Trump und die USA in aktuellen Büchern

Angriff auf die Demokratie

7. Januar 2021
von Michael Roesler-Graichen

Ein Noch-Präsident, der wegen einer angeblich gestohlenen Wahl seine Anhänger zum Marsch auf das Kapitol aufstachelt. Ein Mob radikaler Trump-Anhänger im Repräsentantenhaus, Sezessionsflaggen schwingend. Bilder, die man bis gestern in der zweitältesten Demokratie der Welt für undenkbar hielt. Über Trump und die gespaltenen USA sind viele Bücher erschienen und noch angekündigt. Wer sie liest, versteht vielleicht besser, wie es zum Aufruhr in Washington kommen konnte.

Über Donald Trump, den geistigen Brandstifter und Antidemokraten im Präsidentenamt, sind schon zahlreiche Bücher geschrieben worden, von ehemaligen Mitarbeitern, von politischen Beobachtern und sogar von seiner Nichte Mary L. Trump, die ihn in ihrem Buch "Zu viel und nie genug" als "den gefährlichsten Mann der Welt" bezeichnet (Heyne, 288 S., 22 €).

Unter den Büchern der vergangenen Monate, die sich mit Trumps Persönlichkeit und Regierungsstil beschäftigt haben, bleiben mindestens zwei in Erinnerung:

  • Bob Woodwards "Rage", das im Oktober bei Hanser unter dem Titel "Wut" erschien (490 S., 24 €), und in dem der bekannte US-Journalist unter anderem Trumps Zynismus im Umgang mit der Corona-Pandemie dokumentiert.
  • "Der Raum, in dem alles geschah", Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters John Bolton, die offenbaren, wie wenig es Trump um das Gemeinwohl geht, sondern um seine Selbstinszenierung und den Machterhalt um (fast) jeden Preis (HC: Verlag Das Neue Berlin, 640 S., 28 € / TB: Riva, 14 €).

Wie bizarr Trumps Charakterzüge sind, offenbart ein anderes, bemerkenswertes Buch:

  • Manfred Lütz' Gesprächsband "Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?", in dem der weltweit renommierte Narzissmus-Forscher Otto Kernberg sich auch über die Psyche Donald Trumps äußert.

Dass Trump und ein starker, autoritärer Flügel der Republikaner in den vergangenen Jahren die demokratischen Institutionen geschwächt haben, zeigen ebenfalls zahlreiche Bücher,

  • so etwa "Nichts als die Wahrheit" von Ex-FBI James Comey, das die Versuche beschreibt, die unabhängige US-Justiz in Misskredit zu bringen und zu unterwandern (Droemer, 288 S., 20 €, ET:12.1.). Trumps Versuche, sie sich gefügig zu machen, etwa durch die Nachbesetzung konservativer Richter*innen am Supreme Court, sind allerdings kläglich gescheitert.

Betrachtet man die Entwicklung der USA in den vergangenen Jahren, so erhält man einen erschreckenden Befund: Große Teile der Gesellschaft stehen sich feindlich gegenüber. Es scheint vielfach keinen "Common Ground" mehr zu geben, auf dem alle gemeinsam stehen. Die Spaltung des Landes hat auch zwei Öffentlichkeiten hervorgebracht, zwei Wirklichkeiten, zwischen denen es keine Schnittmengen mehr zu geben scheint. Dies ist unter anderem das Thema von

  • Ezra Klein, der in "Der tiefe Graben" die Geschichte der "gespaltenen Staaten von Amerika" erzählt (Hoffmann und Campe, 384 S., 25 €).
  • Der frühere "Spiegel"-Chefredakteur und designierte Programmchef des MDR, Klaus Brinkbäumer, hat gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Stephan Lamby eine lange, investigative Reportage veröffentlicht, deren Titel den Zustand beschreibt, in den Teile der US-Gesellschaft und -Politik in den vergangenen Jahren abgedriftet sind: "Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe". Eine Welt, die jede Orientierung an fundamentalen Wahrheiten verloren hat, von Verschwörungsmythen beherrscht und von einem Mann regiert wird, der seine eigene, "alternative" Wirklichkeit kreiert (C.H. Beck, 391 S., 22,95 €).
  • Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, schildert in "Die Zerstörung Amerikas" (Piper, 320 S., 22 €), wie Donald Trump die USA und die Position der Großmacht in der Welt verändert hat. Ein bösartiger Narziss an der Spitze des Landes wird auch über das Ende seiner Amtszeit hinaus Spuren hinterlassen.

Es gibt aber auch Lichtblicke in der amerikanischen Gegenwart. Joe Biden, seine künftige Stellvertreterin Kamala Harris und Trumps Amtsvorgänger Barack Obama stehen für die Werte der Unabhängigkeitserklärung ein, sie respektieren die demokratischen Institutionen und die Herrschafts des Rechts. Dem inzwischen offiziell durch den Kongress bestätigten Wahlsieger Joe Biden kann man sich in einem sehr persönlichen, anrührenden Buch nähern: "Versprich es mir. Über Hoffnung am Rande des Abgrunds" schildert der 46. US-Präsident den Kampf seines Sohns Beau gegen einen Hirntumor, dem dieser schließlich erliegt (C.H. Beck, 250 S., 22 €).

Wer mehr über die gewählte Vizepräsidentin Kamala Harris, ihre erstaunlichen Werdegang und ihre starken Persönlichkeit erfahren will, kann jetzt Dan Morains Biografie "Kamala Harris" vorbestellen, die am 25. Januar bei Heyne auf Deutsch erscheint (384 S., 22 €).

Bleibt zum Schluss noch Barack Obamas großartiges Buch über seinen Weg ins Präsidentenamt und die Zeit im Oval Office, die nicht nur spannend zu lesen ist, sondern auch zahlreiche Oberseminare in Demokratietheorie und Zeitgeschichte ersetzt. "Das verheißene Land" ("The promised Land") gehört zu den meistverkauften Titeln auch in Deutschland – in beiden Sprachausgaben (Penguin, 1024 S., 42 €).