Von den ganzen Kuriositäten (»telepathische« Schaltersteuerung über Gehirnwellenmessung, 360-Grad-Kamera für den Hund, Haarwuchsbestrahlungshelme, Mundgeruchsprüfer und schwebende Bluetooth-Lautsprecher) will ich hier nicht berichten, das würde ein eigener Beitrag werden. Ich möchte mich mit Themen befassen, die meines Erachtens verlagsrelevant sind: 3D-Scanning und -Printing, Augmented Realityund Virtual Reality, Educational Gaming, digitale Musikinstrumente, eInk, digitale Karten und smart Tour Guides, Sensorik, Holografie und Realtime Sprachübersetzung. Wer schon Berichte über die CES gelesen hat, weiß, was ich alles weglasse! Auf wearables, drones, connected cars, head cameras und Internet of Things werde ich allenfalls am Rande eingehen, auf den Rest verzichte ich ganz.
Diese Displays kennen wir bisher nur von e-Readern wie Tolino, nook und Kindle.
Vielleicht halten Sie auch auf unseren Smartphones Einzug, um dort Strom zu sparen (das Yotaphone ist ein Beispiel dafür: LCD-Display, für alles, was farblich sein muss; e-Ink-Display für die nackten Informationen und zum Lesen).
Doch haben Sie schon mal ein e-Ink-Poster am Straßenrand gesehen? Oder als Werbefläche in einem Restaurant? Einen LCD-Bildschirm würde man kaum in das Wartehäuschen einer Bushaltestelle stellen – einerseits wegen der Angst vor Diebstahl und Beschädigung, andererseits wegen der Reflektion: LCD-Bildschirme sind nur in einem engen Winkel lesbar. So könnte also die Zukunft der Straßen- oder Flächenwerbung aussehen.
Der Vorteil gegenüber klassischen Postern liegt auf der Hand: Diese Flächen lassen sich von Tageszeit und Wetterlage oder aktuellen Ereignissen abhängig in real-time flexibel nutzen und sind genauso gut lesbar, wie ein Plakat – bei sehr geringen Wartungskosten. Ein Nachteil bleibt: e-Ink-Displays gibt es bisher nur in schwarz-weiß.
Papierähnlicher Bildschirm
Einem sehr kleinen Kreis von Journalisten wurde zu Beginn der CES ein neuer Monitor der Firma LG vorgestellt: Ein Bildschirm auf einer dünnen Folie, die sich zwar nicht knicken, aber einrollen lässt. Leider wurde dieser Prototyp nicht dem größeren Publikum vorgestellt; auf dem Messestand war er nicht verfügbar.
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Digitale Karten und smarte Tour GuidesIm Marktbereich digitaler Karten war dieses Jahr meines Wissens nur die Firma here (ehemals Nokia) vertreten, die sich auf der Messe jedoch vor allem auf ihren intelligenten HD-Sensor im Bereich der fahrerlosen Autos (der Verkehrsschilder, Ampeln etc. erkennt) und ihre »maps & mobile SDK« konzentrierte (also auf die Zur-Verfügung-Stellung von Karten- und Verkehrsinformationen über offene Schnittstellen in einem »Software Developer Kit (SDK)«.
Ich erwähne dieses Verlagssegment (Kartenverlage) aber hier, um einmal festzuhalten, dass auch dies ein Marktbereich ist, den sich die Verlage praktisch ohne Gegenwehr haben wegnehmen lassen, weil sie ihre technische Kompetenz nicht schnell genug aufgerüstet haben und weil sie »revolutionärere« Ideen nicht wie Startups finanzieren.
Im Ergebnis wird heute im Erdkunde-Unterricht als erstes die Welt mit Google oder Bing Maps untersucht, bevor man – vielleicht – noch einen Atlas in die Hand nimmt. Wer im Alltag jedoch eine gedruckte Karte in die Hand nimmt, gilt gleich als Anachronist.
