future!publish 2020: Ein Resümee

Wir haben die Geschichten!

4. Februar 2020
von Börsenblatt

Riesenbeifall für die Keynote von Luisa Neubauer. Deutschlands bekannteste Aktivistin der Fridays for Future-Bewegung appellierte an die Branche, mit geeigneten Geschichten die Dramatik des Klimawandels möglichst vielen Menschen nahezubringen. »Wer, wenn nicht Ihre Branche, ist dazu aufgerufen und in der Lage.«

Außerdem erinnerte sie an die Verantwortung der Buchbranche, in der Klima- oder vielmehr »Menschheitskrise« – »denn das Klima kommt schon klar« – wie alle anderen Branchen durch ökologisches Wirtschaften ihren Beitrag zur Abwendung einer Menschheitskatastrophe zu leisten. Nach diesem sehr eindringlichen Vortrag wundert es nicht, dass neben dem Thema Neues Arbeiten/Agilität im regulären Programm, dem Barcamp und in den Pausen Nachhaltigkeit und Ökologie auf der future!publish breit diskutiert wurde.

Eröffnet wurde der Kongress diesmal mit der Verleihung des 3. Deutschen Buchtrailer Awards. Der Preis in der allgemeinen Kategorie (inkl. Belletristik, Sachbuch, Ratgeber) ging an den Trailer zu »Was Du nie siehst« von Tibor Baumann (Carpathia Verlag). Als bester Kinderbuchtrailer wurde der Film des Tulipan Verlags zum Buch »Mein Jimmy« von Werner Holzwarth ausgezeichnet.

Der anschließende Vortrag Anke Oxenfarth stellte den seit vielen Jahren nachhaltig wirtschaftenden Oekom Verlag vor sowie das von ihm initiierte Projekt „Nachhaltig Publizieren – Neue Umweltstandards für die Verlagsbranche“. Die drei zentralen klimarelevanten Faktoren sind: Papierherstellung, Druckprozess und Vertrieb. Aber auch der Büroalltag und natürlich die Inhalte der Publikation haben einen Impact.

Nicht nur vom Branchennachwuchs wurde der Ruf nach neuen Arbeitsweisen und dem Ende von starren Strukturen laut: Studierende der Hochschule für Medien Stuttgart leiteten einen Workshop zu New Work – mit den Säulen Agilität, Mindset, Hiercharie und Work-Life-Balance. Parallel führte Edgar Rodehack zusammen mi Hermann Eckel (tolino media) agiles Arbeiten am praktischen Beispiel vor. Auch der Organisations-Hack-Workshop widmete sich der Neugestaltung von Verlagsstrukturen. Alexander Pinker und Okke Schlüter belegten mit einer Studie, wo es im Innovationsmanagement deutscher Verlage noch Potential gibt. Bei Peter Felixberger (Murmann) wurde »ein Verlag dekonstruiert und neu zusammengebaut«.

Im Bereich technische Innovationen und voranschreitende Digitalisierung, traditionell starke Themen im future!publish-Programm, war die Vielfalt wieder groß: Springer Nature stellte das erste von einem Algorithmus generierte wissenschaftliche Buch vor. Monika Kolb vom mediacampus Frankfurt erläuterte, wie digitales Lernen endlich alle Schulen erreicht. Ein Workshop thematisierte die Veränderungen in öffentlichen Bibliotheken. Alina Ludwig machte deutlich, dass Influencer*innen noch immer unterschätzt würden. Tom Erben stellte die wbg-Community-Plattform vor. Auch die Audio-Formate standen mehrfach im Fokus.

Die future!publish 2020 wartete mit gleich zwei Neuerungen auf. Parallel zu den Vorträgen und Workshops gab es durchgängig im integrierten bar!camp erstmals die Möglichkeit, selbst Themen vorzuschlagen und unter der Anleitung von Ralf Eichner und Heiko Bartlog in Gruppen zu diskutieren. Was die Teilnehmenden besonders interessierte, spiegeln die gewählten Themen:

  • Wie können wir Unternehmenskultur und Organisationsstrukturen dauerhaft ändern?
  • Wie kriegen wir Start-Ups/Innovatoren mit der Verlagsbranche dauerhaft verknüpft?
  • Wie finde ich qualifizierte und motivierte Mitarbeiter*innen?
  • Wie kann ich Meetings optimieren?
  • Chancen, Risiken, Perspektiven unabhängiger Verlage
  • Mehr Nachhaltigkeit im Verlagsalltag (Folien, Vorschauen, Leseexemplare)
  • Marketing der Zukunft
  • Medien: Buch – Video – Podcast

Wer nach zwei vollen Tagen noch Energie hatte, war im Anschluss an den Kongress eingeladen, zwei Verlage zu besuchen und hinter die Kulissen zu schauen: Die neuen Exkursionen führten nach Kreuzberg zum Argon Verlag und zum Ueberreuter Verlag, wo von Geschichte, Arbeitsabläufen und Beispielprojekten berichtet wurde.

Nicht nur im gut besuchten Barcamp fiel die erfreuliche Bereitschaft zu offenherzigen Diskussion, zu Solidarität, Vielfalt und Erfahrungsaustausch auf – zwischen den Generationen, zwischen Verlagen und Unternehmen aller Größen, branchenintern und darüber hinaus gehend.