Litauen auf der Leipziger Buchmesse 2017

Einzahl, Zweizahl, Mehrzahl

24. November 2016
von Börsenblatt
Litauen ist das nächste Schwerpunktland der Leipziger Buchmesse. Eine Vorschau in Berlin machte Lust auf eine Reihe von Neuübersetzungen aus einer der poetischsten und nuancenreichsten Sprachen.

"Fortsetzung folgt" – ist Litauens Auftritt auf der kommenden Leipziger Buchmesse (23. bis 26. März) überschrieben. Das ist eine schöne und ziemlich selbstbewusste Zukunftsprojektion. Aber wer, wenn nicht das kleine baltische Land mit seiner wechselhaften Geschichte sollte sich zu einem solchen Motto bekennen. Denn Litauen hat eine Menge Erfahrung mit Fortsetzungen. Der Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2002 fand unter dem gleichen Slogan statt. 1997 hatte sich das nach der Unabhängigkeit kulturell enorm engagierte Land bereits zusammen mit Lettland und Estland in Leipzig präsentiert.

Bei einer Pressekonferenz in der Litauischen Botschaft in Berlin machten die Organisatoren heute charmant Werbung für die nächste Folge. Zu erfahren war vom Botschafter selbst, dass Litauen der geografische Mittelpunkt Europas ist. Selbst wäre man darauf nicht gekommen, aber es ist von unabhängigen Fachleuten präzise vermessen worden. Wie wichtig das Land als kultureller Mittler zwischen Russland und dem westlichen Europa ist, erklärte die Übersetzerin Claudia Sinnig: "Für Russland ist Vilnius (die Hauptstadt also) das Fenster zum Westen."

Mehr als 25 Bücher werden zur Leipziger Buchmesse aus dem Litauischen übersetzt (2002 waren es gerade einmal halb so viele), darunter die beiden modernen Klassiker der litauischen Literatur: Antanas Škėmas: "Das weiße Leintuch" (übersetzt von Claudia Sinnig, Guggolz Verlag) und Jurgis Kunčinas’: "Tula" (übersetzt von Markus Roduner, Corso Verlag). Allein der Corso Verlag bringt fünf Titel aus dem Litauischen (das entspricht dem gesamten Frühjahrsprogramm des Verlags); der renommierte Suhrkamp Verlag publiziert zwei Titel. Das Ziel des neuen Länderschwerpunktes sei es, die litauische Literatur in Deutschland sichtbarer und die einzelnen Autoren bekannter zu machen, sagte der Direktor der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille. Außerdem gehe es darum, die deutsch-litauischen Verlagsbeziehungen auszubauen.

Rund 300 Buchverlage gibt es in Litauen, 2015 erschienen 3.400 neue Titel. Zur regelmäßig im Februar in Vilnius abgehaltenen Buchmesse kamen zuletzt während der vier Messetage 70.000 Besucher. Das sind bemerkenswerte Zahlen für ein Land mit nur drei Millionen Einwohnern. In Litauen werde schlichtweg viel gelesen, sagte Aušrinė Žilinskienė. Die Direktorin des Lithuanian Culture Institute kündigte für die Leipziger Buchmesse 50 Veranstaltungen an, neben der  Literatur sollen Musik, Fotografie und visual arts präsentiert werden.

Žilinskienė führte in Berlin schon einmal den außergewöhnlichen Nuancenreichtum der litauischen Sprache vor – ihr reichte dazu ein einziger Buchstabe: das litauische "ė" – mit einer für deutsche Ohren unglaublichen Vielzahl an lautlichen Entsprechungen. Von der Übersetzerin Claudia Sinnig war darüber hinaus zu lernen, dass es im Litauischen nicht nur Singular und Plural gibt, sondern: Einzahl, Zweizahl und Mehrzahl. Wer wollte da infrage stellen, dass das Litauische durch seinen "sanften, unglaublich nuancierten Klang und eine archaische Formenvielfalt" eine der poetischsten Sprachen ist.