das Schulmarketing."  

Ausweg Nummer 4: Kontakt aufnehmen, Praktika anbieten

Sieber-Budeck von der Arbeitsagentur ermunterte die Branche schließlich dazu, sich nicht selbst im Weg zu stehen oder einfach abzuwarten. "Ich würde direkt Kontakt zu Schulen aufnehmen", empfahl sie der Runde, und schloss da auch durchaus Akademien und Hochschulen mit ein. "Bieten Sie Praktika an, Sicherheit, einen unbefristeten Arbeitsvertrag undsoweiter; besuchen Sie Messen und andere Veranstaltungen - probieren Sie es aus!"

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von W. Arndt Bertelsmann (W. Bertelsmann Verlag).

Die Themen am Tag drei des Jahrestreffens der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen (AWS): Heute geht es in Kassel mit einem Schwerpunkt weiter, der direkt an die Nachwuchsfrage anknüpft; in drei Vorträgen dreht sich alles um Zukunft des (Fach-)Buchhandel - mit Handelsexperte Ulrich Eggert, Jan Orthey (Buchhandlung Lünebuch/ Buy local) und Mike Trepte (Unibuch Kassel).