Pressekonferenz zur Eröffnung der 69. Frankfurter Buchmesse

Die Stunde der Buchbranche

10. Oktober 2017
von Börsenblatt
Heinrich Riethmüller, der Vorsteher des Börsenvereins, hat bei der Eröffnungs-Pressekonferenz zur Frankfurter Buchmesse die herausragende Rolle der Buchbranche in einer Zeit wachsender Spannungen und gesellschaftlicher Polarisierung unterstrichen.

Gemeinsam mit Heinrich Riethmüller traten Buchmesse-Direktor Juergen Boos und Markus Dohle, CEO der Verlagsgruppe Penguin Random House, vor die internationale Presse.

"Das ist die Stunde der Buchbranche" sagte Riethmüller mit Verweis auf ein gesellschaftliches Klima, in dem die Alternative für Deutschland als drittstärkste Kraft in den Bundestag einzieht, in dem die Gräben in der Gesellschaft größer geworden seien, in dem die Flüchtlingsproblematik die Bevölkerung spaltet. "In unruhigen Zeiten", so Riethmüller, "fördern Verlage und Buchhandlungen Dialog, verlässliche Information und Meinungsbildung. Sie stoßen gesellschaftliche Debatten an und stehen für Pluralität und den Austausch von Meinungen".

Mit Blick auf die Branche wandte sich Riethmüller gegen jede Art von Untergangsstimmung: Trotz erheblicher Medienkonkurrenz sei der Umsatz der Buchbranche stabil. Wie im übrigen Einzelhandel leide zwar auch der stationäre Buchhandel unter der rückläufigen Kundenfrequenz in den Innenstädten – dafür verkauften inzwischen zwei Drittel aller Buchhandlungen Bücher auch online. Stolz zeigte sich Riethmüller angesichts des Innovationsgeistes der Branche, der an vielen Stellen zu spüren sei.

An die neue Bundesregierung richtete er die deutliche Aufforderung: "Verbessern Sie die Rahmenbedingungen für eine unabhängige, lebendige und vielfältige Verlagslandschaft." Nur wenn Verlage für ihre Leistungen marktgerecht vergütet würden und Planungssicherheit hätten, könnten sie in innovative Systeme investieren.

Der Börsenvereinsvorsteher schloss seine Rede mit einem Appell für die Meinungsfreiheit: "Auch wir müssen uns dafür einsetzen, dass eine offene Diskussions- und Debattenkultur erhalten bleibt. Lassen Sie uns wieder mehr diskutieren: über unterschiedliche Meinungen, über kontroverse Bücher und Autoren. Die Buchmesse ist der ideale Ort dafür."

Die Messe – auch ein Ort für erbitterte Diskussionen

Buchmesse-Direktor Juergen Boos sprach sich in seiner Rede für eine "sachlichere Diskussion und mehr Detailtiefe" aus. Zugleich forderte er mehr Leidenschaft und mehr Engagement. Die in der Presse aufgeworfene Frage, ob das Buch am Ende sei, beantwortete Boos entschieden: "Mitnichten." Was sich geändert habe, sei die Zahl der Ausgabeformen, in der Buchinhalte verbreitet würden, als Hörbuch, als E-Book, über Streaming-Plattformen. Geistiges Eigentum sei für die Kreativbranchen wichtiger denn je: "Die Idee im Kopf eines Menschen ist zur heißen Ware geworden."

In der Frage, wie man mit populistischen Narrativen umgeht, für die die Abwertung anderer Menschen konstitutiv ist, plädierte Boos dafür, keine Grenzlinien festzulegen. Man müsse die giftigen Botschaften mit besseren Argumenten beantworten. Die Messe sei auch ein "Ort für erbitterte Diskussionen".

Rückenwind für die Verlage

Eine große Portion Optimismus brachte Markus Dohle, CEO von Penguin Random House, mit nach Frankfurt. Und er begründete diesen fünffach:

• Die internationalen Buchmärkte seien in den vergangenen 15 Jahren auch dank der digitalen Transformation gewachsen.

• Es gebe stabile Geschäftsmodelle für gedruckte und digitale Bücher.

• Man könne eine "Renaissance des gedruckten Buchs" beobachten. Dies habe eine den stationären Buchhandel unmittelbar stabilisierende Wirkung. Weltweit habe sich das Verhältnis von Print zu digital auf das Verhältnis 80 zu 20 Prozent eingependelt.

• Das Bevölkerungswachstum und der demographische Wandel weltweit bescherten der Buchbranche Rückenwind.

• Kinder- und Jugendbücher seien das am schnellsten wachsende Marktsegment seit 10 Jahren. "Die meisten globalen Megaseller waren Jugendbücher."

Ein wenig Wasser wollte er aber doch in den Wein gießen: Nicht der Formatwechsel, sondern der komplette Umbau der Kundenbeziehungen im Online-Zeitalter sei die fundamentale Herausforderung in der digitalen Transformation: Aus dem klassischen B-to-B-Verhältnis (Verlag / Buchhandel) würde zunehmend ein B-to-C-Verhältnis (Verlag / Endkunde). Die Verbreitung und Sichtbarmachung von Inhalten, so Dohle sei wichtiger denn je. Die Bereitschaft, in neue Inhalte zu investieren, offenbar auch: "Penguin Random House investiert jährlich 750 Millionen Dollar in neue Geschichten."

Im Anschluss an die Pressekonferenz lud Gastland-Koordinator Paul de Sinety die Pressevertreter zu einem Rundgang durch den Pavillon von "Francfort en français – Frankfurt auf Französisch". Mehr dazu heute Abend auf boersenblatt.net.