Die Sonntagsfrage

"Wie überleben Buchhandlungen in widrigen Zeiten, Frau Klein?"

10. November 2017
von Börsenblatt
Die Prognosen für den Buchhandel sehen nicht rosig aus, doch seit einiger Zeit wächst etwas: Sehnsucht nach den Orten, die Helmut Schmidt vor gefühlt 100 Jahren einmal als „geistige Tankstellen der Nation“ bezeichnet hat. Wie Buchhändlerinnen diese Sehnsucht für sich nutzen können, erklärt die Kommunikationsberaterin Deborah Klein.

Buchhandlungen sind mehr als ein Ort des Einkaufs, sie erfüllen einen gesellschaftlichen, gar sozialen Stellenwert, den keine Online-Plattform oder Konzernriese erfüllen kann. Die meisten Buchhandlungen in Deutschland müssen sich aktuell der Bedrängnis von Online-Versand und großen Ketten stellen. Doch wer Bücher liebt, lässt sich etwas einfallen: Für die Geschichten, die Kunden, den Auftrag. Wie zum Beispiel die „Woche unabhängiger Buchhandlungen“. Die Aktion war wichtig und wertvoll gleichermaßen, denn sie bot der Heimat von Büchern eine Bühne, die öffentlich wahrgenommen wurde. Und genau das ist die Devise, die wirkt, um sich den Entwicklungen in digitalen Zeiten selbstbewusst entgegenzustellen. Persönlichkeit statt eines Klicks zum Kauf, gepflegtes Sortiment statt digitalem Nirwana.


Wenn das Du fehlt

Dieses Buch habe ich neulich auf Amazon entdeckt und es dann bewusst in meinem Buchladen ums Eck gekauft" - das hörte man so oder so ähnlich häufig im Oktober auf der Buchmesse in Frankfurt. Solche Aussagen machen nicht nur Hoffnung, sie sind ein Zeichen der Besinnung, dass nicht alles online oder im Großhandel zu erhalten ist. Denn in Zeiten der digitalen Anonymität sehnen sich Menschen wieder nach direktem Austausch. Für Buchhändler bedeutet das, den Auftrag anzunehmen und mit den neuen Möglichkeiten sinnvoll zu verknüpfen. Es erfordert mutige Ideen und neue Geschäftsmodelle innerhalb der Buchhandlungen, die eine Zukunft sichern können.

Anders sein, kreativ denken und Position zeigen

Für Buchhändler von heute und morgen geht es vor allem darum, sinnvolle Kombinationen der analogen und digitalen Welt zu schaffen, so dass sich die Käuferschaft erreichen lässt. So ist es unerlässlich, seine Buchhandlung mit seinem Programm und Sortiment auch online vorzustellen. Dabei reicht es nicht, das Team mit Bild und Text zu präsentieren und eine Anfahrtsbeschreibung zu bieten. Hier braucht es Einblicke in die tägliche Arbeit. Welches Buch krönt den „Titel der Woche“, welche Autorenlesungen stehen an und welche Bücher stehen gar signiert im Regal, wartend auf neue Kundschaft? Kreativ zu sein und sich zu zeigen, lautet der Appell.

Die Verknüpfung funktioniert auch umgekehrt. Ein Autor liest in der eigenen Buchhandlung? Hier stehen ideale Möglichkeiten dank der sozialen Medien bereit, die einen Live-Charakter für all diejenigen schaffen, die nicht vor Ort sind. Autorenlesungen, Büchervorstellungen können via Video aufgenommen oder auch live im Internet übertragen werden. Ob Instagram, YouTube oder die eigene Homepage, Buchhandlungen von heute sollten sich nicht der digitalen Welt verschließen, sondern sie als modernen Auftrag begreifen. Denn auch wenn das Buch ein altes Kulturgut bleiben wird, verlangt es nach neuen Formen der Präsentation. Demnach stehen wir nicht in widrigen Zeiten, sondern in Zeiten des ewigen Wandels, wie es auch in der Literatur selbst stets der Fall ist.

Deborah Klein ist freie PR-Beraterin mit Sitz in Hamburg. Viele Jahre war sie als Pressesprecherin im Verlags- und Selfpublishing-Bereich tätig. Sie berät vor allem Autoren, Verlage und Literaturagenturen im Bereich der Kommunikation.