Buchhändler als Autoren

Freiheiten nutzen

26. Oktober 2017
von Christiane Petersen
Es gibt Talente, die sich dem Verfassen wie auch dem Verkaufen von Büchern widmen. Wer mit schreibenden Buchhändlern spricht, stellt fest: Die Doppelrolle bietet viele Vorteile – aber es gibt Klippen, die zu umschiffen sind.

Malin Schwerdtfeger wollte schon als Kind schreiben. Mit 15 Jahren half sie in der Buchhandlung vor Ort aus, liebte den Papiergeruch beim Auspacken. "Buchhändlerin werden, das durfte ich als Bildungsbürgerkind aber nicht", erinnert sie sich. Stattdessen studierte sie Judaistik und Islamwissenschaft und erfüllte sich erst nach dem Studium ihre beiden ­Berufswünsche: Zeitgleich mit dem Schreiben begann sie als Buchhändlerin in der damals neu gegründeten Berliner Buchhandlung Hacker und Pres­ting zu arbeiten – und feiert nun nach 20 Jahren somit ein doppeltes Jubiläum. Als Buchhändlerin könne sie mit Büchern arbeiten, der Beruf gebe ihr eine finanzielle Sicherheit – und sie habe dadurch genügend Freiräume zum Schreiben: "Ich bin ja keine Herzchirurgin, das lässt sich wunderbar kombinieren."

Eine Herausforderung sieht sie in der guten Kenntnis der Branche: "Man weiß, welche Bücher Erfolg haben, und ist versucht, unbewusst nach dem Erfolgsrezept zu suchen. Das muss man ausblenden – sonst verliert man als Autorin die Unschuld." Das Ausblenden der Bestseller scheint bisher gut zu gelingen, auch ohne Erfolgsrezept veröffentlichte Schwerdtfeger mit großem Zuspruch den Erzählband "Leichte Mädchen" und die beiden Romane "Café Saratoga" und "Delphi" (alle bei Kiepenheuer & Witsch, der letzt­genannte Roman auch bei edition fünf).

"Beides ist Beziehungsarbeit: das Bücherverkaufen und das Bücherschreiben", erklärt Pia Ziefle. Die Autorin sitzt derzeit, nach dem Erscheinen von "Suna" (Ullstein) und "Länger als sonst ist nicht für ­immer" (Arche), an ihrem dritten Roman. Neben dem Schreiben arbeitet sie bei Bücher Schramm in Mössingen; als Buchhändlerin habe sie eine viel größere finanzielle Sicherheit. "Und mich interessieren auch die Zahlen, der wirtschaftliche Aspekt der Branche", meint Ziefle. "Außerdem fallen mir beim ­Bücherauspacken und beim Kartons­stapeln wunderbare Szenen ein – die Arbeiten befruchten sich also gegenseitig."

Manchmal komme sie ins Grübeln, wenn sie zwischen den vielen Büchern im Laden steht. Dann fragt sie sich: "Braucht es wirklich noch ein Buch?" Ihre Antwort ist immer dieselbe: "Es braucht neue Geschichten, weil die Umstände und Voraussetzungen sich ändern, auch wenn die Grundthemen dieselben sein mögen." Ihr eigenes Buch im Laden zu empfehlen, fiel ihr insbesondere am Anfang schwer: "Ich habe es vermieden, in der Nähe des Buchstabens Z zu stehen", erzählt sie lachend. Wenn ihr Buch theoretisch infrage gekommen wäre, seien dann häufiger die Kollegen eingesprungen.

Bei Petra Hartlieb ist die Arbeit als Autorin untrennbar verknüpft mit der Arbeit in der Buchhandlung, insbesondere durch den Bestseller "Meine wundervolle Buchhandlung" (DuMont), der sich 60.000-mal verkauft hat und in acht Sprachen übersetzt wurde. Das Buch erzählt Hartliebs eigene Geschichte: Gemeinsam mit ihrem Mann entschied sie sich vor 14 Jahren, eine Traditionsbuchhandlung in Wien zu übernehmen. Heute ist die ehemalige Journalistin gemeinsam mit Claus-­Ulrich Bielefeld das Autorenduo einer Krimiserie um das streitbare Ermittlerpaar Thomas Bernhardt und Anna Habel, hat mehrere Bestseller geschrieben, und ihre Buchhandlung wurde in diesem Jahr mit dem Österreichischen Buchhandlungspreis ausgezeichnet.

