Was hat Sie motiviert, an dem Austauschprogramm teilzunehmen?
Ich wollte die Buchbranche mal aus einer anderen Perspektive kennenlernen und wollte die Chance nutzen, mehr Auslandserfahrung zu sammeln. In der Schule hatte ich bereits Französisch, und ich wollte von Anfang an in eine Buchhandlung, die sich mit dem Thema E-Books beschäftigt. Mich hat interessiert, wie die französischen Buchhändler mit dem digitalen Umbruch in der Branche umgehen, mit E-Books und E-Shops. Deswegen wurde ich an die Buchhandlung Le Divan in Paris vermittelt. Meine Chefin in der Bücherstube Neuburg hat meine Bewerbung von Anfang an sehr unterstützt.
Was hat Ihnen in der französischen Buchhandlung besonders gefallen?
Ich konnte mit dem IT-Verantwortlichen der Buchhandlung zusammenarbeiten, der mir erklärt hat, wie die Buchhandlung mit Bibliotheken und Büchereien zusammenarbeitet. Auch die anderen Kollegen waren bezüglich des E-Book-Marktes sehr versiert und haben mir erläutert, wie sie bei der Beratung von Kunden vorgehen. Dieser Erfahrungsaustausch hat mir persönlich sehr viel gebracht; ich konnte das Wissen später in der Bücherstube Neuburg einbringen, die auch einen eigenen Online-Shop hat und E-Books vertreibt.
Außerdem fanden zur Zeit meines Praktikums gerade die Präsidentschaftswahlen in Frankreich statt. Das war spannend, auch weil das Wahlergebnis unmittelbaren Einfluss auf meine Arbeit hatte: Wahlkampfthema war unter anderem der verminderte Mehrwertsteuersatz für Bücher. Kurz vor der Wahl wurde die Mehrwertsteuer für Bücher von der damaligen Regierung von 5,5 auf 7 Prozent erhöht; mit der Wahl von François Hollande wurde diese Erhöhung rückgängig gemacht. Das hieß für uns Buchhändler: Fast alle Preise der lagernden Bücher zunächst zu ändern, um diese Bücher nach der Wahl wieder umzupreisen. Nur wenige Verlage haben die Mehrwertsteuererhöhung nicht an die Kunden weitergegeben; deswegen waren die Franzosen recht euphorisch nach dem Ausgang der Wahl.
Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen dem französischen und dem deutschen Buchhandel?
Deutsche Buchhandlungen können über Nacht jedes lieferbare Buch bestellen und es ihren Kunden direkt am nächsten Tag verkaufen. Das war in Frankreich anders: Da kann es passieren, dass ein Buch erst nach einer Woche geliefert wird, auch wenn sowohl der Verlag als auch die Buchhandlung in Paris ansässig sind. Für mich war das definitiv eine Umstellung. Da aber den meisten Kunden diese Regelung vertraut war, haben sie die einwöchige Wartezeit einfach mit eingeplant.
Ich hatte den Eindruck, dass die Preisbindung in Frankreich unter den Kunden viel bekannter ist als in Deutschland und dass sie dort auch eher akzeptiert und wertgeschätzt wird. Da die Buchpreise überall gleich sind, legen die Kunden viel mehr Wert darauf, wo sie welchen Service erhalten. Ein großer Unterschied ist jedoch, dass es in Frankreich beim Buchpreis einen Spielraum von drei Prozent gibt – das heißt, die Händler können beim endgültigen Buchpreis bis zu drei Prozent vom gebundenen Ladenpreis abziehen oder zusätzlich verlangen. Diese Drei-Prozent-Klausel fand ich vor allem sinnvoll, wenn Kunden Mängel an einem Buch festgestellt haben. Denn dann konnte man ihnen den entsprechenden Rabatt auf dieses Werk geben.
Konnten Sie Ihre Auslandserfahrungen zuhause in der Bücherstube Neuburg einbringen?Zum einen hat es meine Sprachkenntnisse gefestigt. Zum anderen hat mir der Austausch mit meinen französischen Kollegen sehr viel gebracht. Vor allem fachliche Themen, zum Beispiel welche Kundengruppen welche Beratung im E-Bereich benötigen, welche Service-Leistungen am effizientesten sind, konnte ich mit Fachleuten diskutieren, die zwar ein ähnliches Wissen hatten, aber einen ganz anderen Blickwinkel eingebracht haben.
