Aktion: Schriftsteller für Buchhändler

"Wir brauchen einander"

27. Februar 2015
von Börsenblatt
21 Autoren machen sich stark für das stationäre Sortiment: "An einem Strang - Schriftsteller für Buchhändler" heißt die Aktion, die mit einer bundesweiten Veranstaltungstour verknüpft ist und an diesem Mittwoch in Mainz startet. Autor Michael Kleeberg hatte die Idee. Hier erzählt er, wie es dazu kam - und warum es nicht darum geht, sich in den Armen zu liegen und die guten alten Zeiten zu beschwören.

Brauchen die Buchhändler Hilfe?
Kleeberg:
Das weiß ich nicht. Ich will auch nicht sagen, dass unsere Aktion ihnen helfen soll. Aber ich glaube, eine solche Geste – und mehr ist es sicherlich nicht – tut ihnen nicht schlecht.

Was war der Auslöser?
Kleeberg:
Der Anstoß kam durch den besorgten Brief eines befreundeten Buchhändlers, der mir schrieb, das Geschäft mit Büchern werde immer schwieriger, was ihn dazu gezwungen habe,  Mitarbeiter zu entlassen. Er beklagte zum Beispiel, dass Kunden die vierteljährlich mit einer Liste von 40 Büchern in den Laden kämen, nicht nachwachsen. Das habe ich erst einmal nur konstatiert. Die Klage ist ja nicht neu. Man hört immer wieder von Schwierigkeiten, von Schließungen. Es gibt doch keinen, der sagt, es ist alles bestens, die Branche boomt. Ich sehe das aus der Warte eines Autors, der keine Schwedenkrimis schreibt, die vom Stapel weg gekauft werden, sondern der die Vermittlung und die Fürsprache des Buchhandels braucht, damit seine Werke in der Masse von tausenden Büchern entdeckt werden.

Woran liegt es, dass die Käufer ausbleiben?
Kleeberg:
Es gibt veränderte Kaufgewohnheiten und eine enorme Medienkonkurrenz. Aber darüber hinaus? Ich habe keine Ahnung. Ich habe mir die Aktion nicht zuletzt deshalb ausgedacht, um selbst ein bisschen mehr über die Situation zu erfahren. Ich hoffe, durch Gespräche mit Kunden ein paar Antworten zu finden. Das ist der Sinn der Sache: am Ende ein bisschen klüger zu sein. Und es geht wie gesagt um die Geste gegenüber den Buchhändlern. Das Ganze ist sicher ein bisschen naiv und hilflos. Aber wenn Sie einen Freund haben, der im Krankenhaus liegt, dann gehen Sie den Patienten besuchen, ohne lange darüber nachzudenken. Wenn einer sagt, das fördert den Heilungsprozess keineswegs und wenn der Kranke sterben muss, können Sie das auch nicht ändern - aber es hält Sie trotzdem nicht davon ab. Man ist es einfach sich selbst gegenüber schuldig. 

Können Sie die schwierige Lage auch am Rückgang der Verkaufszahlen Ihrer eigenen Bücher ablesen?
Kleeberg:
Nein, im Gegenteil, das wird eher besser. Unklar ist aber, wo meine Bücher in erster Linie verkauft werden – ob im Internet oder in den Buchhandlungen, die wir unterstützen wollen. Ich weiß durch meine Besuche in Buchhandlungen, dass ein lesender, engagierter Buchhändler Menschen dazu bringt, Bücher zu kaufen, von deren Existenz die Kunden bislang gar nichts wussten. Mir ist das auch schon passiert. Es gibt durchaus Buchhändler, die dazu fähig sind, mich mit einem David Foster Wallace aus dem Laden zu schicken, obwohl ich eigentlich einen Stieg Larsson kaufen wollte. Und das kann Amazon nicht. Amazon ist die gnadenlose Demokratie. Ganz zu schweigen von einem menschlichen Austausch, der über das eigentliche Kundengespräch hinausgeht. Wer weckt denn das Interesse für etwas anspruchsvollere deutschsprachige Literatur? Das sind die Feuilletons und das sind die Buchhändler.

