Die Sonntagsfrage

Wie mutig ist für Sie der Sprung auf den Chefsessel, Frau Riegert?

7. Dezember 2014
Redaktion Börsenblatt
Irmgard Clausen (61) ist als Inhaberin der Buchhandlung Riemann nicht nur in Coburg eine Institution. Keine leichte Aufgabe, in ihre Fußstapfen zu treten - aber ihre Mitarbeiterin Martina Riegert (46) wird ab Januar mit ihrem Mann Martin Vögele (46) die Buchhandlung übernehmen. Wie mutig ist für Sie der Sprung auf den Chefsessel, Frau Riegert?
"Als mich Irmgard Clausen gefragt hat, ob ich nicht Lust hätte, die Buchhandlung zu übernehmen, habe ich erstmal große Augen gemacht und gesagt: 'Gerne, wenn ich mal im Lotto gewonnen habe…' Aber irgendwie hat sich der Gedanke dann doch im Kopf festgesetzt. Mein Bonus ist, dass ich die Buchhandlung kenne, seit ich Schülerin bin, ich habe bei Irmgard Clausen 1987 meine Buchhändlerlehre gemacht. Nach Stationen  bei Gondrom, bei Piper und einer kleineren Buchhandlung in Oberbayern bin ich seit fünf Jahren wieder in Teilzeit zurück bei Riemann – und ja, das Arbeiten hier macht Riesenspaß.

Der zweite Pluspunkt für mich ist: Ich kenne auch die Mitarbeiterinnen hier seit fünf Jahren, das ist ein sehr eingespieltes Team, und ich kenne die Zahlen, weil ich unter anderem die Warengruppenstatistik mache. Die Buchhandlung steht sehr gut da, was auch die Banken bestätigt haben – das spricht doch sehr für Riemann.

Und drittens: Mein Mann macht mit! Ohne ihn hätte ich die Buchhandlung nicht übernommen, aber wir beide sind jetzt 46, und da stand schon die Frage im Raum: Wie sehen die nächsten 20 Jahre bis zur Rente aus? Mein Mann ist Betriebswirt, sehr buchhandelsaffin, war unter anderem Filialleiter bei Gondrom, ist aber in den letzten Jahren branchenfremd bei Mercedes tätig gewesen. Und er hatte Lust, mit mir den Laden zu stemmen. Er wird mehr administrativ tätig sein, sich um Controlling, Buchhaltung, Homepage und Facebook-Auftritte kümmern, ich werde überwiegend im Laden und das Gesicht nach außen in Coburg sein.

Ein weiterer Vorteil für mich ist: Ich kenne neben dem Laden und den Mitarbeiterinnen auch die Kunden sehr gut, und ich kenne die Stadt. Ein fremder Investor würde da ganz anders vorgehen, er hat nicht den Heimvorteil. Entsprechend froh sind auch die Mitarbeiterinnen, sie werden alle übernommen, und ich werde garantiert nicht den Laden umkrempeln – never change a running system. Was nicht heißt, dass ich hier und da neue Akzente setzen werde, wir sind hier ein bisschen frauenlastig, da könnte man mehr Veranstaltungsformate für die Jungs und die männlichen Kunden machen.

Und schließlich, das ist vielleicht das Schönste, haben meine Kinder Lilli (12) und Theo (14) total positiv reagiert, die stehen hinter der Übernahme, wollen dabei sein. Sie sind beide begeisterte Leser und kennen die Buchhandlung ja auch schon länger. Lilli hat sogar gemeint, dass sie sich durchaus vorstellen könnte, mal später den Laden zu übernehmen. Wenn das keine guten Aussichten sind ..."