Und welche Erfahrungen konnten Sie nach Ihrer Rückkehr aus Frankreich an die Bücherstube Neuburg weitergeben?
Manches kann man übernehmen und in die eigenen Arbeitsabläufe integrieren. Dadurch, dass Le Divan nicht in direkter Konkurrenz zur Bücherstube Neuburg steht, war der Erfahrungsaustausch viel freier. Allerdings muss man beim Benchmarking die unterschiedliche Größe der beiden Buchhandlungen berücksichtigen: Die Bücherstube Neuburg ist eine inhabergeführte Buchhandlung und Le Divan ist zwar unabhängig, aber dennoch Teil der Gallimard-Gruppe und hat mehr Quadratmeter Fläche und doppelt so viele Mitarbeiter. Deshalb sind manche Abläufe natürlich ganz anders. Besonders gut haben sich etwa Vertretertermine, Einkaufsplanung oder die allgemeine betriebswirtschaftliche Organisation vergleichen lassen. Organisierte Lesungen liefen dagegen in Frankreich komplett anders ab: Der Autor kam in die Buchhandlung, um mit seinen Lesern über sein Buch zu reden, bei Fachbüchern wurden die Inhalte diskutiert. Meist wurde dazu Wein und Käse gereicht. Es gab keine Lesung an sich, denn das, so wurde mir gesagt, mache man nur in Deutschland. Ich liebe zwar Lesungen, aber es muss ja auch nicht immer so lang sein. Eine Mischung aus beiden Konzepten oder beide Konzepte im Wechsel würden sich meines Erachtens prima in monatliche Leseabende integrieren lassen.
Können Sie eine Schlüsselkompetenz benennen, die Sie in Frankreich erworben haben und die Sie sowohl privat als auch beruflich weitergebracht hat?
Durch meine abgeschlossene Ausbildung als Buchhändlerin und als Diplom-Betriebswirtin habe ich ja bereits einige Schlüsselkompetenzen mit nach Paris gebracht. Aber ich habe sie in der neuen Umgebung weiter ausbauen können. Da ich gerade am Anfang manche französischen Formulierungen noch nicht richtig verstanden habe, musste ich mich auf meine bisherige Berufserfahrung stützen und „erahnen“, was die Kunden wünschen. Mit höflichem und vor allem gezieltem Nachfragen klappte die Kundenberatung bzw. Buchbestellung dann ganz gut. So ist für mich eine der wichtigsten Erfahrungen, dass das Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten gewachsen ist.
Die Frankfurter Buchmesse bietet Verlagen, Buchhandlungen und literarischen Agenturen an, ihre jungen Mitarbeiter im Rahmen des deutsch-französischen Austauschprogramms für ein dreimonatiges Praktikum nach Frankreich zu entsenden oder von April bis Juni 2014 einen Praktikanten aus Frankreich in ihrem Unternehmen aufzunehmen. 2014 wird der Schwerpunkt auf dem vertreibenden Buchhandel liegen: „Wir möchten besonders Buchhändler, Lizenzverantwortliche und Vertriebsleiter in Verlagen ermutigen, ihren jüngeren Kollegen die Teilnahme an diesem Austausch zu ermöglichen“, so Niki Théron, die das Austauschprogramm bei der Frankfurter Buchmesse betreut.
Das Förderprogramm bietet zehn jungen Mitarbeitern, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Studium verfügen sowie erste Berufserfahrungen nachweisen können, die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen der Buchbranche des jeweiligen Nachbarlandes zu werfen. Weitere Teilnahmebedingungen: Bewerber sollten gute Französischkenntnisse vorweisen und zu Beginn des Programms jünger als 30 Jahre alt sein. Die Programmteilnahme wird finanziell vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) mit einem monatlichen Stipendium in Höhe von 880 Euro gefördert.
Das deutsch-französische Austauschprogramm wird von der Frankfurter Buchmesse in Kooperation mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem Bureau International de l’Édition Française (BIEF) und dem Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) organisiert. Anmeldeschluss für 2014 ist der 31. Juli 2013. Weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren und Teilnahmebedingungen unter: