Konditionenstreit mit Amazon auch in Deutschland

Nach Hachette: Bonnier in der Konditionen-Mangel

16. Mai 2014
von Börsenblatt
Die verzögerte Auslieferung von Backlist-Titeln der Hachette-Gruppe sorgte in den vergangenen Tagen in der Presse für Wirbel, auch der Verband der amerikanischen Agenten schaltete sich in den Streit um E-Book-Rabatte ein und kritisierte Amazons erpresserische Methoden. Wie Andreas Platthaus heute in der „FAZ“ (S. 10) berichtet, teilen auch die Bonnier-Verlage in Deutschland das Schicksal Hachettes. UPDATE Agent Peter Fritz erklärt Amazons neue Daumenschrauben. 

Amazon liefert laut Medienberichten derzeit die Backlist-Titel der Hachette-Verlage nur verzögert aus, obwohl die Bücher lieferbar wären (Bericht in der "New York Times"). Dieses Schicksal teilen offenbar auch die deutschen Verlage der Bonnier-Gruppe: Der Onlinehändler nehme willentlich eigenen Verlust in Kauf, um im Feilschen um Rabatte auf E-Books deutlich bessere Konditionen zu erzielen. Statt bisher 30 Prozent, so Platthaus in der „FAZ", fordere Amazon künftig 40 bis zu 50 Prozent Rabatt auf E-Books der schwedischen Verlagsgruppe, die jüngst ihre Buchprogramme zentralisiert hat. Zur Bonnier-Gruppe in Deutschland zählen u.a. Carlsen, arsEdition, Aladin, Hörbuch Hamburg, Ullstein, Thienemann-Esslinger und Piper.

Amazon habe gegenüber dem Ullstein Verlag zugegeben, dass die längeren Lieferzeiten in Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Konditionen beim E-Book stehen sollen, berichtet die „FAZ". Dies teilte Ullstein-Verlegerin Siv Bublitz der Zeitung mit.

Der Agent Matthias Landwehr mutmaßt in der „FAZ", dass hinter dem Streit eine Strategie stehe, das „E-Book-Geschäft der Buchverlage zu zerstören" und es allein zu betreiben – in Absprache mit den Autoren. So wolle Amazon mit hohen Rabattforderungen Autoren abwerben, in dem der Onlinehändler im Vergleich mit den Verlagen höhere Tantiemen anbieten könne. Amazon würde demnach durch die eigenen Rabattforderungen die Verlage für Autoren unattraktiv machen, in dem es deren Budget für Autorenhonorare einschmelze. „Die Verlage haben nicht nur vor Amazon Angst, sondern auch den Autoren", analysiert Platthaus.

Lesetipp: „Vorwärts in die totalitäre E-Welt" von Andreas Platthaus, „Frankfurter Allgemeine Zeitung" / Feuilleton, Ausgabe von 16. Mai, S. 10

UPDATE Literaturagent Peter Fritz
(Paul & Peter Fritz AG, Zürich) 

„Amazon presst die Verlage aus bis zum Letzten“ 

Verlage halten sich nach den Enthüllungen der „FAZ“ um E-Book-Rabatte bei Amazon bedeckt – niemand wagt sich aus der Deckung, Amazon verpflichtet sie bekanntermaßen zum Schweigen. Peter Fritz redet dennoch Klartext. Normalerweise vertritt er Autoren gegenüber Verlagen, jetzt ergreift er Partei für sie: „Ich flehe Bonnier an, hart zu bleiben.“   

Nach Einschätzung von Fritz, der den Bericht der „FAZ“ weitgehend bestätigt, will Amazon an Bonnier Deutschland ein Exempel statuieren – so wie an Hachette in den USA. Der Druck, den der Konzern derzeit aufbaue, betreffe die Verlagsgruppe in besonderer Weise – andere sieht er vorerst weitgehend aus der Schusslinie. Fritz: „Erst einen, dann die anderen: Das ist eine typische Vorgehensweise amerikanischer Unternehmen“, so Fritz. „Gegen Amazon sind alle kleine Fische.“   

Fritz ist überzeugt, dass Amazon seine Macht im wachsenden E-Book-Markt unumwunden ausnutze – das aber nicht etwa, wie sein Kollege Matthias Landwehr in der „FAZ“ mutmaßte, um Verlage das Geschäft mit E-Books zu verleiden und mit Autoren direkt ins Geschäft zu kommen. Sondern: um den Kuchen zwischen Verlagen und Amazon neu aufzuteilen.

Die neue Rendite-Formel: 50/50

Bisher war es in der Regel so, dass Amazon die Einnahmen im Verhältnis 70/30 aufgeteilt hat – 70 Prozent bekamen die Verlage, 30 Prozent wurde als „Gebühr“ einbehalten (Apple z.B. hält es bekanntermaßen ähnlich). Das ist dem Konzern offenbar nicht mehr genug. E-Books sollen, so sieht es auch Fritz, künftig genauso rabattiert werden wie gedruckte Bücher – nach der Formel fifty-fifty. „Amazon presst die Verlage aus bis zum Letzten.“

Warum Amazon derart hart mit seinen Lieferanten umgeht, ist aus Sicht von Fritz vor allem der Tatsache geschuldet, dass der Konzern immer noch – trotz aller Umsatzrekorde – Verlust macht. Die Anleger würden zusehends ungeduldiger, meint Fritz. „Jetzt muss Amazon Rendite erwirtschaften.“ Für seine These spricht immerhin eines: Die Amazon-Aktie trudelt unschön dahin - seit rund zwei Monaten zeigt die Kursnadel beständig nach unten.