Auch um die letzten Anwendungsgebiete der klassischen Papierkarte ist es nun zunehmend schlecht bestellt: Wer sich abseits der »kürzesten«, »schnellsten« oder »kurvenreichsten« Strecke eine eigene Route zusammenstellen will (die z.B. den Kurzbesuch bei Oma oder eine besondere Sehenswürdigkeit beinhaltet), greift heute durchaus noch zu Recht zu eine klassischen Wander-, Fahrrad-, Segel- oder Auto-Karte zurück. Doch auch diese Zeiten nähern sich dem Ende, denn jetzt kommen die »smarten Tour Guides«: Dies sind (Smartphone-)Apps, die einem die individuelle Planung der Tour (inklusive Hotel- und Restaurant-Auswahl und automatischer Errechnung des erforderlichen Reisebudgets) nach ganz beliebigen Kriterien erlauben – und die als Ergebnis der Planung optional auch gleich einen individuellen Reiseführer als eBook produzieren (der dann die Sehenswürdigkeiten alle beschreibt, wie bisher in einem klassischen gedruckten Reiseführer). Die Basis sind Kartendienste, die von großen Anbietern wie Google, Microsoft oder eben here bezogen werden.
Kleiner Hoffnungsschimmer: Noch sind diese »smart Tour Guides« in den Kinderschuhen. Sie bräuchten jetzt zu Beginn dringend XML-basierten Qualitäts-Content. Wenn die Sache aber erstmal läuft, werden die Inhalte der heutigen Reiseführer-Verlage nicht mehr oder kaum noch gebraucht. Wer also in diesem Marktsegment bleiben möchte, sollte technologisch aufrüsten oder seine Inhalte per Lizenz anbieten und die Lizenzverträge so verhandeln, dass sie möglichst dauerhaft Einnahmen bringen.
Kommen wir nun zu einem etwas weniger ernsten Thema: Unter dem Begriff »Sensorik« versteckte sich auf der diesjährigen CES alles Mögliche. Als verlagsrelevant fielen mir zwei Dinge ins Auge: Der »e-sensory Little Bird« und die »olfactory alarm clock«. Es geht darum, den Lesern von e-Books noch weitere Erlebnis-Dimensionen zu eröffnen.
Der »e-sensory Little Bird« soll z.B. im Bereich der »romantischen« Romane (die ja bekanntermaßen vorwiegend von weiblichen Lesern konsumiert werden) zum Einsatz kommen und ist ein bluetooth-fähiger Vibrator, der aus dem e-Book heraus aktiviert wird, wenn die Leserin zu den einschlägig erotischen Textpassagen kommt. Tagging (Verschlagwortung) ist auch hier mal wieder alles, was verlagsseitig noch benötigt wird.
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Die »olfactory alarm clock« benötigt noch etwas mehr Transfer, um verlagsrelevant zu werden. Es handelt sich um einen normalen Wecker, der aber zusätzlich zum nervenzerreißenden Weckton auch noch den vom Benutzer gewünschten Duft verströmt. Den Geruch von frischem Kaffee beispielsweise oder von einer frischen Meeresbrise. Kombiniert mit der Idee des »Little Birds« könnte man ein solches Gerät auch so bauen, dass das e-Book steuert, welcher Geruch verströmt wird: Kommt der Held in eine Hafengegend, dann riecht es nach faulem Fisch, kommt er an einer schönen Frau vorbei, riecht es nach Parfüm usw. Warum nicht?
Wenn mir jemand das Geld gibt, entwickele ich gerne das dafür erforderliche Gerät.
Educational Gaming
In diesem Bereich (man wird den Begriff vergeblich im Konferenzführer / »Show Directory« finden, ich finde ihn passend und habe ihn daher gewählt) gab es auf der Konferenz ein interessantes Angebot von Lernspielen zu allen möglichen Zwecken, mit Ausnahme eines Lese-Lern-Spiels aber eher zum Erlernen von technischen Zusammenhängen. So gab es diverse Anbieter, die über verschiedenste Ansätze Kindern das Bauen und Programmieren von Robotern beibringen möchten.
Andere Lernspiele dienen dazu, Kindern logische Bauelemente (also solche, die in Mikroprozessoren Verwendung finden) nahe zu bringen oder Twitter-Streams auf lustige Art und Weise auszuwerten und in Laufschrift umzuwandeln. Fast allen Spielen ist gemeinsam, dass sie über ein Tablet gespielt werden, an das dann irgendwas angeschlossen wird – der Roboter oder kindgerechte, bunte Bausteine usw.
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Ebenso wurden Lernhilfen zum Erlernen von Musikinstrumenten oder sogar gänzlich neue, elektronische Musikinstrumente vorgeführt:
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Würfel, die man im Rhythmus schüttelt, wodurch ein Computer zu dem Rhythmus passende Musik erzeugt. Ein Keyboard, das im Prinzip wie ein normaler Synthesizer funktioniert, auf dem man aber durch Veränderung des Druckes oder über Gestensteuerung die Klangfarbe etc. verändern kann; ein DJ-Controller (mit dem man das »echte Vinyl-Feeling« über sogenannte »Jog-Wheels« simulieren kann – und den man über sein smartphone von der Tanzfläche aus bedienen kann) usw.
