Interview mit Frederik Palm, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Deutschen Versandbuchhändler

"Die Chancen, die sich beim E-Book bieten, müssen gestaltet werden"

16. Mai 2013
Redaktion Börsenblatt
Die aktuellen Zahlen des Verbands der Deutschen Versandbuchhändler machen schlagartig klar: Amazon dominiert den Internet-Versandbuchhandel mit knapp 75 Prozent deutlich. Welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, sagt Frederik Palm, Vorstandsvorsitzender des Verbands, im Gespräch mit boersenblatt.net.

Der Verband hat eine erweiterte, transparente Darstellung der Marktzahlen vorgestellt. Demnach hatte Amazon 2012 einen Marktanteil von circa 74 Prozent im Internet-Buchhandel. Welche Folgen hat das für die Versandbuchhändler?
Die Transparenz muss man natürlich mit einer gewissen Einschränkung versehen, weil es sich in Teilen immer noch um eine Schätzung handelt. Aber es sind die verlässlichsten Zahlen, die wir derzeit haben. Das, was wir immer gefühlt haben, wird jetzt bestätigt: dass es einem Wettbewerber gelungen ist, einen Markt weitgehend zu beherrschen. Von der schieren Größe der Zahlen sind nicht nur wir, sondern auch andere Einzelhandelsverbände überrascht worden.

Wie können Sie Ihre Mitglieder bei Strukturwandel und Digitalisierung unterstützen?
Die Mittel eines Verbandes in einer Branche, die Strukturverwerfungen unterliegt, sind natürlich begrenzt. Wir können nur Angebote zur Selbsthilfe machen, beispielsweise Seminarangebote und Plattformen für den Austausch. Und wir unterstützen Geschäftsmodelle, mit denen man sich vom Mitbewerber Amazon absetzen kann – etwa durch eine Multichannel- oder eine Nischenstrategie. Auf jeden Fall ist es wichtig, sich auf die Stärken des Versandbuchhandels zu besinnen: Exzellenz im Umgang mit großen Datenmengen, Kundennähe, eine hohe Detaildichte bei den Absatzinformationen – und dies umgesetzt in aktives Verkaufen, nicht bloßes Bereithalten. Wir setzen außerdem auf Kooperationen wie aktuell mit dem Institut für interaktiven Handel (idih) in Berlin oder vergangenes Jahr mit dem Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH).

Mit der Neuwahl von Per Dalheimer (Libri.de Internet GmbH) setzt der Verband ein Zeichen in Richtung E-Book. Kann der Versandbuchhandel von der Wachstumsdynamik in diesem Bereich weiter profitieren?
Die aktuellen Zahlen zeigen ja, dass der E-Book-Markt stark wächst und mit 106 Millionen Euro eine respektable Größenordnung erreicht hat. Die zweite gute Nachricht ist, dass auch der Kreis unserer Mitglieder davon profitiert. Die Chancen, die sich bieten, müssen aber auch gestaltet werden.

Beim E-Book hat Amazon ja noch nicht die 75:25-Position wie im gesamten Online-Buchgeschäft …
Deshalb ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt um dort einzusteigen, wie es die Kollegen von der Tolino-Allianz gemacht haben. Täte man dies nicht, hätte man beim E-Book mit einer ähnlichen Dominanz durch Amazon zu rechnen. Und noch ist Platz für Vielfalt und Wettbewerb in diesem Markt.

Es verändern sich auch einige rechtliche Rahmenbedingungen für den Versandhandel – unter anderem soll noch in diesem Jahr die Europäische Verbraucherrechte-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Gehen davon auch positive Impulse für den Versandbuchhandel aus?
Zunächst einmal ist es ein europaweit einheitlicher Rechtsrahmen, der hier geschaffen wird. Das bringt im grenzüberschreitenden Verkauf große Erleichterungen, weil man sich nicht mit allen nationalen Verbraucherrechten befassen muss. Das deutsche Schutzniveau ist außerdem immer schon so hoch gewesen, dass die Händler und unsere Mitglieder sehr gut darauf vorbereitet sind. Die Richtlinie bringt eher Erleichterungen, beispielsweise beim Punkt Rücksendekosten. Nach dem derzeitigen Stand hat der Händler die freiwillige Option, dem Kunden die Kostenübernahme bei Rücksendungen anzubieten, er ist aber nicht mehr dazu verpflichtet.

Interview: Michael Roesler-Graichen