Wien

Buchhändler einstimmig freigesprochen

29. Dezember 2025
Redaktion Börsenblatt

Der Wiener Buchhändler Rainer Schaden ist vom Vorwurf, aus einem Nachlass Bücher aus der NS-Zeit angeboten und sich somit nationalsozialistisch wiederbetätigt zu haben, freigesprochen worden. Vor Gericht mussten Fachleute erst einmal erklären, wofür ein Antiquariat eigentlich da ist.

Der 78-jährige Buchhändler und Antiquar hatte 14.000 Bände aus dem Nachlass der renommierten Historikerin und Autorin Brigitte Hamann (u.a. Bücher über Persönlichkeiten aus dem Hause Habsburg wie Kaiserin Sisi und Maria Theresia, über Mozart, Bertha von Suttner) übernommen. Darunter waren 56 Titel, die in der NS-Zeit erschienen waren und die Hamann als Primärquelle für ihr Buch "Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators" (1996 bei Piper erschienen, 2022 bei Molden) genutzt hatte. Diese Bücher hatten Verfassungsschützer der Abteilung Extremismusbekämpfung auf den Plan gerufen, die Staatsanwaltschaft Wien hatte ihn wegen "nationalsozialistischer Wiederbetätigung" angezeigt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte der Buchhändler die Bücher aus der NS-Zeit nicht kommentarlos, sondern mit einer Erklärung öffentlich anbieten müssen. Sie warf ihm vor, er habe in Bücher gebundene NS-Propaganda offeriert und die Tat "auf eine Weise begangen, dass sie vielen Menschen zugänglich wurde".

Vor Gericht wies der Inhaber der Universitätsbuchhandlung Zum Buchfreund in der Wiener Sonnenfelsgasse, der auch Universitäten, das österreichische Außenministerium und das Jüdische Museum beliefert, sorgfältig nach, dass er Kaufinteressenten genauestens überprüfe und, wenn er sie nicht zuordnen könne, auch einen Verkauf ablehne. "Namhafte Fachleute […] wurden als Zeugen aufgeboten und mussten dem Gericht erst einmal erklären, wofür ein Antiquariat da ist: um Literatur in Zirkulation zu halten und seltene Bücher wieder in den Verwertungskreislauf des Wissens einzuspeisen", schreibt Paul Jandl am 29. Dezember in der "Neuen Zürcher Zeitung". Alle von der Staatsanwaltschaft beanstandeten Werke sind zudem in den öffentlichen Bibliotheken zu finden. Schaden und die Experten legten dar, dass eine Kennzeichnung der Bücher aus der NS-Zeit bestimmte Kreise just anlocken würden. Im "Falter" zitiert  Florian Klenk den Historiker Oliver Rathkolb, der zu den acht Geschworenen des Landgerichts gesagt habe: "Wenn Sie heute einen Schuldspruch fällen, muss die Staatsanwaltschaft ausrücken und große Teile der Bibliotheken beschlagnahmen – auch im Obersten Gerichtshof.“ Denn auch dort stünden jene Bücher, für die der Wiener Antiquar angezeigt wurde. Das Landgericht sprach Rainer Schaden von der Vorwürfen einstimmig frei; das Urteil ist rechtskräftig.