Mit diesem Zitat von Mario Vargas Llosa leitet Jorge Semprún in der Frankfurter Paulskirche jenen Teil seiner Laudatio ein, mit der er den Kern des Denkens des Preisträgers vorstellt – die permanente Suche nach der Wahrheit, verbunden mit einer unbändigen Fantasielust und einem Streben nach Gerechtigkeit, die für Peru so wichtig ist, aber auch universelle Gültigkeit besitzt. Dieses Streben, so Semprún, erkläre die vielen Brüche im Leben des Peruaners und die verlorenen Freundschaften nicht als Verrat, sondern als Treue zu sich selbst und als Quelle seiner Literatur. »In dieser peruanischen Wirklichkeit entzündet sich also das leidenschaftliche und luzide Feuer der Romankunst von Vargas Llosa. Diese Wirklichkeit ist es, die seine glühende Prosa entflammt, die subtil gewebt ist, erfinderisch und dicht, voller Emotionen und Ideen.«
Der Laudatio folgt tosender Applaus, Gerhard Kurtze verliest als Vorsteher des Börsenvereins die Urkunde, dann tritt mein Romanheld ans Rednerpult. Bundespräsident Roman Herzog, Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, Ministerpräsident Hans Eichel und die weiteren 1000 Gäste, darunter fünf ehemalige Friedenspreisträger:innen sowie die Frauen der Ehrengäste, die damals noch in der zweiten Reihe hinter ihren Männern sitzen müssen, warten nun gespannt auf das, was Mario Vargas Llosa ihnen – auf Spanisch – erzählen wird.
Er sei aus verschiedensten Gründen bewegt, den Friedenspreis der deutschen Buchhändler und Verleger zu erhalten, erklärt er anfangs, »doch der wichtigste Grund ist, für mich, sein hartnäckiger Anachronismus, sein beharrliches Bemühen, die literarische Arbeit als eine Verantwortung zu begreifen, die sich nicht im Künstlerischen erschöpft und notwendig mit einem moralischen Anliegen und einer gesellschaftlichen Wirkung verbunden ist.«
Es folgt – wie die eingefügten Zitate in diesem Text belegen – eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Literatur, die in der modernen Zeit vielleicht als Dinosaurier erscheine, aber so viel tiefer in die Wahrheiten und Lügen von Gesellschaften eindringe, als es zum Beispiel Film und Fernsehen vermögen.
Es erweise sich »als nachgerade ermutigend, den Blick auf die Verbrecherbande zu lenken, die Nigeria regiert und Ken Saro-Wiwa umbrachte, auf die Verfolger von Taslima Nasrin in Bangladesch, auf die iranischen Rechtsgelehrten, die die Fatwa diktierten und Salman Rushdie zum Tode verurteilten, auf die islamischen Integristen, die Dutzenden von Journalisten, Dichtern und Dramatikern in Algerien die Kehle durchschnitten, auf diejenigen, die in Kairo den Dolch führten, der Nagib Mahfuz fast das Leben gekostet hätte, und auf Regime wie die Nordkoreas, Kubas, Chinas, Vientianes, Birmas und so vieler anderer Länder mit ihren Zensursystemen und ihren ins Gefängnis gesperrten oder exilierten Schriftstellern.«