Siebter Himmel, der neue Concept Store von Bastei Lübbe

Gestern Räuberhöhle, heute Trendlabor

16. September 2013
Redaktion Börsenblatt
Bastei Lübbe setzt auf den Kontrast und investiert in ein neues Experimentierfeld – einen Laden namens Siebter Himmel, in dem man Produkte für anspruchsvolle Trendsetter testen und verkaufen will. Soweit die Theorie. Wie die Praxis aussieht: boersenblatt.net hat sich umgesehen.
Marketing- und Vertriebsvorstand Klaus Kluge steht am Abend des ersten Tages vor seinen Gästen – unter ihnen: Seniorverlegerin Ursula Lübbe - , strahlt und erzählt: Davon, warum es diesen Laden gibt, weshalb der Laden so und nicht anders aussieht, was Bastei Lübbe damit insgesamt vorhat, was das Experiment dem Verlag kostet – und wie es überhaupt dazu kam. Kluge unterhält gern, das ist sofort klar. „Alles begann drüben beim Friseur“, berichtet er. Ein Klassiker.


„3B-Lage? Das machen wir trotzdem“

Der befreundete Coiffeur hatte ihn vor etwa einem Jahr darüber informiert, dass in der Nachbarschaft ein Laden frei würde. Hier könne er seine Ideen doch mal … Kluge schickte daraufhin jemand vom Vertrieb los, der jedoch ernüchtert zurückkam: In dieser Gegend, noch dazu in 3B-Lage einen Laden zu eröffnen, sei aus wirtschaftlicher Perspektive keine gute Idee – lautete das Fazit.  Dass Kluge sich anders entschied („Das machen wir trotzdem“), ist bekannt. Seine Argumente: Hier treffe man auf „die kreativste Szene“ Kölns, die Gegend sei vielversprechend, habe noch viel Potenzial. Kluge: „Manche Geschäfte existieren hier schon seit zehn Jahren“. 

Seit vergangenen Freitag kann jeder nun das Ergebnis begutachten und prüfen, ob die 300.000 Euro, die Bastei Lübbe seit Januar in den Umbau investiert hat, gut angelegt sind. Dazu sollte man aber vor Augen haben, was hier vorher war: „Der Laden war eine Räuberhöhle“, sagt Kluge, ein vergleichsweise dunkles Raucherlokal (mit Zutritt ab 18).

Jetzt betreibt Bastei Lübbe unter der Adresse Brüsseler Straße 67 anspruchsvolle Marktforschung in eigener Sache – bietet damit ein Programm, das kontrastreicher kaum sein könnte. Dabei soll das „Testlabor“ (Kluge) in erster Linie dem Medienhaus selbst nutzen: dem Vertrieb und dem Marketing, den Lektoren und den Produktentwicklern von Räder oder Präsenta. Kluge: „Wir probieren Themenwelten aus, erhoffen uns Anregungen für neue Produkte und bei der Preisgestaltung.“ Darüber hinaus gelte: Man teile die Erkenntnisse gern. „Alle Kollegen sind natürlich herzlich eingeladen, hierher zu kommen.“

Der Siebte Himmel: Wie es dort aussieht und was Bastei Lübbe investiert

Das Konzept: „Die Leute sind es müde, immer nur das gleiche zu sehen“, ist Kluge überzeugt – und er glaubt auch fest daran, dass es „ein Leben jenseits der Algorithmen“ gibt. Für die Buchhandlung soll beides eine Rolle spielen; von der alltäglichen Produktvielfalt abzuweichen, hält Kluge für einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren. 60 Prozent des Angebots sind Bücher, 40 Prozent Nicht-Bücher (den Begriff Non-Book mag Kluge nicht).

Die Kosten: Der Umbau hat Bastei Lübbe rund 300.000 Euro gekostet – eigentlich hatte Kluge etwa dreimal so viel veranschlagt, wurde von seinem Vorstandskollegen Thomas Schierack dann aber gebremst. Vorgesehen ist, dass der Laden im ersten Jahr 350.000 Euro erwirtschaftet – bei einer Größe von 250 Quadratmetern und drei Mitarbeitern. Reicht das schon, für die geplante schwarze Null? Kluge zieht die Augenbrauen hoch, meint: „Das versteht wieder keiner.“ Natürlich bedeute dieser Laden auch einen „gewissen Luxus“. Andererseits habe ein Verlag durchaus die Aufgabe, etwas auszuprobieren.

Das Geschäft: Bastei Lübbe will die Fläche nutzen, um Themen- (sprich: Produkt-)welten zu testen. “Wir üben uns in der Kunst der Inszenierung“, so Kluge. Entsprechend sieht auch der Laden aus: Die 250 Quadratmeter verteilen sich auf insgesamt sechs Räume, die miteinander verbunden sind; von vorn nach hinten zieht sich ein langer Steg; farblich dominieren Grau und Braun – das Ensemble ist schön schlicht.

