Lesetipp: "Bücher. Vom Papyrus zum E-Book"

Von Höhlensymbolen zu Dateien

30. April 2015
von Börsenblatt
Wann beginnt die Geschichte des Buchs? Mit dem Letterndruck Gutenbergs? Oder mit den ersten Papyri? Uwe Jochum geht dieser Frage und dem historischen Wandel der Repräsentation von Inhalten in seinem reich bebilderten Band "Bücher. Vom Papyrus zum E-Book" (Philipp von Zabern) nach.

Uwe Jochum, der als wissenschaftlicher Bibliothekar an der Universität Konstanz arbeitet, hat sich mit den zahlreichen Inkarnationen des "Buchs" als Konzept der Inhalteordnung befasst. Die früheste Form von "Buch", die zwar noch kein Zeichensystem, aber schon symbolische Darstellungen benutzt, stellen die steinzeitlichen Höhlenmalereien und Knochengravuren dar, die vor etwa 10.000 Jahren, am Ende der Würmeiszeit aufhören.

An die Stelle des jungpaläolithischen Graphismus treten – mit der Entstehung von Ackerbau und Viehzucht – allmählich Objekte, die als Zeichenträger verwendet werden: Zählsteine, Tontafeln und Stelen. Im letzten Drittel des vierten Jahrtausends vor Christus (zwischen 3.300 und 3.100) begann man, Zeichen in Steine und Tafeln einzuritzen, die Bilder und Zählwerte repräsentierten. Daraus entwickelte sich um 2.700 das erste Schriftsystem, die Keilschrift.

Ein erster Schritt in Richtung Buch (als aus Blättern zusammengesetzter Korpus) waren die Papyri der Ägypter, Blätter und Rollen, die aus den Blättern der Papyruspflanze hergestellt und anschließend mit Tinte beschrieben wurden.

"Mit dem Kodex beginnt die Epoche des Buches, wie wir es kennen", heißt es zu Beginn des vierten Kapitels ("Das heilige Buch"). In ihm schildert Jochum die Herstellung und Beschriftung von Pergament-Kodices, die privilegierte Aufgabe der Klöster war.

Das "mechanische Buch", das nicht mehr durch Abschrift, sondern durch den Druck vervielfältigt wird, betritt spätestens mit Johannes Gutenbergs Erfindung beweglicher Lettern (die auch eine Vorgeschichte haben) die Weltbühne. Vor allem der massenhafte Druck deutschsprachiger Bibeln (Lutherbibel etc.) wird den Prozess der Reformation in Europa erheblich beschleunigen. Philosophischen und literarische Werke (wie Sebastian Brants "Narrenschiff") erlangen eine weite Verbreitung (wobei der überwiegende Teil der Bevölkerung nach wie vor illiterat war).

Auf das mechanische folgt das industrielle Buch: Die Techniken des Satzes, des Drucks, der Bindung und der Einbandverarbeitung werden immer weiter verfeinert und durch Einsatz von Druckerpressen automatisiert. Mit dem Übergang vom Bleisatz zum Computersatz beginnt auch die Digitalisierung der Buchherstellung, die in der Folge auch das "digitale Buch" (Kapitel 7) möglich machte. Ein Medium, das Jochum aus vielen Gründen ablehnt.

Auch wenn man nicht jede Einschätzung des Autors teilt: Der Band liefert einen anschaulichen und informativen Abriss über die Geschichte des Buchs, das wir meist mit dem gedruckten Kodex assoziieren.

roe

Uwe Jochum: Vom Papyrus zum E-Book. Verlag Philipp von Zabern, 160 S. mit ca. 100 Abbildungen, 39,95 Euro