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Ziemlich klassisch kommt dagegen das chinesische »smartpiano« daher, das Anfänger wie Fortgeschrittene darin unterstützt, sich schnell in ein neues Stück einzuarbeiten, indem es das Notenlesen erleichtert: Ein Tablet-Computer ersetzt das Notenbrett, auf ihm wird die Partitur angezeigt. Der geübte Notenleser spielt nicht »vom Blatt«, sondern »vom Tablet«. Wer sich aber dann und wann unsicher ist, welche Taste zu drücken ist, kriegt diese unmissverständlich farblich angezeigt – in Echtzeit, während man das Stück spielt.
Hier sind Musikverlage gefragt, ihren Content computergerecht anzubieten und entsprechende Lizenzverträge mit Hardware- und Software-Anbietern abzuschließen oder ihre »sheet music« direkt an die Tablet-Besitzer zu vermarkten.
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Nicht nur die großen Konzerne wie Google und Microsoft arbeiten daran, sondern auch Mittelständler. Das Unternehmen Lexifone aus Israel bietet bereits jetzt einen voll einsatzfähigen realtime Sprachübersetzer, den man z.B. in seiner Telefonzentrale und im Kundendienst einsetzen kann: Ein Ausländer ruft an, das Ding übersetzt realtime und der deutschsprachige Kundendienstler antwortet auf Deutsch, was dann in die Fremdsprache zurück übersetzt wird. Ich habe mir das für Französisch/Englisch vorführen lassen und das Ergebnis war beeindruckend. Mein Bruder hat es mit Hebräisch-Deutsch versucht – das war dann aber noch etwas holprig.
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»Neu« ist an dieser Stelle vielleicht etwas übertrieben – aber »ungewöhnlich« trifft es bestimmt. Ich will an dieser Stelle zwei Dinge vorstellen, über die ich auf der Messe gestolpert bin: Holografie und Campus-Werbung.
Ein interessantes Konzept zur Campus-Werbung wurde von der Firma Go-Commando (www.gocommandoapp.com) vorgestellt (den Begriff verband ich bisher mit Damen und Herren, die ohne Unterwäsche herumlaufen; das ist hier aber wohl nicht gemeint – bin trotzdem neugierig, wie die Firma zu dem Namen gekommen ist). Über eine Smartphone-App wird eine Vermittlungsplattform bereitgestellt, in der sich Studenten als Models für Konsumgüter-Marken bewerben können. Go-Commando ist dabei auch zum Teil als Werbeagentur tätig und entwickelt mehr oder weniger witzige Werbeideen für Aktionen auf dem Campus und die Studenten können dann an diesen Werbeaktionen teilnehmen und werden über die Vermittlungsplattform bezahlt. Go-Commando wirbt damit, dass man über die App innerhalb kürzester Zeit bereits 6 Millionen Studenten erreicht.
Holografie ist auch schnell erklärt: Auf der Messe wurden preiswerte Projektoren vorgestellt, mit denen die Holografie jetzt in den Massenmarkt eintreten wird. Holografien sind echte Hingucker und die Werbewirkung wird – jedenfalls, bis sich die Menschen daran gewöhnt haben – enorm sein. Daher sollten die Verlage entsprechende Angebote vorbereiten. Eine gute Holografie ist eine 3D-Darstellung von dem zu bewerbenden Gegenstand oder ein 3D-Video, das das Produkt oder den Service bewirbt. Diesen Content zu generieren, ist die erste Aufgabe. Die zweite ist, entsprechende Werbeflächen bereitzustellen (das werden Gaststätten, Schaufenster der Einzelhändler und Messen sein). Die nächst ist dann, diese Werbeflächen zu verkaufen und zu bespielen – die Koordination des Ganzen ist eine klassische Verlagsaufgabe. Wäre auch nicht schlecht, sich eine moderne Anzeigensoftware zuzulegen, die das unterstützen kann.
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Bei diesem Thema werde ich oft gefragt, was das mit Verlagswesen zu tun hat. Und ich antworte: »Hört mal Leute, es geht hier um den Handel mit Rechten und – potentiell – den Wegfall eines Großteils des heutigen Warenverkehrs«. Zugegeben – letzteres erst in mittelfristiger Zukunft. Aber so wie Lastwagenfahrer und Taxifahrer in den nächsten 5-10 Jahren durch selbstfahrende Autos ersetzt werden und diese Berufsgruppen verschwinden werden wie die Weber im Zeitalter der industriellen Revolution, so werden Verlage verschwinden, wenn sie ihre Märkte nicht im Blick behalten.
