Root Leeb über die Vor- und Nachteile des Selfpublishing

Enttäuschungen

6. Dezember 2016
von Börsenblatt
Selfpublishing gehört zu den großen Trends im Buchgeschäft. Für Autorinnen und Autoren verspricht es eine Reihe von Vorteilen. Nicht alle führen direkt ins Schriftstellerglück – meint die Autorin Root Leeb.

Ja, es gibt Probleme und Enttäuschungen in der analogen Welt: Publikumsverlage lehnen Skripte nach langer Wartezeit ab. Prominente Autorinnen und Autoren werden bevorzugt. Die Pressearbeit, gerade in kleineren Verlagen, beschränkt sich oft auf marginale Blätter. Buchhandlungen setzen sich zu wenig für unbekannte Autorinnen und Autoren ein. Die Marginalisierung von Literatur in den Medien nimmt zu. Dazu kommt die geringe Haltbarkeit der Bücher: Ein Titel muss sich häufig in nur einem halben Jahr durchsetzen, bevor Neuerscheinungen ihn verdrängen.

Das alles könnte für Selfpublishing bei Onlineverlagen ­sprechen. Amazon, Smashwords, Epubli, BoD, Neobooks, Book­rix (um nur einige zu nennen) veröffentlichen kostenlos oder mit geringer Pauschalzahlung im E-Book-Format. Die Vorteile dabei: Jeder Text, egal welches Thema oder Genre, wird veröffentlicht, wenn die formalen Spielregeln eingehalten werden. Absagen und Abgabetermine sind passé. Autorinnen und Autoren verbuchen beim Verkauf im Netz einen sehr viel höheren Prozentsatz der Einkünfte für sich. Je nach Ansprüchen und Möglichkeiten investieren sie jedoch viel Geld, bis das Buch im Netz steht, für Lektorat, Covergestaltung, Formatierung und Layout. Das ist der erste Nachteil: Sie übernehmen Aufgaben, für die sie nicht ausgebildet sind, die viel Zeit und Geld kosten und die ein Publikumsverlag selbstverständlich unentgeltlich übernimmt.

Dazu muss man sich vernetzen und Informationen über die unterschiedlichen Plattformen (etwa deren Umgang mit Autorinnen und Autoren) austauschen. Beim Selfpublishing werden Daten und Informationen über das Werk unwiderruflich aus der Hand gegeben. Amazon, Apple, Google und Co. können das elektronische Leseverhalten der Leserinnen und Leser überprüfen, etwa wie weit sie in einem E-Book lesen, und dann womöglich ein geringeres Honorar bezahlen – während man hingegen oft selbst dafür sorgen muss, dass das Digital Rights Management (Schutz des Copyrights) angewandt und das eigene Buch nicht zum kostenlosen Download angeboten wird. Eine "ungleiche Überwachung" also: das Ausspionieren einerseits und der fehlende Urheberrechtsschutz andererseits.

Selfpublishing suggeriert Anarchie und Widerstand gegen Verlagskonzerne. Da aber jedes literarische Qualitätsmanagement fehlt, verführt das (wie die Zuschuss-Printverlage) zur Annahme, jede und jeder sei zur Schriftstellerei berufen. Damit wird jedoch nicht der Buchmarkt im Netz bereichert, sondern nur wenige große Unternehmen; und nur sie und einzelne Autorinnen und Autoren werden den Markt beherrschen.

Ein weiteres kritisches Argument: Die zunehmende Nutzung digitaler Dienste hat, abgesehen vom immensen Anwachsen der Masse an Texten, Auswirkungen auf unseren ökologischen Fußabdruck. Denn das Netz und jedes Gerät, das wir benutzen, verbraucht Energie. Ein gedrucktes Buch kann verliehen, verschenkt, nach Jahren wiedergelesen werden. Von einem E-Book erwirbt man nur die Anwendungserlaubnis und kann nichts weitergeben (auf legalem Weg).

Die fortschreitende Digitalisierung spaltet nicht nur die literarische Welt: in die einen, die nur die positiven Seiten der Erneuerungen sehen, und die anderen, die warnen, dass Self­publishing keine Probleme der analogen Welt lösen kann, sondern diese – mit den genannten negativen Folgen für unsere reale Welt – nur auf eine andere Ebene transportiert. Und das Bedenklichste dabei ist, dass ein Berufstand in Gefahr gerät: der Buchhandel.