  • Der Raum am Eingang, der einzige mit Fenster, dient als Lounge. Er ist luftig gestaltet, hier steht ein großer Tisch, eine Wand wird komplett von einem Bücheregal bedeckt – in dem ausschließlich Empfehlungen der Mitarbeiter zu finden sind (Belletristik, Sachbuch u.a.). Kenntlich werden diese Empfehlungen z.B. mit Rezensionen aus Zeitungen gemacht. Was noch auffällt: Entlang des Schaufensters gibt es eine Sitzbank; eine Wand wird für wechselnde Werbebotschaften genutzt (per Beamer: Buchempfehlungen), auf kleinen Auslagen – jedoch nicht in unmittelbarer Buchnähe - liegen Geschenkartikel.  
  • Eine Wand weiter befindet sich die Geschenkewelt – inklusive Kassenzone. Hier werden die Produkte der Bastei Lübbe-Tochter Räder präsentiert, hier gibt es Designgeschenke von Dritten (u.a. Kissen), und hier stehen auch eine Reihe von Romanen,  Design- und Deko-Büchern.    
  • Als nächstes erreichen Kunden das, was Kluge als „Nukleus“ bezeichnet: das Büdchen. Das Zimmerchen fungiert eher als Ausstellungs- denn als Verkaufsraum; in erster Linie präsentiert Bastei Lübbe hier Highlights aus seiner Heftchen-Ära, rund um den obligatorischen Stehtisch. In der Kiosk-Kulisse befindet sich zudem ein altes Telefon – über das sich Kunden beim Nachbarn, dem gemütlichen Caveedel, einen Kaffee ordern können.
  • Vorbei an einem langen Büchertisch geht es dann in Raum vier: den Cotton Club. „Unser Anspruch ist es, das beste Angebot an Kriminalliteratur hier zu versammeln“, sagt Kluge. Auch zwei Hörstationen (besser: Hör-Nischen) wurden integriert.
  • Greg's Kinderzimmer (für Kinder bis 12) befindet sich eine Tür weiter. In der Mitte des Raumes befindet sich eine Art begehbarer Spielschrank, rundum – an den Wänden des Zimmers – gibt es Regale mit Büchern, Spielen und (in geringem Umfang auch) Bastelmaterial.      
  • Unterhaltung, Mode, Frauenbücher, eine Couch und eine Umkleidekabine – dafür hat Bastei Lübbe den letzten Raum reserviert. Worauf Kluge beim Kleidereinkauf besonders achtet: „Unsere Mode stammt ausschließlich von Designern, die nicht im Internet zu finden sind.“   
  • Außerdem: Kluge plant (a) „mitreißende Veranstaltungen“, will (b) auf Stapel verzichten, wurde (c) von seiner Innenarchitektin überzeugt, die Regalbeschriftungen besser auf dem Boden davor vorzunehmen - und (d) von seinen Mitarbeiterin darin bestärkt, Bücher nicht in irgendeine Tüte zu verpacken, sondern sie Kunden in einer (kostspieligeren) Tasche mit auf den Weg zu geben – einer Tasche, die Wertigkeit demonstriert (Boutique-Charakter).    
  • Kundennähe zu schaffen, soll vor allem die Aufgabe der drei Mitarbeiterinnen sein. Die Verantwortung teilen sich Simone Hehl (für das Thema Buch; siehe Interview: "Unsere Kunden sollen sich wie zu Hause fühlen") und Maja Kuß (für das Thema Nicht-Buch); Hehl kommt von Thalia, Kuß vom Moses Verlag. Unterstützt werden sie von Kirsten Williken.


Das Internet, (noch) eine Baustelle

Im Moment gibt es den Laden – aber noch keinen Webshop. Auch E-Reader werden nicht angeboten. „Darüber denken wir noch nach“, sagt Kluge. Der Webshop ist jedoch bereits fest in Planung: Er soll Anfang Oktober freigeschaltet werden; Kluge zufolge handelt es sich um einen Libri-Store, der aber optisch individualisiert wird - also nicht nach Standardlösung aussieht. Dass Bastei Lübbe ein Verlag ist, der ambitioniert sein digitales Geschäft vorantreibt, fällt erst auf den zweiten Blick auf: Über den Laden verteilt gibt es drei iPads  - über sie macht Lübbe seine digitalen Welten „begehbar“ (im Kinderzimmer, im Cotton-Club, und ganz hinten, im Raum für die Dame von Welt).

Last but not least: Ein Tipp für alle, die einen Besuch planen

Vom Kölner Hauptbahnhof bis zur Brüsseler Straße 67 sind es gut zwei Kilometer – die man idealerweise zu Fuß bewältigt: Weil sich auf diese Weise en passant die Vielfalt der Buchhandelslandschaft Kölns erschließt. Die Route führt vorbei an der Lengfeld’schen Buchhandlung, an Jokers, Zeilenreich und der Bunt Buchhandlung, vorbei an der Buchhandlung Bittner, an der Mayerschen, am Stammhaus von König und am Taschen Store.