Jutta Ludwig, Mayersche Buchhandlung Neheim
Erotisches ist salonfähig geworden: Durch den Erfolg von "Shades of Grey" konnten wir eine komplett neue Abteilung ins Leben rufen, die "Verführung pur" auf sechs Regalmetern. Das entspricht dem, was wir zum historischen Roman oder an englischsprachigen Titeln bieten. Auch früher gab es ja ähnliche Titel – bei uns etwas versteckt im Bereich "Bewusst leben" auf einem Regalmeter -, aber weniger Auswahl und vor allem viel weniger Nachfrage. Als der Hype um "Shades of Grey" auf seinem Höhepunkt war, hatten wir sogar fast ein Jahr lang draußen vor der Tür einen Thementisch, den "Ero-Tisch". Selten habe ich bisher so große Resonanz erlebt! Vor fünf Jahren hätten wir uns solch eine Aktion noch nicht getraut, heute nimmt niemand Anstoß daran. Sehr auffällig ist auch, dass "Shades of Grey" ein Publikum anzieht, das wir hier sonst eher nicht sehen. Die Leute wissen, was sie wollen, und das senkt offenbar ihre Hemmschwelle, eine Buchhandlung zu betreten.
"Zu einem neuen Coming out beim Thema Erotik/Sexualität hat "Shades of Grey" bei uns nicht geführt. Die Abverkaufszahlen sind nicht so, dass ich das Gefühl habe, eine eigene Abteilung einrichten zu müssen. Der Titel und Me too-Produkte stehen bei uns ganz normal im Alphabet. Wir haben ein eher intellektuelles Publikum, das sich, glaube ich, bei Interesse eher über andere, anonymere Kanäle bedient. Wenn Beratung nachgefragt wird, kann ich zwar zu "Shades of Grey" etwas sagen, weil ich den ersten Band quergelesen habe, aber im Zweifel fallen mir andere Titel ein, in denen das Thema spannender und sprachlich besser beschrieben wird – und wo es auch explizit zur Sache geht. Zum Beispiel "Das böse Mädchen" von Mario Vargas Llosa."
Jörg Robbert, Buchhandlung am Bebelplatz, Kassel
"Wir haben etwa zehn Nachahmer-Titel da, die sich rund um den Eyecatcher "Shades of Grey" im Bestseller-Regal platzieren. Aber allgemein ist die Nachfrage eher gering. Ich habe selbst „Shades of Grey“ angelesen und es hat mich nicht überzeugt: Meiner Ansicht nach ist es zu klischeebeladen und sämtliche Errungenschaften der Frauenbewegung bleiben auf der Strecke. Da gibt es viel Qualitätsvolleres und Interessanteres, das ich bei Nachfrage zum Thema anbieten würde."
Susanne Ludorf, Buchhandlung Seevetal
"Das Buch ist auf jeden Fall Anknüpfungspunkt für eine Menge Gespräche mit den Kunden, auch wenn es bei uns nur in geringem Maß gekauft wird. Doch es ist deutlich, dass der Erfolg des Titels dazu beigetragen hat, dass die Menschen offener über solche Dinge sprechen: Ein kleines Tabu ist weg. Überwiegend sind es jüngere Kunden, die das Thema Erotik nachfragen, und denjenigen, denen "Shades of Grey" zu einseitig war, die darüber die Nase rümpfen, kann ich andere Romane empfehlen. "Nackt schwimmen" von Carla Guelfenbein ist zum Beispiel gleichzeitig auch eine gute Geschichte. Uns hat "Shades of Grey" übrigens dazu motiviert ein erotisches Adventskalender-Buch einzukaufen: "Heiße Weihnacht" von Heyne."
Gisela Brenner, Schmitt & Hahn im Frankfurter Hauptbahnhof
"Unser Umsatz mit "Shades of Grey" war klasse, aber die Kunden wollten ganz explizit diesen Titel. Sie verlangen jetzt nicht jede Woche einen neuen Fesselungsroman oder etwas ähnliches, obwohl ja viele Verlage auf den Zug aufgesprungen sind. Natürlich hatten wir in den Zeiten der größten Nachfrage Büchertürme und Fenster mit "Shades of Grey", aber sonst reihen wir die Titel ganz normal in die "Unterhaltung" ein. Das Thema Erotik wollen wir als Bahnhofsbuchhandlung nicht in den Vordergrund rücken, um nicht in die Schmuddelecke zu kommen."
Jan Huke, Buchhandlung Quedens, Wittdün auf Amrum
"Tatsächlich haben wir dem Bereich unter der Bezeichnung "Leidenschaft" etwas mehr Platz eingeräumt. Ursprünglich fanden sich hier die "Nackenbeißer-Romane", dank "Shades of Grey" kam eine ganz neue Titelwelle hinzu. Das Buch hat sich hier in großer Stückzahl verkauft, übrigens nicht nur an Urlauber, sondern an auffallend viele Einheimische, die ganz gezielt dafür kamen und kaum Beratung suchten. Die Nachfrage nach den Nachahmer-Titeln bricht im Vergleich dazu deutlich ab. Aber mir ist es wichtig, etwas zu den Titeln und zur Sprache sagen zu können, deshalb lese ich immer wenigsten zwei bis drei Seiten."