Gala Deutscher Hörbuchpreis

Unterhaltsame Sprechakte

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Musiker und Entertainer Götz Alsmann führte in diesem Jahr die Gäste durch die Gala zur Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises – und kam beim Publikum im Kölner Funkhaus des WDR gut an. Max Florian Kühlem war für boersenblatt.net dabei.

Wie existenziell wichtig die Moderation einer Preis-Gala ist, wird jedes Jahr bei der Oscar-Verleihung deutlich. Mit jedem neuen Gesicht bekommt sie einen ganz anderen Charakter. Bei der Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises gab es dieses Jahr eine solche Veränderung: Götz Alsmann, das Allround-Genie, folgte den Kulturjournalisten Max Moor und Katty Salié und brachte ganz neuen Schwung in die Veranstaltung im WDR Funkhaus in Köln. Das Publikum folgte ihm geradezu aufgeregt gespannt, weil die Qualität seiner Moderationen zwischen genial und bizarr schwankte.

Genial ist, wie Götz Alsmann in Sekundenschnelle von einer kalauernden Anmoderation in ein tiefgehendes Gespräch führen kann, in dem intellektuell die Funken sprühen. Der erste Preisträger lieferte ihm dafür das perfekte Gegenüber: Roger Willemsen bekam den Preis für das Beste Sachhörbuch, weil er es ein Jahr im Parlament ausgehalten hatte. Das äußerst hörenswerte Ergebnis seiner Feldforschung heißt „Das hohe Haus“ und lehrt laut Jury „auf ebenso unterhaltsame wie erschreckende Weise: Die Würde des hohen Hauses ist antastbar“. Alsmann entlockte Willemsen in rasender Geschwindigkeit Bonmots wie: „ADHS haben nicht die Schüler auf der Tribüne, sondern die Abgeordneten, die unter dem Tisch SMS schreiben oder Händchen halten.“ Oder Anekdoten wie die von der Abgeordneten der Linken, die am Pult einen Schlaganfall erlitt und von einem CDU-Kollegen durch Mund-zu-Mund-Beatmung gerettet wurde.

Als Roger Willemsen mit seinen Co-Sprechern Jens-Uwe Krause und Annette Schiedeck eine Passage aus dem Hörbuch live zum Besten gab, kristallisierte sich ein Thema heraus, das den Abend weiter beschäftigen sollte: der Sprechakt. Der Forscher nahm sehr genau unter die Lupe, wie im Bundestag gesprochen wird, und formuliert zum Beispiel zu folgende Beobachtung: „Bei Angela Merkel wird der Sprechakt nur bezeichnet, nicht durchgeführt.“ Im Ergebnis trage das zur allgemeinen Depolitisierung bei.

In äußerst berührender Weise geht es auch im Hörspiel der Gruppe Rimini Protokoll um den Akt des Sprechens. Rimini Protokoll sind das Autoren-Regie-Team Helgard Haug und Daniel Wetzel, und als solche haben sie mit rechercheintensiven, quasi dokumentarischen Performances das Theater revolutioniert. Auch ihr Hörspiel „Qualitätskontrolle oder warum ich die Räuspertaste nicht drücken werde!“, für das sie am Abend den Preis für das Beste Hörspiel entgegennahmen, basiert auf einem Stück, in dem sie das Leben von Maria-Cristina Hallwachs inventarisieren. Seit sie als Abiturientin kopfüber in einen Pool mit zu wenig Wasser sprang, ist sie vom Kinn an vollständig gelähmt. „Wenn vier Stunden niemand bei mir ist, bin ich tot“, tönt ihre Stimme nüchtern über die Lautsprecher. Ihr Sprechakt wird in gnadenloser Regelmäßig vom Ein- und Ausatmen strukturiert, für das der Zwerchfell-Stimulator sorgt. Mit ihrem Projekt wollten Rimini Protokoll „den Optimierungswahn einer Gesellschaft, die selbst die Körper ihrer Bürger bewirtschaften will“ reflektieren. Auch als Hörspiel ist das in berückender Weise gelungen.

Krankheitsbedingt absagen musste leider Fredrick Lau, der den Deutschen Hörbuchpreis als Bester Interpret erhielt. In einem kurzen Ausschnitt seiner Lese-Performance des rohen und ungeschliffenen Romans „Es bringen“ von Verena Güntner, wurde die Qualität des Schauspielers („Viktoria“) deutlich: Man hat das Gefühl, er nuschelt und leiert und lispelt auch ein wenig, aber er ist ein echter Typ und bringt durch seinen Akt des Sprechens das Lebensgefühl einer ganzen Generation auf den Punkt.

Alsmanns Interview mit Maria Koschny, die den Preis als Beste Interpretin entgegennahm, war eher in die Kategorie Realsatire einzuordnen. Wie im Loriot-Sketch, wo dem Talk-Moderator kein Astronaut, sondern ein Verwaltungsfachangestellter gegenüber sitzt, führte Alsmann das Interview in der Annahme, Koschny sei Schauspielerin. „Ich bin Synchronsprecherin“, erklärte sie ihm irgendwann. Der Moderator mit der Tolle drehte sich daraufhin filmreif zum Publikum und fragte entrüstet: „Was ist los mit diesem Land, dass so jemand nicht vor der Kamera steht??“ Das war gut überspielt, das muss man ihm lassen – und den Eindruck eines äußerst unterhaltsamen Gala-Abends konnte dieser Fauxpas eh nicht mehr trüben.

Eine Übersicht der Preisträger finden Sie hier.