Für Sie sind Buchhandlungen "Fundgruben des Geistes und der Fantasie".  Hans Magnus Enzensberger hat dereinst von "geistigen Tankstellen" gesprochen. Aber hat sich seitdem nicht vieles verändert?
Kleeberg:
Natürlich sind unter den mehreren tausend Buchhändlern auch solche, die weniger lesen, denen es an Kompetenz mangelt. Aber in einer Stadt mit 40.000 Einwohnern ohne Universität, ohne pulsierendes kulturelles Zentrum, was bleibt da? Die Buchhändler sind dort weit mehr als nur Verkäufer. Ohnehin sind das doch Fanatiker. Warum sonst organisieren sie Leseveranstaltungen, an deren Ende sie vielleicht 15 Bücher verkaufen? Ich habe jedenfalls noch keinen Buchhändler kennengelernt, der einen dicken Mercedes vor der Tür stehen hatte. "Geistige Tankstellen" – das trifft es wunderbar. Vielleicht bin ich ein Romantiker, ganz bestimmt sogar, aber ich habe wunderbare Erinnerungen an Besuche in Buchhandlungen. Man geht da rein und kommt zuweilen anders wieder raus.

Die Jüngeren wüssten das Besondere einer Buchhandlung nicht mehr zu schätzen – so geht die Klage. Warum ist das so? Ist es die Ignoranz der Jungen oder haben sich das die Buchhändler auch selbst zuzuschreiben?
Kleeberg:
Es ist sicherlich beides. Es existieren Geschäfte – das regt mich auch auf, wenn ich die betrete –, da sitzt ein Buchhändler, der einen mürrisch und beleidigt anguckt, weil er zu wenig Kunden hat, aber der zugleich ein Sortiment bereithält, das nicht gerade neugierig macht. Zweifellos gibt es Buchhändler, die unflexibel sind und einfallslos, vielleicht auch einfach nicht leidenschaftlich genug. Umgekehrt hat sich aber auch das Kaufverhalten verändert. Autoren werden aufgefordert zu bloggen, zu twittern. Der Gedanke, mir eine Facebook-Seite zu basteln, damit ich Leute erreiche, die keine Bücher lesen, erschreckt mich doch einigermaßen.

Macht man es sich nicht zu einfach, wenn man das fehlende Interesse der Kunden beklagt, wie es so in keiner anderen Branche geschieht? Sollte es nicht Aufgabe einer Buchhandlung sein, dieses immer wieder neu zu wecken?
Kleeberg:
Zweifellos. Als ich anderen Autoren von meiner Idee erzählt habe, war das ein häufiger Einwand, auch derjenigen, die jetzt mitmachen. Jeder von uns ist da in einem Zwiespalt. Einerseits hat jeder seine Lieblingsbuchhandlungen und ist ein Romantiker. Andererseits wird die Frage gestellt werden müssen: In welcher anderen Branche backen sich die Verkäufer ihre Kunden? Es geht bei dieser Aktion auch darum, mit den Buchhändlern selbst ins Gespräch zu kommen. Wir wollen durchaus Tacheles reden und uns nicht nur in den Armen liegen und die guten alten Zeiten beschwören. Ich hoffe und glaube, dass das für alle Beteiligten augenöffnend sein kann.  Aber klar ist auch, dass beide, Autoren und Buchhändler, auf derselben Seite stehen und einander brauchen.

Wo kaufen Sie Ihre Bücher?
Kleeberg:
Ich kaufe alle deutschsprachigen Bücher in traditionellen Buchläden, zwei Drittel davon in einer Frohnauer Kiezbuchhandlung nahe meiner Wohnung. Ich weiß nicht, ob es peinlich ist, das zu sagen, aber wenn ich unterwegs bin, dann halte ich mich an eine einfache Regel: Ich unterscheide die gut sortierten von den weniger gut sortierten Buchhandlungen danach, ob sie Bücher von mir im Regal haben. Ist dem so, dann kaufe ich da gern – und wenn nicht, dann boykottiere ich sie. Aber gestehen muss ich, dass ich englische oder französische Bücher über Amazon beziehe.

