Bilanz zur Woche der Meinungsfreiheit

"Es geht nicht ums Schulterklopfen"

27. Mai 2021
von Sabine Cronau

Vom 3. bis zum 10. Mai hat der Börsenverein die erste Woche der Meinungsfreiheit veranstaltet – und dabei auch die Nachwehen der umstrittenen Protestaktion #allesdichtmachen gespürt. Alexander Skipis über die Premierenbilanz und die Pläne für 2022. 

Mithilfe der ›Frankfurter Agentur-Allianz‹ konnten wir ein großes Rad drehen. 

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

Der »Cicero« hat die Woche der Meinungsfreiheit als »Toleranz unter Gleichgesinnten« kritisiert. Müssen Sie sich den Schuh anziehen?
Nein, den Schuh ziehen wir uns nicht an – aber der Artikel war trotzdem sehr gut. Er hat sich vor allem auf die Plakate bezogen, die wir gemacht haben, und kritisiert, dass sie eben nicht das gesamte Meinungsspektrum abgebildet haben. Und ja, das kann gut sein. Für uns ist das ein Ansporn, es im nächsten Jahr besser zu machen. Denn die Woche der Meinungsfreiheit ist für mich so ziemlich das Gegenteil von Toleranz unter Gleichgesinnten. Es geht eben nicht darum, uns gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Meinungsfreiheit ist keine Wohlfühlveranstaltung, sondern eine mühevolle, schmerzhafte Sache, weil wir uns mit Meinungen auseinandersetzen müssen, die wir nicht teilen. Deshalb heißt der Hashtag zur Aktion ja auch #MehrAlsMeineMeinung. 

Haben Buchhandlungen und Verlage so mitgezogen wie erhofft? 
Die Aktionswoche hat zum ersten Mal stattgefunden und stand zudem unter dem Eindruck der Pandemie. Das muss man bei der Bilanz immer bedenken. Aber die Unterstützung war enorm. Ich kann nur sagen: danke! Buchhändlerinnen und Buchhändler haben wunderbare Schaufenster und Aktionstische gestaltet. Verlage waren in den sozialen Netzwerken sehr aktiv. So hat die Verlagsgruppe Penguin Random House ein Video mit Autor*innen gedreht, etwa mit Salman Rushdie. Ein tolles Projekt von vielen. Es war ein gelungener Start.

Was hat Ihnen persönlich besonders gut gefallen?
Es fällt mir schwer, etwas hervorzuheben – aber besonders berührt hat mich die Unterstützung der Medien. Rund um die Aktionswoche gab es jede Menge Interview-Anfragen. Ich denke, die Aktion hat vielen Journalistinnen und Journalisten aus der Seele gesprochen. Denn gerade sie stehen auch in Deutschland immer stärker unter Druck. Ihre Arbeit ist jedoch ohne die Freiheit des Wortes undenkbar. Meinungsfreiheit ist die Grundlage für Journalismus – ebenso wie für die Arbeit der Buchbranche.

Ob Amnesty International, Rotary Club oder Eintracht Frankfurt: Mitgetragen wurde die Aktionswoche von einem Netzwerk aus mehr als 30 Partnern. Hat sich das ausgezahlt – oder gilt der Spruch mit den vielen Köchen? 
Das Netzwerk hat wunderbar funktioniert. Alle haben das Thema für ihre Zielgruppen mit sichtbaren Aktionen kommuniziert. Das hat Wirkung gezeigt. Die Eintracht Frankfurt etwa, die ja einen breiten Querschnitt der Bevölkerung erreicht, hat mit ihrem Präsidenten Peter Fischer in den sozialen Medien und mit Aktionen unmissverständlich Position für die Meinungsfreiheit bezogen.

Wie haben Sie die Kampagne stemmen können, organisatorisch und finanziell?
Das Budget war mit rund 20 000 Euro sehr niedrig. Es ist uns aber gelungen, die »Frankfurter Agentur-Allianz« zu gründen – ein Zusammenschluss von Agenturen verschiedenster Kompetenzen aus dem Rhein-Main-Gebiet, die allesamt pro bono gearbeitet haben. Mit ihrer Hilfe konnten wir ein riesiges Rad drehen. Ströer hat für uns deutschlandweit 2 000 Plakatflächen pro bono bespielt, dazu 360 Monitore in Flug­häfen und Bahnhöfen. Außerdem gab es Freianzeigen in vielen Medien, etwa in der »FAZ« und der »FR«. Alles zusammen entspricht einem Werbewert von über einer Million Euro. Das hätten wir allein niemals stemmen können. Sehr dankbar bin ich auch für das große Engagement der IG Meinungsfreiheit und der hauptamtlichen Kolleg*innen im Börsenverein. 

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