In der deutschen Buchhandlung in Kairo bleiben die Kunden aus

Keine Zeit für Bücher

21. August 2013
Redaktion Börsenblatt
Inmitten von Protesten und Unruhen spielen deutsche Bücher in Kairo keine Rolle: boersenblatt.net sprach mit Edouard Lambelet, Inhaber der deutschen Buchhandlung Lehnert & Landrock unweit des Tahrir-Platzes. Erstmals überlegt er, den Laden aufzugeben.
Kairo kommt nicht zur Ruhe, die Zahl der Toten wächst mit jedem Tag weiter. Edouard Lambelet hat die brutalen Straßenschlachten in seiner Heimatstadt nicht miterlebt: Der Inhaber der berühmten deutschen Buchhandlung Lehnert & Landrock im Herzen Kairos ist noch vor den blutigen Kämpfen zwischen der Armee und den Anhängern der Muslimbrüder in die Schweiz abgereist, seiner anderen Heimat, und von dort weiter in die Vereinigten Staaten, wo seine Tochter lebt.

Eine Flucht war es nicht, die Fahrt war schon länger geplant. Der 76-Jährige hat die Eskalation nicht vorhergesehen - mit der Machtübernahme durch die Armee schien sich zuletzt vieles in Kairo zum Besseren zu wenden, der Stillstand im Land endlich beendet. "Die Muslimbrüder haben ein Jahr lang regiert. Während dieser Zeit ist die Arbeitslosigkeit rapide gestiegen", klagt Lambelet.

Zu den besten Zeiten beschäftigte Lehnert & Landrock, 1924 von zwei Deutschen begründet, 35 Angestellte; neben der Buchhandlung unweit vom Tahrir-Platz gab es eine Filiale im Ägyptischen Museum, geleitet von Edouard Lambelets Frau Roswitha, einer gebürtigen Heidelbergerin. Geblieben sind 15 Angestellte im großen verwinkelten Hauptgeschäft. Von einer Fotogalerie schaut man herab auf das umfangreiche Sortiment aus Reiseführern, Belletristik, Kochbüchern sowie Fachliteratur für Studenten. Neben Deutsch dominieren Englisch und Französisch.

Aber derzeit bewegen sich kaum Menschen zwischen den Regalen. Für Geschäftsleute wie Lambelet, der die Buchhandlung seit mehr als einem Vierteljahrhundert leitet, waren schon die letzten Monate eine Katastrophe. Aufgrund der angespannten Lage kommen seit längerer Zeit kaum noch Touristen in die Stadt - die deutsche Regierung etwa hat zuletzt von Reisen nach Ägypten ganz abgeraten. Und die Kairoer meiden die Buchhandlung. Es ist offenbar nicht die Zeit, um Bücher zu lesen.

Edouard Lambelet betrachtet die Lage im Land mit großer Trauer: "Ägypten hat immer wieder Kriege und Auseinandersetzungen erlebt. Aber nach jeder dunklen Zeit hat es sich wieder erhellt." Zum ersten Mal ist das nun anders. Der Mann, der drei Viertel seines Lebens in Ägypten verbracht hat, schließt nicht mehr aus, die Buchhandlung ganz aufzugeben: "Wenn sich die Situation nicht bessert oder gar syrische Verhältnisse drohen, dann hat es keinen Sinn für uns, dort zu bleiben."