Hintergrund

Transfergesellschaften: Ein Sprungbrett ins Ungewisse

24. März 2014
von Börsenblatt
Arndt Geiwitz macht bei Weltbild den nächsten Schritt – auf dem Weg zum Verkauf. Rund 30 Prozent der 2.200 Mitarbeiter in Augsburg müssen gehen. Ihnen wird der Wechsel in eine Transfergesellschaft angeboten. Was dahinter steckt und ob es so gelingen kann, Mitarbeiter in neue Jobs zu vermitteln.

Was ist eine Transfergesellschaft?

Arndt Geiwitz gründet eine sogenannte Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, abgekürzt BQG. Dabei handelt es sich um ein Instrument, das die Folgen von Kündigungen in Krisenunternehmen abfedern helfen soll (Stichwort: sozialverträglicher Arbeitsplatzabbau); die Hauptaufgabe einer BQG besteht darin, Mitarbeitern einen neuen Job zu vermitteln und sie fortzubilden.

Personal, das im Unternehmen nicht mehr gebraucht wird, geht mit einem Aufhebungsvertrag in der Tasche (ohne Abfindung), erhält zugleich aber einen neuen Arbeitsvertrag von der Transfergesellschaft – rutscht also nicht unmittelbar in die Arbeitslosigkeit ab. Nichtsdestotrotz sind die Mitarbeiter verpflichtet, sich arbeitssuchend zu melden.

Sind Transfergesellschaft eher die Ausnahme oder die Regel?

Transfergesellschaften zu gründen, ist bei Großpleiten und Werksschließungen / Standortschließungen mittlerweile an der Tagesordnung. Bundesweit gibt es bereits mehr als 400 Dienstleister, die den Unternehmen bei der Umsetzung helfen. Zu ihren Kunden gehörten zum Beispiel der Handyhersteller BenQ, die Automobil- und Karosseriebaufirma Karmann, der Nähmaschinenhersteller Pfaff, Opel in Bochum, der Chiphersteller Qimonda, Solar Manufacturing in Frankfurt Oder, der Energiekonzern E.ON (u.a.).

Wie viel verdienen Mitarbeiter von Transfergesellschaften?

Mitarbeiter erhalten von der Agentur für Arbeit ein Jahr lang das sogenannte Transferkurzarbeitergeld – in Höhe von 60 bis 67 Prozent des letzten Nettogehalts (entspricht dem Arbeitslosengeld I, wird aber nicht darauf angerechnet). Arbeitgeber können den Betrag weiter aufstocken, tun das auch in der Regel (auf 80-90 Prozent des bisherigen Nettolohns). Damit erklärt sich schon, warum Transfergesellschaften meist nicht länger als zwölf Monate existieren: Im zweiten Jahr müssen Unternehmen wieder allein für die Löhne aufkommen. 

Für die Verlagsgruppe Weltbild gilt, laut Verdi: 12 Monate Laufzeit, Aufstockung der Gehälter auf bis zu 90 Prozent und zusätzlich Abfindungen für jeden, der seinen Arbeitsplatz verliert (mehr dazu im Archiv).

Was haben Arbeitgeber davon?

Sie vermeiden zum Beispiel betriebsbedingte Kündigungen, müssen keine Kündigungsfristen mehr beachten, können die Kosten des Arbeitsplatzabbaus vorab kalkulieren – und es gibt eine größere Akzeptanz bei Gewerkschaften und Betriebsräten. Die Reibungsflächen, die beim Umbau, bei einer Sanierung oder Stilllegung entstehen, fallen für sie deutlich kleiner aus. 

Erreichen Transfergesellschaften ihr Ziel?

Geht es um den Erfolg von Transfergesellschaften, wird zumeist und zuallererst nach der Vermittlungsquote gefragt. Nach Recherchen von boersenblatt.net liegt diese Quote von Fall zu Fall anders - zwischen 25 und 80 Prozent. 

Verdeckte Arbeitslosigkeit, Geldverschwendung, Parkplatz für Überzählige: Manche haben solche Vokabeln schnell bei der Hand. Aber wie das große Spektrum bei der Quote schon zeigt, gehen die Erfahrungen in der Praxis weit auseinander.

Eine klare Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Transfergesellschaften lässt sich auch in Studien nicht finden. Während etwa das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) Transfergesellschaften generell für überflüssig hält – weil sie keine höheren Vermittlungserfolge als die Arbeitsagenturen erreichen würden, beobachtet die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.) durchaus positive Folgen. Unterm Strich, heißt es bei der G.I.B., erfüllten Transfergesellschaften „einen guten arbeitsmarktpolitischen Zweck“.
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Im Kontext der Schlecker-Pleite wurde 2012 über das Für und Wider von Transfergesellschaften öffentlich besonders laut gestritten – die geplante Transfergesellschaft für die Beschäftigten ging dann auch gar nicht erst an den Start (nach einem Veto der FDP). Der Insolvenzverwalter des Unternehmens, Arndt Geiwitz, bedauerte noch Monate später, dass seine Strategie derart torpediert wurde – aus Sicht der Steuerzahler sei die Gründung einer Transfergesellschaft günstiger gewesen, argumentierte er 2013 auf einer Tagung, bei der es um die Lehren aus der Schlecker-Pleite ging.