Buchhandlung transfer startet digitale Verlagsauslieferung

"Wir wollen auch hier Qualitätsgarant sein"

4. März 2015
von Börsenblatt
Die Dortmunder Stadtteilbuchhandlung transfer entwickelt sich zur Verlagsbuchhandlung weiter – und schiebt dafür eine eigene E-Book-Auslieferung an den Start. Warum? Antworten von Inhaber Jochen Grieving, der sein Projekt an diesem Mittwoch in Dortmund der Presse vorstellt.

Neben dem Tagesgeschäft eine digitale Auslieferung mit hochkomplexer Technik aufbauen zu müssen – das dürfte vielen Buchhändlern Schauer über den Rücken jagen. Warum tun Sie sich das an?
Wir wollten ganz bewusst eine eigene Plattform für den digitalen Vertrieb, um das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Durch meine Arbeit als Softwareentwickler bei einer Versicherung bringe ich eine gewisse Erfahrung mit – doch das war nicht der entscheidende Punkt. Uns geht es vor allem darum, die Wünsche unserer regionalen Publikationspartner und Kunden möglichst individuell erfüllen zu können. Unser Versprechen, Qualitätsgarant zu sein, soll auch für die Verlagsbuchhandlung gelten.


Aber dafür gibt es doch Dienstleister…
Wir greifen ja auch durchaus auf eine bestehende Lösung zurück – auf die des Dienstleisters Readbox, der verschiedene Module rund ums digitale Publizieren anbietet. Aber unsere E-Books werden eben nicht über die bekannten, großen Aggregatoren ausgeliefert, sondern über ein eigenes "Data Warehouse", das in unseren Webshop integriert wurde. Von dort aus können wir die E-Books natürlich auf Wunsch auch an die großen Plattformen weiterreichen.


Welchen Part hat Readbox übernommen?
Die Herstellung unserer ersten beiden E-Books, die gerade erschienen sind.  Außerdem hat uns Readbox bei der Einbindung in unsere Infrastruktur geholfen – und Serverkapazität für die digitalen Inhalte zur Verfügung gestellt.


Ist das nicht auch finanziell ein ziemlicher Aufwand?
Klar ist: Wenn Readbox uns den Listenpreis berechnen würde, hätten wir das Projekt niemals stemmen können. Aber wir haben ja, anders als andere Readbox-Kunden, auch kein Riesenprogramm. Und Readbox-Chef Ralf Biesemeyer hat einfach Spaß an ungewöhnlichen Geschäftsstrategien. Außerdem spielt der lokale Vernetzungsgedanke eine Rolle: transfer und Readbox sind Dortmunder Unternehmen. Kooperationen in der Region sind für uns beide wichtig und wünschenswert.


Was war die größte Herausforderung?
Kompliziert war vor allem die Einbindung in unser  Webshop- und Warenwirtschaftssystem. Hier hat uns unser Dienstleister Softlevel Communications sehr geholfen. Und auch hier haben wir für Entwicklerstunden nicht den vollen Satz bezahlt. Natürlich braucht man dabei etwas Geduld: Denn wenn zahlungskräftige Kunden anklopfen, haben sie bei den Dienstleistern verständlicherweise Vorrang. Trotzdem ist es für alle eine Win-Win-Situation, weil Readbox und Softlevel das Ganze als Testballon, als Pilotprojekt betrachten.


transfer als Blaupause für andere Buchhandlungen?
Ja, das wäre durchaus vorstellbar. Bislang bieten schließlich nur wenige Großbuchhandlungen in Deutschland ihren Kunden vergleichbares an. Dabei ist das digitale Publikationsgeschäft für kleinere, unabhängige Buchhandlungen ausgesprochen interessant: Es geht um Inhalte, die wir vor Ort entdecken und erschließen. Und die es auch nur dort gibt.


Sie wollen vor allem Regionalia-Titel veröffentlichen, digital und print. Wie sind die ersten beiden E-Books zur Geschichte von Dortmund-Hörde entstanden?
Durch unsere lokale Vernetzung mit dem Arbeitskreis "Hörde damals", eine Gruppe von Bürgern, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die lokale Geschichte zu erforschen und festzuhalten. Zwei Printbücher gibt es bereits – und in einer gemeinsamen Aktion haben wir einmal Bilder und Dokumente daraus auf eine Schaufensterscheibe projiziert. Daraus wiederum wurde die Idee geboren, die Inhalte als Download zur Verfügung zu stellen. Doch davon hab ich dem  Arbeitskreis abgeraten, weil so die Kontrolle über die urheberrechtliche Verwendung verloren geht. Schließlich entstand die Idee für die ersten beiden E-Books: "Hörde – aus der Asche des Phönix. Von der Stahlstadt bis zur Seestadt" und "Verdrängt Vergessen Verschwiegen – Hörde vor und während der Zeit des Nationalsozialismus".


In welchen Formaten bieten Sie die E-Books an?
Im ePub-Format – allerdings, und das ist eine Besonderheit, nur fürs Tablet. Denn beides sind Bildbände, die sich auf Readern schwer darstellen lassen. Außerdem ist die Chance größer, dass zum Beispiel Schüler via Tablet darauf zugreifen.


Ganz preiswert sind die digitalen Titel mit 9,90 Euro und 14,90 Euro nicht…
Das stimmt, aber dafür bieten sie viele Abbildungen, viel Material. Und der Phönix-Titel hat sich schon in der Printausgabe unglaublich gut verkauft – nach den ersten drei Wochen waren  500 Exemplare weg. Das ist viel für einen Regionalia-Titel.


Nutzen Sie DRM?
Nein, wir setzen aufs digitale Wasserzeichen. DRM wirft, vom Kindle und vom Tolino mal abgesehen, in der täglichen Kundenberatung einfach viel zu viele Probleme auf.


Welche Themen haben Sie für Ihre Verlagsbuchhandlung sonst noch im Blick?
Gerade läuft die Arbeit an einer Festschrift zur 875-Jahr-Feier von Hörde. Das ist natürlich ein perfektes Thema für uns. Außerdem hat eine Studentin ihre Masterarbeit bei uns geschrieben – über "Intermedialität im Buchhandel". Auch dazu kann ich mir wunderbar ein E-Book vorstellen. Immer im Mai richten wir darüber hinaus ein Comicfestival aus – und in der Comicszene gibt es derzeit sehr interessante, digitale Experimente, aber keine Vertriebsschiene dafür. Das wäre ebenfalls ein spannendes Feld für transfer. Gleichzeitig digital und lokal unterwegs zu sein, ist für uns unabdingbar.