Meinung

Zwei trauen sich

26. Oktober 2007
von Börsenblatt
Eine reizvollere, apartere Kombination als die zwischen Klett-Cotta und dem Tropen Verlag lässt sich schwer finden.
Stuttgart und Berlin – einen größeren Kontrast zwischen zwei deutschen Städten kann man sich kaum vorstellen. Hier die gediegene, manchmal ein wenig biedere und provinzielle, auf jeden Fall grundsolide und beständige schwäbische Musterlandhauptstadt. Dort die hippe, urbane, quirlige, temporeiche Metropole, die sich am liebsten mit London oder New York vergleicht. In Stuttgart ist Klett-Cotta, in Berlin der Tropen Verlag zu Hause – zumindest noch ein paar Tage. Klett-Cotta das ist Brigitte Kronauer, Ernst Jünger, Gottfried Benn. Ein Verlag mit einer tollen Backlist und einer durch den klangvollen Namen Cotta reklamierten Tradition. Ein Verlag aber auch, der in den letzen Jahren – mit Ausnahme des starken Fantasysegments - kaum mit Neuem und Erfolgreichem glänzen konnte und mehr und mehr den Anschluss an die gegenwärtige Literaturszene verloren hat. Tropen das ist einer der älteren jungen Independents, 1996 in Köln gegründet, später nach Berlin umgezogen. Tropen, das ist die Reihe Trojanische Pferde mit dem amerikanischen Star Jonathan Lethem, das sind Szenebücher über Snowboarding oder Hacker. Mehr up to date geht eigentlich nicht. Klett-Cotta und Tropen – das sind zwei Mentalitäten, zwei Erfahrungswelten und zwei Kulturen, wie sie fremder und entfernter kaum sein könnten. Was passiert, wenn sich zwei miteinander vermählen, ist kaum je genau vorherzusehen. Doch so gespannt wie in diesem Fall durfte man selten sein. Eine reizvollere, apartere Kombination lässt sich schwer finden. Dass sich die zwei trauen, ist ein großer Coup und eine kleine Sensation. Allein schon der Mut beider Partner verdient Applaus. Wer hätte dem eher zur Zurückhaltung und Vorsicht neigenden Hause Klett einen solchen Zug zugetraut? Und wer hätte darauf gewettet, dass die Berliner Tropenverleger mit ihren trojanischen Pferden nun ausgerechnet Stuttgart erobern wollen? Wer mehr riskiert, die Alt- oder die Neu-Stuttgarter, auch das wird sich indes erst noch erweisen.