Die Shortlist 2021
Endspurt im Rennen für den Deutschen Buchpreis 2021.: Diese sechs Romane stehen auf der Shortlist.

Endspurt im Rennen für den Deutschen Buchpreis 2021.: Diese sechs Romane stehen auf der Shortlist.
Vorbildlich ausgewogen sei die Longlist, so hatten Medien vor vier Wochen auf die Longlist reagiert. Nun hat die Jury ihre Auswahl noch einmal fokussiert, sechs Titel stehen nun auf der Shortlist. Insgesamt waren 230 Titel eingereicht worden.
„Die sechs Finalist*innen zeigen den stilistischen, formalen und thematischen Reichtum der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und zeugen von der immensen Lust und hohen Könnerschaft, Geschichten zu erzählen. Darüber hinaus reflektieren alle nominierten Titel das eigene Schreiben, loten seine Möglichkeiten und seine Grenzen aus. Es sind künstlerisch herausragende Romane, die bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Topoi und Schreibweisen eines vereint: Sie sind alle auf je eigene Weise ausgezeichnet und haben jeder für sich die Jury überzeugt.“, so Jurysprecher Knut Cordsen, Kulturredakteur beim Bayerischen Rundfunk.
Kommentar der Jury: "Erzählen ist bei Norbert Gstrein immer auch Nachdenken über das Erzählen, seine notorischen Unzuverlässigkeiten, seine unvermeidlichen Leerstellen. In seinem neuen Roman ist ein Schauspieler anlässlich seines 60. Geburtstags gezwungen, sich selbst und seiner Tochter Rechenschaft abzulegen und das Stationendrama seiner Biografie in eine finale Fassung zu bringen. Auf meisterhafte Weise demonstriert der Roman, wie sich die
Komplexität eines Lebens, das geprägt ist von Scheitern, Scham und Schuld, einem simplen Plot verweigert. Mit „Der zweite Jakob“ hat Norbert Gstrein seine virtuose Erzählkunst noch einmal auf eine höhere Stufe gehoben."
Kommentar der Jury: "Kein Wort zuviel findet sich in Monika Helfers Roman „Vati“, eine Annäherung an das Leben des Vaters der Autorin. Eine Recherche über die Möglichkeit, Leben zu erzählen und Herkunft zu begreifen – die auch die Initiation einer Autorin beschreibt. Als der Vater versehrt aus dem Krieg zurückkehrt, lernt er die Mutter kennen und wird Leiter eines Versehrtenheims in den Bergen. Dort sammelt er Bücher, lebt mit und für sie. Aber bereits hier zeigt sich, was sich nach dem Tod der geliebten Frau ausprägt: eine große Abwesenheit, ein umfassendes Schweigen, das auch das Leben der Kinder prägt. Ein Buch von zärtlicher Traurigkeit – in dem Gefühl und sprachliche Klarheit vollständig ausgewogen sind."
Kommentar der Jury: "Hielt man sich in „Faserland“ die Welt mit ölimprägnierten Jacken vom Leib, wird hier der Wollpullover zum fadenscheinigen Dingsymbol. Denn von Verstrickungen bis zurück ins dunkelste Kapitel deutscher Geschichte handelt Christian Krachts herausragender Roman. „Eurotrash“ ist ein raffiniertes, ein tragikomisches und mitunter überraschend zart erzähltes Stück autofiktionaler Erinnerung, das die psychologischen Feinheiten einer Mutter-Sohn-Beziehung ergründet und dabei familiäre Schattenwelten aufsucht, die aus der Vergangenheit in die Gegenwart ragen. Dem Autor gelingt das seltene Kunststück, eine komplexe literarische Poetik in stilistischer Virtuosität zum Leuchten zu bringen."
Kommentar der Jury: "Bengt Claasen verschlägt es aus einer Lebenskrise in ein nordostdeutsches Provinznest. Dort trotzen Menschen mit aufsässigen Fantasien einer ihnen nicht wohlgesonnenen Realität. Sie haben ihr Dorf zu Sansibar, ihren Teich zum Ozean umfantasiert, strukturieren ihre Gegenwelt mit hinreißend absurden Ritualen. „Zandschower Klinken“, oft einprägsam wie Musik, verströmt Freiheit auch durch seine formale Radikalität. Politisch aufgeladen, bricht es zugleich mit jeder Diskursschwere, weil es sich im Spiel mit Wirklichkeit und Sprache keine Grenzen aufzwingen lässt. Eine bittere, märchenhaft verschlüsselte Familiengeschichte kontrapunktiert den Ausstieg in die Utopie, und dennoch: Dieses Buch lässt einen freier atmen."
Kommentar der Jury:„Identitti“ ist eine Quadratur des Kreises: ein enorm vergnüglicher, hochenergetischer Diskursroman, bei dessen Lektüre viel zu lernen ist und der dabei grandios unterhält. Mit leichter Hand erzählt Sanyal von Bloggerin Nivedita, Studentin an der Düsseldorfer Uni, die ein Skandal durchschüttelt: Starprofessorin Saraswatis indische Herkunft ist fake! Ohne jeden Hang zum Denunzieren zeigt der Roman die verschiedenen, unversöhnlich scheinenden Positionen – in Dialogen, Blogeinträgen, fiktiven Tweets realer Zeitgenoss*innen – und so gelingt es ihr, gerade in den verfahrensten Debatten wieder unbändige Freude am Austausch und der Beweglichkeit im Kopf zu entfachen."