Sie sind Berliner, die Auftaktveranstaltung Ihrer Hilfsaktion findet aber in der Mainzer Dombuchhandlung statt. Ist der Inhaber derjenige, der mit seinem Brief das Ganze ins Rollen  gebracht hat?
Kleeberg:
Nein. Wer der Briefeschreiber ist, verrate ich nicht. Die Dombuchhandlung ist eine meiner Lieblingsbuchhandlungen, die ich als Stadtschreiber in Mainz kennengelernt habe. Es ist kein Highbrow-Geschäft, da können Sie auch als Tourist hineinstolpern und bekommen ein Büchlein über den Mainzer Dom oder Ansichtskarten mit Briefmarken. Aber man merkt sofort: dort arbeiten Leser. Ich habe mich immer festgeschwätzt. Hinzu kommt, dass Mainz zentral gelegen ist. Weitere Veranstaltungen sind in Frankfurt, Berlin, Hamburg und Halle geplant.

21 Autoren werden im Juni unterwegs sein. Sind es ebenso viele Buchhandlungen?
Kleeberg:
Bislang sind es acht Buchhandlungen. Mir war daran gelegen, dass immer mehrere Autoren zusammen auftreten, die sich möglichst auch klar unterscheiden: Männer – Frauen, Jüngere – Ältere, Arriviertere – Unbekanntere, Erwachsenenbuchautoren – Kinderbuchautoren. Und ich wollte nicht, dass auf den Schultern eines Autors ein riesiges Repräsentationsgewicht lastet, das wäre lächerlich. Das Ganze soll keine Jammerlappen-Veranstaltung sein. Ich habe diese Aktion nicht generalstabsmäßig geplant, sondern einfach die Autoren angeschrieben, mit denen ich bekannt bin. Aber wenn das Ganze vielleicht Erfolg hat und noch andere Autoren hinzukämen, dann wäre es schön, wenn sich auf diese Weise ein repräsentativer Querschnitt ergeben würde.

Worauf sind Sie selbst am neugierigsten?
Kleeberg: Ich bin neugierig auf die Leser. Ich möchte wissen, was das für Leute sind, was sie suchen. Ob sie Wert auf Beratung legen oder bereits genau wissen, was sie wollen. Oder ob sie sagen: Ich bin gekommen, weil es Kaffee und Prosecco gibt, normalerweise würde ich nie in eine Buchhandlung gehen. Ich habe solche Leute in der eigenen Familie, die nie eine Buchhandlunge betreten haben, sondern immer nur Mitglied in einem Buchclub waren. Die hatten eine fürchterliche Schwellenangst. Vielleicht ist das auch eine Furcht bei Jüngeren, der Gedanke, da starrt mich 500 Jahre Geist an.

Zur Aktion "An einem Strang - Schriftsteller für Buchhändler"

  • Die erste Veranstaltung der Autorentour findet an diesem Mittwoch um 16.30 Uhr in der Mainzer Dombuchhandlung statt - mit Michael Kleeberg, Sherko Fatah, Najem Wali und Georg Klein. Weiter geht es am am 6. Juni 2013 in der Ypsilon Buchhandlung in Frankfurt am Main. Weitere Veranstaltungen in Hamburg, Berlin, Stuttgart, Halle und Krefeld folgen.
  • Pro Buchhandlung sind drei bis vier Autoren zu Gast und bieten Lesungen, Signierstunden oder Diskussionsrunden an.
  • Unterstützt wird die Tour vom Sortimenter-Ausschuss des Börsenvereins. Alle ziehen dabei an einem Strang: Die Autoren verzichten auf ihre Honorare, der Sortimenter-Ausschuss übernimmt die Reisekosten und koordiniert die Aktion.