Roland Große Holtforth über VLB-TIX

Raus aus Teufels Küche!

12. Juni 2020
von Börsenblatt

Warum es bei VLB-TIX eher um effiziente Prozesse als um digitale Vorschauen geht und was sich bei den Diskussionen über das System vielleicht ändern sollte.

Wovon wir reden, wenn wir über VLB-TIX reden? Meist über eine von drei Fragen: die Vorschaufrage (Gedruckt oder digital?), die Performancefrage (Läuft VLB-TIX stabil?) oder die Strategiefrage (Was bringt mir die Arbeit mit VLB-TIX wirklich?).

Die These dieses Betrags ist: Vorschau- und Performancefragen sind auf unterschiedliche Weise relevant, die Strategiefrage ist entscheidend. Und vor dem Hintergrund der Corona-Krise und ihrer (kaum absehbaren) Folgen muss man vielleicht sogar sagen: Sie ist existenziell.

Denn heute ist klarer denn je: Jeder Verlag und jede Buchhandlung muss auch im digitalen Raum sichtbar sein. Aber Website, Newsletter, Social-Media-Posts usw. erstellen sich nicht von selbst. Andere zentrale Aufgaben zu vernachlässigen, ist auch keine Option. Und Umsätze und Budgets machen im Moment erst recht nicht, was sie noch nie taten: automatisch wachsen. Stellt sich also die Frage: Wie zur Hölle sollen wir das alles stemmen?

Darauf muss jedes Unternehmen seine eigene Antwort finden. Aber jede dieser Antworten dürfte die Einsicht enthalten: Wir müssen das, was wir jetzt schon richtig machen, noch effizienter tun. Und das wiederum bedeutet: Ohne die weitere Digitalisierung von Prozessen wird es nicht gehen.

Hier kommen nun die Strategiefrage und VLB-TIX ins Spiel. Wenn VLB-TIX einen Sinn hat, dann diesen: die Unternehmen der Branche dabei zu unterstützen, bekannte und wichtige Prozesse (wie den Novitäteneinkauf oder die Vertretertagung) effizienter zu gestalten, damit Kapazitäten für Neues und anderes frei werden – der Verlag hat Budget für eine Instagram-Kampagne, die Buchhandlung Zeit für die Pflege des eigenen Shops usw. VLB-TIX ist also weniger ein Vorschau- als ein Prozessthema. Es geht darum, was ein System wie VLB-TIX ermöglicht (das im Übrigen auch „Edelweiss“ oder „Novi24“ heißen könnte). An diesem Ziel müssen sich nicht nur MVB und VLB-TIX messen lassen, sondern auch alle Diskussionsbeiträge zum System. Jetzt mehr denn je.

Oft werden die Diskussionen über Vorschauformat und Systemperformance aber so hitzig geführt, dass sie existenzielle strategische Fragen überlagern. Es stehen Sätze im Raum wie: die kleinen Buchhandlungen bestellen doch nur aus Printvorschauen, das MVB-Team ist zu langsam usw. Dass in einer solchen Gemengelage manche öffentlich lieber nichts sagen, weil sie fürchten, dann „in Teufels Küche“ zu kommen, liegt auf der Hand. Und dass so in der Sache oft nur schwer Fortschritte zu erzielen sind, auch.

Zur Polarisierung führt die Strategiefrage eher nicht, denn sie ist erst einmal nur die Aufforderung zum Selbstgespräch: Was möchte ich erreichen? Was hilft mir dabei? Und so vielfältig die Antworten hier ausfallen, so gilt doch: Alle, wirklich alle, ob Buchhandlung, VertreterIn oder Verlag, die mit VLB-TIX arbeiten möchten, führen als Argument dafür an: Es soll mir bei der Verbesserung meiner Prozesse helfen. Verlag A möchte im Kontext von VLB-TIX sein Datenmanagement umbauen, Buchhandlung B die Einkaufsprozesse zwischen den Abteilungen besser koordinieren usw. Sie alle möchten langfristig Zeit und Geld sparen. Und VLB-TIX ist für sie dabei eines von mehreren Mitteln zum übergeordneten Zweck: Effizienz.

Bei der Vorschaufrage gilt für diese Unternehmen: Das digitale Format ist das primäre. Gedruckte Formate werden (für Buchhandlungen bzw. Teammitglieder) auf Wunsch zusätzlich bereitgestellt – wenn möglich, aus den eigenen Systemen heraus. Abgesehen von der insbesondere für Verlage (gerade jetzt) belastenden Tatsache, dass das nicht wenig Geld kostet: Aus strategischer Sicht ist die Frage „gedruckte oder digitale Vorschau“ zweitrangig. Denn was immer hier „Vorschau“ heißt, hat eine digitale Basis.

Anders sieht es beim Thema Performance aus. Denn wenn verbesserte Prozesse das Ziel sind, ist eine gute Systemperformance von VLB-TIX nicht nur praktisch, sondern auch strategisch relevant. Dass die Kolleginnen und Kollegen von MVB hier in der Verantwortung sind, wissen sie. Dass die Verbesserung eines laufenden Systems parallel zum Aufsetzen eines neuen eine erhebliche Herausforderung darstellt, wissen Verlage und Buchhandlungen. Dass sich alle in der für die VertreterInnen diesmal so enorm herausfordernden Reisezeit ein zumindest weitgehend performantes System wünschen, steht außer Frage.

Und wenn diese Reise insgesamt gelingen und es allen danach leichter fallen sollte, überhitzte Diskussionen um letztlich Zweitrangiges durch die gemeinsame Arbeit an besseren Prozessen zu ersetzen, wäre das ein wirklich gutes Ergebnis eines wirklich schwierigen Jahres. Also: Raus aus Teufels Küche!