Bundesfinale Vorlesewettbewerb

Ayla Uluçam ist die beste Vorleserin 2025

25. Juni 2025
Stefan Hauck

551.372 Schüler:innen haben beim 66. Vorlesewettbewerb mitgemacht: In der letzten Runde hat am 25. Juni Ayla Uluçam aus Berlin gewonnen – ein Bericht aus Studio A des RBB.

Ayla Uluçam vor dem Logo des Vorlesewettbewerbs

Ayla Uluçam

Aufregung gehört einfach dazu, aber die 16 Landessieger:innen sind inzwischen Profis, haben ihre Glücksbringer dabei, wünschen sich gegenseitig Glück und sagen untereinander ganz abgeklärt: "Alle sind gut. Gewinnen kann eben nur einer - aber wir haben ja schon mehrmals gewonnen". Die Stimmung im Studio A des Rundfunks Berlin-Brandenburg ist gelöst, Eltern, Geschwister etc. drücken die Daumen, lachen, freuen sich. Gleich am Anfang nahm Fritz Matern (Friedrich-Engels-Gymnasium Senftenberg, Brandenburg) mit irrem Tempo und Stimmwechsel die Zuschauer mit auf eine rasante Verfolgungsjagd, Luna Claire Tallarek (Helene-Lange-Gymnasium, Hamburg) brillierte gleich danach mit einem Auszug aus Anna Woltz "Atlas, Elena und das Ende der Welt": In Sekundenschnelle wechselte sie Stimmungen und Stimmlagen, – "einer Ich-Erzählerin eine Stimme zu geben und dabei in der Rolle zu bleiben - unglaublich!", staunte Juror und KiKa-Moderator Tim Gailus.

Die Finalist:innen 2025

Schwierige Textpassagen bravourös gemeistert

Selten waren in den vergangenen Jahren die von den Sechstklässler:innen gewählten Textpassagen so unterschiedlich in ihrer Bandbreite, Abenteuer, Sozialdrama, Entwicklungsgeschichte, Beziehungstwist. Klar, kräftig, mit leicht rauem Timbre illustrierte Levi Joshat (Evangelisches Paul-Distelbarth-Gymnasium Obersulm, Baden-Württemberg) eine Actionszene aus Jesus Canadas "Die Bibliothek der wahren Lügen" und streute lässig Beiseite-Kommentare ein: "Und dass in Seitengassen selten positive Überraschungen warten, ist ja klar". Das Tempo hielt auch Magdalena Schrang (Regionale Schule "Friedrich Dethloff" Waren,/Müritz, Mecklenburg-Vorpommern), in dem Buchtext entsprechendem Plauderton erzählend, im Nu nahm sie die Zuhörer mitten in eine Buchszene mit. 

Mit einer gut kalkulierten Dramaturgie inszenierte Jakob Eckhoff (Johann-Rist-Gymnasium Wedel, Schleswig-Holstein) eine schwierige Textpassage, die er bravourös meisterte: mal quietschiges Stimmchen, mal nonchalante Stimme, dazwischen Erzählstimme, ängstliche Szenen wechselten mit hochspannenden: Jurorin Angelika Schaack (Hörbuchregisseurin und Juryvorsitzende) zollte dieser Leistung großes Lob. Kristin Stahl (Gymnasium Eckental, Bayern) ließ der aufgestauten Wut der Ich-Erzählerin aus Veronika Eggerts "Sommer mit Fuchs" freien Lauf und war ganz eins mit dem Text, Bruno Kurz (Gymnasium am Rittersberg Kaiserslautern, Rheinland-Pfalz) schaffte den Sprach- und Wortspielereien aus "Ein Rätsel für den König" eine Bühne, verschmitzt, modellierte die Charaktere mit verschiedenstem Tonfall, mal weichem, hartem, gelangweiltem, forderndem, überheblichem Stimmklang. Aus dem ruhigen Erzählton brach Emma Wilhelm (Eduard-Nebelthau-Gymnasium, Bremen) immer wieder mit dem gebrüllten Zorn ihrer Figuren aus, heftiges Durcheinander, Stimmengewirr: "Ich bin noch mittendrin in der Geschichte, ich gehe mit der Geschichte mit, tolle Lesetechnik", urteilte Schauspieler und Juror Rauand Taleb.