Was hier anstelle des internationalen Warenverkehrs entstehen wird, ist ein gigantischer, internationaler Handel mit Rechten an Konstruktionszeichnungen. Es wird zwar auch viele kreative Ingenieure geben, die ihre Konstruktionen kostenlos (Public Domain / Open Source) der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, doch wird das Gros der Ingenieure wie bisher von ihrer Arbeit leben wollen und entsprechend ist zu erwarten, dass ein Großteil des Marktes über den Handel mit Lizenzen funktionieren wird. Im wissenschaftlichen Bereich liegt der Marktanteil von »Open Access« z.B. trotz der jahrelangen Debatten meines Wissens relativ konstant bei 20% über Open Access und 80% über Nutzung bezahlpflichtige Angebote. Das würde ich auch im Bereich der 3D-Konstruktionen erwarten.
Wie auch im Handel an Amazon sichtbar, wird der Handel mit 3D-Konstruktionszeichnungen einige wenige große Plattformen hervorbringen und viele kleine Spezial-Plattformen, so wie wir es schon heute erleben. Wer das große Geld machen will, sollte also eine bezahlpflichtige Handelsplattform für 3D-Konstruktionszeichnungen entwickeln und alle anderen verdrängen, bevor die überhaupt auf die Idee kommen.
Eine »Public Domain«-Plattform wurde übrigens schon gegründet: http://enablingthefuture.org/ Hierüber wurden z.B. (auf der CES ausgezeichnet) funktionsfähige Handprothesen konstruiert, die mit 3D-Druckern gedruckt werden können und die jetzt an Bedürftige verschenkt werden. Eine Plattform oder ein Verlag, über die man als Ingenieur mit 3D-Konstruktionen Geld verdienen kann, kenne ich dagegen noch nicht …
Zum Thema 3D-Printing gehört Hand-in-Hand natürlich auch das Thema 3D-Scanning. Ich will mich hier jetzt nicht mit den »üblichen« 3D-Scannern aufhalten, die noch vor neun Monaten völlig unerschwinglich waren, jetzt aber massenmarkttauglich sind. Auch will ich den »award winning« »all-in-one« 3D-Scanner/Printer Altair Pro hier nur einmal kurz namentlich erwähnen – er wurde zum besten Kombi-Gerät der CES2016 gekoren.
Nein, ich möchte gleich auf das größte Gerät hinaus, das vorgeführt wurde: Der Shapify von Artec. Dieser ist in UK bereits in einer Bekleidungs-Einzelhandelskette im Einsatz und hilft dort, die passenden Klamottengrößen herauszufinden. Der Scan dauert weniger als eine Minute – ein wenig »spooky« ist das schon. (Und nur am Rande erwähnt: Dieses Gerät wurde innerhalb von nur 6 Monaten in agiler Projektmethodik entwickelt; der Zeitrahmen dabei fest, Funktionsumfang und Budget jedoch flexibel).
Warum kann man bei alledem aber auch glauben, im Möbelhaus um die Ecke gelandet zu sein, wie ich in der Einleitung schrieb? Das will ich mit dem folgenden Bild dokumentieren (sollten Sie auch das Video abspielen wollen, dann bitte in den Youtube-Einstellungen die deutschen Untertitel einschalten – geht unter »Einstellungen« im Youtube-Viewer):
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Ein normales Bett. Denkt man. Ist aber nicht so: Es bietet die allerneusten biometrischen Sensoren und Schlafüberwachungsfunktionen. Es wertet diese Daten aus und passt den Liegekomfort daraufhin in Echtzeit an – und verwendet dabei alle derzeit gängigen Buzzwords, von »adaptive algorithms«, »predictive analytics« bis – natürlich – hin zu einer »offenen API-Struktur«. Man mag schmunzeln. Da aber ein Großteil der Menschen über 40 an Atemaussetzern während des Schlafes leidet und sich daraus große gesundheitliche Probleme ergeben können, hat dieses Bett eine gute Story und einen interessanten Absatzmarkt.
Am kommenden Montag (18. Januar) erscheint hier der zweite Teil des Berichts von der CES 2016 in Las Vegas von Knut Nicholas Krause – dann zu den Themen Augmented und Virtual Reality und mit einer ganzen Reihe hochinteressanter Beobachtungen!