Interview zum Brockhaus-Verkauf

»Wir ziehen uns komplett aus dem Geschäftsfeld lexikalisches Nachschlagen zurück«

17. Dezember 2008
von Börsenblatt
Sensation kurz vor den Feiertagen: B. I. verkauft die Marke Brockhaus mit sämtlichen Inhalten (auch mit dem Content von Meyers online) an Wissenmedia (inmediaOne, Arvato, Bertelsmann). Boersenblatt.net sprach mit B.I.-Vorstandssprecher Ulrich Granseyer über die Gründe für den Verkauf.
Das ist ein Schock, der zunächst verarbeitet werden muss: B. I. verkauft die Traditionsmarke Brockhaus an Wissenmedia. Wie geht es nun weiter? Granseyer: Die Brockhaus-Produkte wird es natürlich weiterhin geben. Und wir konzentrieren uns künftig stark auf Duden und den Kalenderverlag. Wir sind wegen des Verkaufs nicht plötzlich eine kleine Nummer in der Branche. Seit Frühjahr haben Sie mit inmediaOne Gespräche über Brockhaus geführt. Was hat den Ausschlag für den Verkauf der Brockhaus-Markenrechte und -Produkte gegeben? Granseyer: Als Brockhaus online starten sollte, haben wir unsere Gespräche mit inmediaOne intensiviert und die Möglichkeiten, die Brockhaus im Printgeschäft und im Direktvertrieb hat, genauer analysiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich inmediaOne sehr viel mehr Synergien im redaktionellen Bereich und mehr Vermarktungsmöglichkeiten über die drei verschiedenen Direktvertriebsschienen hat. Das hat sich so weiterentwickelt, dass das strategische Interesse an einer Komplettübernahme von Brockhaus immer deutlicher wurde. Wir haben uns da gefragt: Was spricht dagegen? Zudem der wirtschaftliche Druck auf unserer Seite – wegen der schlechten Ergebnisse des vergangenen Jahres – uns dazu bewogen hat, in Verkaufsgespräche einzutreten. Und die haben wir gestern abend beendet. Die schlechten Zahlen im Lexikongeschäft und die Verschiebung von Brockhaus online trugen in der Öffentlichkeit zum Eindruck bei, dass Brockhaus in Schwierigkeiten ist … Granseyer: Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir mit dem Abverkauf der Brockhaus Enzyklopädie ganz zufrieden sind, aber wir bei weitem auch nicht mehr das Niveau der vergangenen Jahre und Vorauflagen erreicht haben. In die Online-Plattform haben wir sehr viel investiert, aber dann gemerkt, dass das Online-Geschäftsmodell für eine größere redaktionelle Einheit, die Inhalte recherchiert, nicht tragfähig ist. Sie verkaufen die Rechte und alle Produkte der Marke Brockhaus. Bleibt die Marke Meyers bei Ihnen? Granseyer: Die Marke Meyers bleibt bei uns, allerdings haben wir den Entschluss gefasst, uns komplett aus dem Geschäftsfeld lexikalisches Nachschlagen zurückzuziehen. Das betrifft auch Meyers Lexika. Wir werden Meyers sehr stark, was auch jetzt schon der Fall ist, im Kinder- und Jugendbuchbereich sowie im Atlanten- und Länderlexikon-Programm weiter ausbauen. Im Bereich der allgemeinen Lexika werden wir die Marke Meyers nicht mehr verwenden. Meyers online wird also ebenfalls eingestellt? Granseyer: Die Inhalte von Meyers online korrespondieren mit den Brockhaus-Inhalten. Der komplette Content von Meyers Lexikon online ist Teil des Brockhaus-Deals. Die Entscheidung für den Verkauf hat strategische Bedeutung. Kam das Signal von oben – der Langenscheidt Gruppe und dem Aufsichtsrat? Granseyer: Die Entscheidung ist nicht von ganz oben gekommen, sondern auf Unternehmensebene gefallen. Die intensiven Gespräche mit inmediaOne (Arvato) haben den Boden dafür bereitet. Dass eine solche Weichenstellung im Unternehmern mit den Anteilseignern, den Aktionären und dem Großaktionär Langenscheidt abgestimmt werden muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Das macht ein Vorstand nicht allein. Die Verhandlungsführung ist gemeinsam mit Langenscheidt unternommen worden. Sie kehren zum Zustand des Unternehmens vor der Übernahme von F. A. Brockhaus zurück. Heißt Ihr Verlag künftig nur noch Bibliographisches Institut? Wird F. A. Brockhaus aus dem Handelsregister getilgt? Granseyer: Das wird so sein, aber noch eine Weile dauern: Das muss auf der nächsten Hauptversammlung beschlossen werden. Erst dann wird es die Umfirmierung geben. Das Kartellamt muss den Deal noch genehmigen … Granseyer: Der Verkauf steht noch unter Vorbehalt. Wir rechnen damit, dass die Prüfung bis Januar / Februar abgeschlossen sein wird. Sehen Sie da nicht ein Risiko? Denn mit Bertelsmann gäbe es dann auf Verlagsseite nur noch einen dominierenden Lexikonanbieter. Granseyer: Es gibt ja Wikipedia, es gibt ja Google und viele mehr, die ihre Inhalte kostenlos anbieten. Alles Weitere wird das Kartellamt prüfen. Die Online-Redaktion in Leipzig wird komplett aufgelöst. Was geschieht mit den 60 Mitarbeitern – was geschieht mit der Redaktionsleiterin Sigrun Albert, und was geschieht auf Management-Ebene mit Marion Winkenbach? Es wird ja ein Vorstandsposten überflüssig … Granseyer: Im Moment gibt es keine Maßnahmen für das Management, und für die künftige Vorstandsbesetzung müssen Sie den Aufsichtsrat fragen. In Leipzig müssen 48 festangestellte Mitarbeiter und zwölf Mitarbeiter mit Zeitverträgen gehen oder schließen Altersteilzeit-Verträge ab.