Strukturreform des Börsenvereins: Konzept im Branchenparlament präsentiert

Im Verband sollen alle Player am Markt eine Heimat finden

3. März 2015
von Börsenblatt
Wenn sich die Branche verändert, muss sich auch ihr Verband verändern: Vorsteher Heinrich Riethmüller und Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis haben dem Branchenparlament heute das Modell für eine umfassende Strukturreform des Börsenvereins vorgestellt. Kernpunkt: Der Abschied von der organisatorischen Dreiteilung nach Sparten. Update: Nach langer, sehr ernsthafter Diskussion stimmt das Branchenparlament für die Weiterentwicklung des Modells (25 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen). Die vorgetragenen Anregungen der Mitglieder sollen dabei einbezogen werden.

Der Verband will Buchhändlern, Verlegern und Zwischenbuchhändlern auch künftig eine Heimat bieten - aber zugleich Räume für neue Marktakteure öffnen.

Ein Arbeitsauftrag, den der Vorstand des Börsenvereins dem Hauptamt im September erteilt hatte, gab bei der Entwicklung des neuen Modells die Richtung vor: Vor dem Hintergrund des sich verändernden Marktes seien jetzt Strukturen erforderlich, "die schnellere Entscheidungswege, größere Transparenz, verbesserte Kommunikationsstrukturen und stärkere Partizipation aller Marktteilnehmer ermöglichen", heißt es in dem Vorstandsbeschluss.

Das Hauptamt sollte deshalb die Auflösung der Spartenorganisation und die Neuordnung der regionalen Verbandsarbeit prüfen. Vorsteher Heinrich Riethmüller betonte im Branchenparlament, dass es beim laufenden Reformprozess nicht darum gehe, ein Modell von oben "überzustülpen". Stattdessen werde der Vorstand "die Mitglieder auf dem Reformweg mitnehmen". Deshalb habe der Verband bereits im Vorfeld bei der Zukunftskonferenz Mitte September Ideen aus der Mitgliedschaft eingesammelt.

Die Ergebnisse aus dem Arbeitsauftrag des Vorstands ("das Organigramm einer möglichen Zukunft") stellte Alexander Skipis im Branchenparlament zur Diskussion. Bevor er den Vorschlag im Detail präsentierte, machte er noch einmal deutlich, dass die Ordnung des Verbands nach Sparten mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang leistungsfähig und angemessen gewesen sei. Buchhändler, Verleger und Zwischenbuchhändler unter einem Dach zu vereinen, mache es dem Börsenverein möglich, nach außen, vor allem gegenüber der Politik, mit einer Stimme zu sprechen.

Durch die Digitalisierung, aber auch durch andere Marktentwicklungen gebe es jedoch neue Player auf dem Markt. "Manche von ihnen können wir kaum noch einer Sparte sinnvoll zuordnen", machte Skipis deutlich. "Wenn wir einen der wesentlichen Erfolgsfaktoren des Verbands, nämlich die nahezu vollständige Abbildung der Wertschöpfungskette, auch in Zukunft erhalten und entwickeln wollen, müssen wir nicht nur Raum für die neuen Player schaffen und ihnen eine Heimat geben, sondern auch die Struktur von Interessenartikulation und Interessen-Clearing so gestalten, dass wir weiterhin mit einer Stimme sprechen können."

Das Modell im Detail

Genau das soll der Vorschlag für eine Strukturreform gewährleisten – und gleichzeitig ein ehrenamtliches Engagement ermöglichen, das eher von Ergebnissen als von Gremienarbeit geprägt ist. Die Eckpunkte:

  • Interessengruppen statt Fachausschüsse: Künftig soll es keine Fachausschüsse, sortiert nach den drei Sparten, mehr geben, sondern eine Vielzahl so genannter Interessengruppen - als "Herzstück" des Börsenvereins, wie Skipis es formulierte. Einige davon sind gesetzt und lösen die bisherigen Arbeitskreise im Börsenverein ab, in denen etwa die unabhängigen Sortimente oder die Kalenderverleger organisiert sind. Die Mitglieder sollen sich darüber hinaus aber auch aus eigener Initiative zu ganz neuen, auch spartenübergreifenden Interessengruppen zusammenfinden – über die Einrichtung einer solchen Gruppe entscheidet der Vorstand.