Die Titel reflektieren das eigene Schreiben, loten seine Möglichkeiten und seine Grenzen aus. Es sind künstlerisch herausragende Romane, die bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Topoi und Schreibweisen eines vereint: Sie sind alle auf je eigene Weise ausgezeichnet und haben jeder für sich die Jury überzeugt.
Knut Cordsen, Jurysprecher
Der Jury gehören neben Knut Cordsen an: Bettina Fischer (Leiterin Literaturhaus Köln), Anja Johannsen (Leiterin Literarisches Zentrum Göttingen), Richard Kämmerlings (Literarischer Korrespondent, Die Welt), Sandra Kegel (Ressortleiterin Feuilleton, Frankfurter Allgemeine Zeitung), Beate Scherzer (Buchhändlerin, Proust Wörter + Töne) und Anne-Catherine Simon (Feuilleton-Redakteurin, Die Presse).
Die Jury 2021: Sandra Kegel, Anja Johannsen, Beate Scherzer, Anne-Catherine Simon, Richard Kämmerlings, Bettina Fischer, Knut Cordsen (von links)
Erst am Abend der Preisverleihung am 18. Oktober erfahren die sechs Autor*innen, an wen von ihnen der Deutsche Buchpreis geht. Der oder die Preisträger*in erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalist*innen erhalten jeweils 2.500 Euro. Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Interessierte können die Liveübertragung der Preisverleihung unter www.deutscher-buchpreis.de verfolgen. Auch Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur übertragen die Veranstaltung live über den Sonderkanal „Dokumente und Debatten“ im Digitalradio und als Livestream auf deutschlandradio.de/debatten.
Kurze Videoclips stellen die nominierten Autor*innen und ihre Romane vor. Sie stehen auf der Website des Deutschen Buchpreises, auf Youtube und Instagram zur Verfügung.
Ab 4. Oktober 2021 werden Auszüge aus den Shortlist-Titeln in englischer Übersetzung und ein englischsprachiges Dossier zur Shortlist auf dem Internetportal www.new-books-in-german.com präsentiert.
Das Taschenbuch „Deutscher Buchpreis 2021: Die Nominierten“ ist deutschlandweit in vielen Buchhandlungen kostenlos erhältlich. Es enthält Leseproben der 20 für die Longlist Bücher und weitere Informationen. Die Leseproben können bei MVB bestellt werden.
Das Podcast-Radio detektor.fm hat Hörproben produziert. Sie sind abrufbar unter www.deutscher-buchpreis.de/longlist oder www.detektor.fm/deutscher-buchpreis. Als Kooperationspartner des Deutschen Buchpreises bespricht der Podcast www.papierstaupodcast.de alle für die Longlist nominierten Titel, die Shortlist und den Roman des Jahres.
Unter dem Hashtag #buchpreisbloggen stellen 20 Literaturblogger*innen je einen nominierten Titel vor. Die Rezensionen werden unter www.deutscher-buchpreis-blog.de veröffentlicht und über die Social-Media-Kanäle des Deutschen Buchpreises geteilt.
Der Deutsche Buchpreis wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels seit dem Jahr 2005 vergeben. Hauptförderer des Deutschen Buchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland.
Die Parade-Titel der üblicherweise ausgezeichneten Verlage sind den Jurymitliedern meist ohnehin schon bekannt, u.a. durch ihren viel einfacheren Einzug in die Kulturredaktionen - während wir von einem Jurymitglied die erstaunlich ehrliche Rückmeldung bekamen, unsere beiden eingereichten Titel seien nicht gelesen worden. So arbeitet man dann erfolgreich an der Beschleunigung des Konzentrationsprozesses auf dem Buchmarkt und schafft damit weiter und mit Elan die Vielfalt ab.
Was bleibt, ist die gähnende Langeweile von im Vorfeld weitestgehend durch Marktmacht bestimmten Auslagen, die überall gleich sind und an die sich in wenigen Monaten niemand mehr erinnert. Oder kann sich ein normal gebildeter und interessierter Leser etwa noch daran erinnern, wer vor zwei Jahren den Deutschen Buchpreis gewonnen hat? Alle Autoren wollen da hin, doch die große Mehrheit der Verlage und Autoren, die wie wir meistens übergangen werden, sollte sich überlegen, wirklich unabhängige, leidenschaftliche Medien zu etablieren, die wieder auf die Inhalte schauen und sich nicht damit absichern, dass nur das gewürdigt wird, was eh schon durch Rummel und Geraune abgesichert ist.
So belügt und spielt man sich selbst eine (literarische) Welt vor, die rein gar nichts mit der Realität der Menschen zu tun hat und diese auch nicht interessiert. "Die gähnende Langeweile" führt zu berechtigten Abschaltungen von Literatursendungen mangels Hörerschaft und zur Abwanderung der Leser zu den Klassikern und anderen Unterhaltungsmedien, weil lesen von moderner "Literatur" eben "gähnend langweilig" ist.
Der Buchhandel könnte sich profilieren, indem er die langweiligen "Parade-Titel" in die Nische verbannt und "Unbekanntes, Neues, Gewagtes, Kreatives" präsentiert und bewirbt, um der "gähnenden Langeweile" zu entgehen, Kunden zu halten und zu gewinnen.
Verlage mit "Unbekanntem, Neuem, Gewagtem und Kreativem" könnten sich besser aufstellen, indem sie ihren Direktvertrieb (Webshop) stärken und nach Medien sowie Blogs schauen, die nicht auf "gähnend langweiligige" Titel stehen wie die etablierten Medien. Diese werden im Gegensatz zu den etablierten Medien auch tatsächlich gelesen und gehört.