"Worte, die wie Bomben in meine Richtung geschleudert wurden"

"Lesen ist etwas Lebensprägendes – da nehmt ihr mehr mit als beim Daddeln", gab Torsten Amarell, stellvertretender Programmdirektor des RBB, den Landessieger:innen mit. Einen Riesenapplaus bekam Angelika Schaack, die als Juryvorsitzende zum letzten Mal dabei war: "Weltbeste Juryvorsitzende!!", befand Kollege Tim Gailus, bevor es mit "Mattie & Mercedes" weiterging: Amalia Schröder (Bundespräsident-Th.-Heuss-Schule Homberg-Efze, Hessen) seufzte, nörgelte, schnippisch, gepresst, melodramatisch, luftanhaltend: "Ich hab ganz kurz vergessen, dass ich hier ja noch eine Aufgabe habe", meinte Moderatorin Selin Kahya und "da ist eine Welt zusammengebrochen" Angelika Schaack. Und, uiiiiii, wie dann Gustav Montag (St.-Josef-Gymnasium Dingelstädt, Thüringen) eine Szene aus Katya Balens "Wünsche an die Wellen" zum Tragen brachte, mit rauem Timbre, wie sein Rumoren, sein Aufbegehren immer lauter, dröhnender, unüberhörbarer wurde, bestes Kopfkino, da brach sich eine unterdrückte Stimme Bahn, "Worte, die wie Bomben in meine Richtung geschleudert wurden", und woher nahm Gustav überhaupt das ganze Stimmvolumen und die Luft? "Ich falle gleich vom Stuhl runter", fasste Tim Gailus sein Erstaunen in Worte.

Sichtlich Spaß am Lesen hatten Änni Wilhelm (Gemeinschaftsschule Nohfelden-Türkismühle, Saarland) – "ich bin einfach mitgegangen und will jetzt nur noch wissen, wie die Geschichte weitergeht", so Rauand Taleb – und Ariella Thomeczek (Städt. Heinrich-Heine-Gymnasium Bottrop, Nordrhein-Westfalen), die aus "Knäckebrothelden" las: "astrein, man merkt gar nicht, dass Du aufgeregt bist, Blickkontakt zum Publikum, toll!", so Taleb. Zwischen zart, hart, weich und drängend modulierte Mats Zaschke (Lößnitzgymnasium Radebeul, Sachsen) Stimmklänge, kühlte den Tonfall der kurz vorm Hyperventilieren befindlichen Protagonistin mit einem mantraartig vorgetragenen, sich selbst beruhigenden "Alles gut, alles gut!" temperiert ab und akzentuierte geschickt – kaum möglich, sich dem Sog der klug ausgewählten Textpassage zu entziehen. "Super Betonung, sehr gefühlvoll!", lobte Vorjahressiegerin Léni Falkenhagen als Jurymitglied. 

Wohl dosiert hatte Nele Müller (Geschwister-Scholl-Gymnasium Sangerhausen; Sachsen-Anhalt) die Verzweiflung und Hoffnung ihrer Figur, zog gekonnt die Spannungskurven, setzte gezielt Pausen ein. Heimspiel ("40 Minuten Anreise") hatte die Berlinerin Ayla Uluçam (Eckener-Gymnasium), die aus "Game of Noctis", mit einer ausbalalanciert reifen Stimme die Stimmungslagen ihrer Charaktere dehnte, mit leicht brüchigem oder auch metallischem Timbre Sätze akzentuierte – "eine Thrillerstimme, ich hab gerade ins Publikum geschaut, ob jemand das Hörbuch laufen lässt, aber das bist Du, die da gelesen hat", meinte Tim Gailus. Last but not least las Peer Emil Søren Bartz, (Albert-Schweitzer-Schule. Gymnasium, Niedersachsen) aus Birgit Schössows "Oma verbuddeln": Ein ernstes Thema mit einer gewissen Leichtigkeit vorzutragen ist eine Kunst, und Peer schaffte es, eine Szene mit einer Jugendamtbetreuerin überzeugend zu vermitteln: "Ich will wissen, wie es weitergeht", so Angelika Schaack.

Keine leichte Aufgabe also für die Jury, die sich schließlich auf eine Bundessiegerin einigte: Als beste Vorleserin 2025 kürte sie Ayla Uluçam

Zum Vorlesewettbewerb 2024/2025

Am 66. Vorlesewettbewerb haben sich bundesweit 551.372 Schüler:innen aus 25.094 sechsten Klassen von 7.080 Schulen beteiligt. Bei der Teilnahmequote besetzen Bremen (74 %), Rheinland-Pfalz (67 %) und Hessen (66 %) die ersten Plätze. Der Weg der Finalist:innen führte von den Schulentscheiden über Stadt-/Kreis-, Bezirks- und Länderebene bis zum Bundesfinale.

Zum Vorlesewettbewerb

1959 von Erich Kästner mitbegründet, ist der jährlich stattfindende Vorlesewettbewerb einer der größten Schulwettbewerbe Deutschlands. Der Vorlesewettbewerb wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels veranstaltet und steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Auch in diesem Jahr unterstützen darüber hinaus Sparda-Banken in vier Regionen die Aktion.

Der Wettbewerb soll Begeisterung für Bücher in die Öffentlichkeit tragen, die Lesekompetenz von Kindern stärken und diese somit dabei unterstützen, ihren Horizont zu weiten, gesellschaftliche Veränderungen einzuordnen und Offenheit für Neues zu entwickeln. Auf www.vorlesewettbewerb.de/der-wettbewerb/buchempfehlungen veröffentlicht die Stiftung Buchkultur und Leseförderung daher außerdem kuratierte Lesetipps zu zahlreichen Themen – auch abseits der bekannten Kinderbuchklassiker.  

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