    Die Interessengruppen sorgen für Willensbildung, Interessenformulierung, Vernetzung und "Heimatgefühl" im Verband. Sie werden von einem hauptamtlichen Steuerungs- und Referententeam betreut und begleitet, können Themen und Projekte an den Vorstand herantragen, über ein Vortragsrecht des Sprechers im Vorstand. Kommt es zu widerstreitenden Ideen oder Bedürfnissen einzelner Interessengruppen, so übernimmt das Steuerungsteam des Hauptamts eine "Scharnierfunktion" beim Interessensausgleich. Einmal im Jahr treffen sich alle Gruppen bei den Buchtagen Berlin im Plenum. Eine "offene Gruppe" soll dabei auch Anlaufstelle für Unternehmen sein, die bislang noch nicht Mitglied im Verband sind, etwa weil sie sich eher am Rande der Branche bewegen.
  • Taskforces für die Themenarbeit: Stehen besondere Themen an, die für die Branche wichtig sind, dann ruft der Vorstand dazu spezielle Taskforces ins Leben, die mit den jeweiligen Experten aus den Mitgliedsunternehmen besetzt werden (etwa zur Metadatenbank oder zu Standardisierungs- und Mehrwertsteuerfragen). Die Taskforces sollen zeitlich begrenzte, ergebnisorientierte Themenarbeit leisten, Lösungsvorschläge entwickeln und zur Entscheidung an den Vorstand weiterleiten. Außerdem begleiten sie die Wirtschaftsbetriebe des Börsenvereins bei der Konzeption, Entwicklung und Einführung von Dienstleistungen. "Die Mitglieder sollen stärker mitbestimmen können, wie die Services des Verbands aussehen", sagte Skipis.
  • Die Arbeit im Vorstand: Der Vorstand des Börsenvereins wird wie gewohnt von allen Mitgliedern in der Hauptversammlung gewählt. Er soll sich künftig aus neun ehrenamtlichen Vertretern sowie dem Hauptgeschäftsführer zusammensetzen - mit der Funktion, Visionen für die Branche und die Verbandsarbeit zu entwickeln und strategische Entscheidungen zu treffen. Er gibt Empfehlungen an die Hauptversammlung. Der Vorstand, bisher paritätisch nach Sparten besetzt, soll die Branche auch künftig "unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse" abbilden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, weitere Mitglieder zu "kooptieren" und damit in die Vorstandsarbeit einzubeziehen. 
  • Regionale Verbandsarbeit: Hier ist die Organisationsfrage noch offen, zur Diskussion stehen derzeit drei Modelle - zwei davon beschäftigen sich Skipis zufolge mit der Auflösung der Landesverbände. In jedem Fall werden die Aufgaben zwischen Bundesverband und Regionen klar verteilt sein. Während sich der Bundesverband etwa um Lobby- und Kulturarbeit, um die Koordination von Dienstleistungen kümmert, konzentrieren sich die Länder / Regionen auf die Mitgliederbetreuung vor Ort, etwa durch Besuche, Beratung und Regionaltreffen.
  • Die Hauptversammlung: Sie bleibt auch nach der Reform unverändert das höchste Organ des Verbands. Die Mitgliederbasis wählt hier Vorstand und Haushaltsausschuss, behandelt Grundsatzfragen, trifft generelle Richtungsentscheidungen, beschließt das Budget und entlastet den Vorstand. 

Zum Zeithorizont

Der Vorschlag zur Strukturreform soll

  • heute zunächst im Branchenparlament diskutiert,
  • in den nächsten Monaten dann weiter ausgearbeitet
  • und den Mitgliedern bei der nächsten Hauptversammlung im Juni 2015 vorgestellt werden.
  • Stimmt die Basis zu, könnte die erforderliche neue Satzung entwickelt und bei der Hauptversammlung 2016 verabschiedet werden.
  • Ab 2017 / 2018 würde die Reform dann greifen.

Allerdings kann sich der Vorstand des Börsenvereins, nach einem entsprechend positiven Mitgliedervotum, hier durchaus einen fließenden Prozess vorstellen – etwa indem schon vorher einzelne Taskforces und erste, neue Interessengruppierungen ihre Arbeit im Verband aufnehmen.

Mehr zum Thema

Alle Informationen zum vorgestellten Reformmodell bündelt der Börsenverein auf der Website http://www.boersenverein.de/mi/strukturreform. Hier finden Mitglieder auch die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema – und einen Zeitstrahl. Die Diskussion im Branchenparlament können Sie hier auf boersenblatt.net nachlesen.