Ganz schön viel Programm in den ­wenigen Jahren! Hartlieb lacht. Ja, aber all das habe sich gelohnt, sie sei glücklich mit diesem Leben. Häufig würden Kunden von weither anreisen, um die Autorin in Hartliebs Büchern zu er­leben. Dann seien die Leser erstaunt, sie tatsächlich dort beim Geschenkeeinpacken anzutreffen: "Das ist manchmal ein bisschen anstrengend, weil ich ja nicht nur plaudern kann, sondern arbeiten muss. Aber es gehört dazu", sagt Hartlieb. Anders als in den Anfangsjahren der Buchhandlung leistet sie es sich heute, nur zweieinhalb Tage in der Woche im Laden zu sein, den Rest der Zeit widmet sie sich dem Schreiben. Ihre Buchhandlung sei in ihren Büchern eine Art roter Faden. "Es muss nicht zwangs­läufig um die Buchhandlung gehen, aber eine kleine Nebenrolle hat sie eigentlich immer", meint Hartlieb.

Kerstin Merkel stutzt bei der Frage, ob sie eher Autorin oder eher Buchhändlerin sei. "Ich bin Mutter – und alles andere bin ich dann irgendwie auch noch", antwortet sie. Merkel arbeitet seit 20 Jahren in der Kinderbuchabteilung der Frankfurter Hugendubel-Filiale am Steinweg, Geschichten hat sie schon immer ­erzählt. "Meistens habe ich sie mir in Etappen vorm Schlafengehen ausgedacht." Irgendwann begann sie zu schreiben – und ein Jahr später war ihr Fantasy-Debüt "Inzani. Die Macht des Bandes" (C. W. Niemeyer Verlag) fertig.

Sie sei unglaublich stolz gewesen, das eigene Buch in der Buchhandlung zu ­sehen. "Die Kollegen haben im Erdgeschoss das Buch dort präsentiert, wo sonst nur Topseller stehen – als ich reinkam, dachte ich, ich falle tot um", erinnert sie sich. Ob ihr die langjährige Kenntnis der Branche beim Schreiben geholfen habe? "Nein. Ich war zum Beispiel am Ende überrascht, wer alles mein Buch lesen wollte. Und dass es insbesondere auch ältere Leser sind, die sich dafür interessieren."

Frei sein, mit Büchern zu arbeiten, Literatur vermitteln, selbst schreiben – all das stand auf Ernst Heimes Wunschzettel, als er sich 1983 entschied, gemeinsam mit Dorothee Mendner die Buchhandlung Heimes in Koblenz zu gründen. Ob seine Wünsche in Erfüllung gegangen seien? "Ja!", antwortet Heimes schnell, "besser hätte es kaum sein können." Zwar bereite die eigene Buchhandlung viel Arbeit, gebe ihm dafür aber auch ­finanzielle Unabhängigkeit. Als Autor könne er so frei von Druck schreiben und habe dann auch noch die besten Möglichkeiten, die eigene Literatur ins Gespräch zu bringen. "Man kennt mich hier in Koblenz nicht nur als Buchhändler, sondern auch als Autor", erklärt er.

Natürlich müsse er dabei Fingerspitzengefühl an den Tag legen. "Aber jeder Bäcker macht Reklame für die eigenen Brötchen. Und ich werde die Bücher, die aus meiner Feder stammen, ganz sicher nicht verschweigen", meint Heimes. Als Buchhändler müsse er wirtschaftlich denken. Und wenn er das erfolgreich tue, so Heimes, habe er als Autor umso mehr Freiheiten. "Ich denke beim Schreiben nicht an die Verkäuflichkeit meines Buchs. Und ich bin sehr dankbar, dass ich dieser Abhängigkeit durch meine eigene Buchhandlung entkommen bin."