Interview mit dem Sprecherkreis der IG Digital

"KI schafft neue Wertschöpfungsmöglichkeiten"

4. März 2024
von Michael Roesler-Graichen

Viele neue Gesichter waren Ende Februar beim Peergroup Day und dem DigiCamp der IG Digital des Börsenvereins in München dabei. Leitfragen waren: Wo steht die Branche bei KI? Und welche Tools werden in der Praxis gebraucht? Die Sprecher:innen der IG Digital, Carmen Udina, Eliane Wurzer und Hermann Eckel, über die Ergebnisse beider Treffen und Perspektiven für die weitere Arbeit. 

Hermann Eckel, Eliane Wurzer, Carmen Udina (v.l.n.r.)

In München gab es in diesem Jahr wieder das digitale Doppelpack, den Peergroup Day der IG Digital und das DigiCamp. Haben sich beide Formate bewährt?
Hermann Eckel: Beide Veranstaltungen, bei denen diesmal das Thema KI im Mittelpunkt stand, ergänzen sich gegenseitig. Beim Peergroup Day ging es zunächst um eine Standortbestimmung: Wo liegen die Chancen, die Herausforderungen und die Risiken der neuen Technologien? Welche Aspekte werden von den einzelnen Peergroups bearbeitet? Was wäre dringlich, wird aber noch nicht bearbeitet? Und schließlich: Von wem und wo gibt es Unterstützung? Letzteres auch ein Verbandsthema. – Beim DigiCamp ging es dann ebenfalls sehr praxisnah zu, aber hier wurden eher Impulse von außen aufgenommen und verarbeitet: Es wurden aktuelle KI-Tools und Start-up-Lösungen vorgestellt, es wurde eingeordnet und weitergedacht. Eingeleitet wurde das Ganze mit einer Keynote zu Medientrends 2024 von Jacqueline Hoffmann vom Veranstaltungspartner MedienNetzwerk Bayern.
Carmen Udina: Wolfgang Fischer vom Verein City Partner München gab in einem weiteren Vortrag Einblick in den Münchner Einzelhandel, der mit digitalen Tools wie iBeacons und QR-Codes experimentiert, häufig ohne nennenswerten Erfolg. Symptomatisch ist, dass der Verkauf über Automaten nicht nach Ladenschluss erlaubt ist, obwohl die grundlegende Idee ja genau war, auch außerhalb der Ladenschlusszeiten ohne notwendige Einbindung von Personal Umsatz generieren zu können. – Grundsätzlich kann man sagen, dass bei beiden Veranstaltungen sehr viele neue Gesichter dabei waren, über ein Drittel. Und sehr viele Teilnehmer:innen hatten sich für beide Tage angemeldet, weil sie die Kombination wichtig fanden und für ihre persönliche Qualifikation nutzen wollten. Wir finden es sehr gut, dass das Konzept immer mehr in die Unternehmen ausstrahlt.

Wie ist das Digicamp gelaufen?
Udina: Nach den Vorträgen am Vormittag ging es nachmittags zu vier Stationen, an denen unterschiedliche Lösungen und Geschäftsmodelle vorgestellt wurden. Dabei blieben die Gruppen immer zusammen, damit alle die Gelegenheit hatten, zu jedem Thema etwas zu hören. Vertreten waren Yourbookshop.de, eine Online-Buchhandlung, die mit haptischen Buchhandlungen verzahnt und mit einer Community kombiniert ist; der Data-Analytics-Pionier Moresophy, der mit Contextsuite eine KI-Plattform für hochwertige Daten herausgebracht hat; LitX, ein Dienstleister für Verlage, der Trenddaten und Verkaufsdaten aus dem In- und Ausland analysiert und so herunterbrechen kann, dass man weiß, welcher Influencer auf welchem Social-Media-Kanal, z.B. TikTok, ein bestimmtes Buch empfohlen hat; und schließlich das Unternehmen knk, das den KI-Bot Alto vorgestellt hat. Aus den Gruppen kamen vielfältige Rückmeldungen und Anregungen, denen man anmerkte, dass das Fachwissen um technologische Entwicklungen in der Branche insgesamt sehr gewachsen ist.

Aus den Gruppen kamen vielfältige Rückmeldungen und Anregungen, denen man anmerkte, dass das Fachwissen um technologische Entwicklungen in der Branche insgesamt sehr gewachsen ist.

Carmen Udina

Und wie war der Peergroup Day strukturiert?
Eliane Wurzer: Wir sind mit einer Art World-Café in den Tag gestartet, bei dem das Thema KI mit all seinen Facetten diskutiert wurde. Jede Peergroup hat sich gefragt, wo sie bei dem Thema steht, welche Chancen und Risiken die Technologie jetzt und in Zukunft hat. Auch die Frage, ob die bisherigen Peergroups ausreichen, wurde gestellt. Wahrscheinlich werden wir ein bis zwei weitere brauchen. Die einzelnen Aspekte wurden dann an vier Stationen erörtert: Produkt & Content, Marketing & Vertrieb, Kompetenz & Know-how sowie Rahmenbedingungen.

Worum ging es in den Themengruppen?
Wurzer: Bei Produkt & Content wurde über das Problem „Bullshit“-Content gesprochen, wie es immer häufiger bei Fake-Ratgebern zu beobachten ist. Es wurde gefragt, wie man Qualitätsmedien sichern kann, und welche Erlösmodelle sinnvoll sind. In der Gruppe Marketing & Vertrieb wurde über Themen wie Trendscouting diskutiert.
Udina: Bei Kompetenz & Know-how stand das Thema lebenslanges Lernen im Mittelpunkt. Dazu gehört auch, über den Tellerrand zu blicken und tolle Ideen aus anderen Branchen anzuschauen. Vor dem Hintergrund des rasanten technologischen Wandels wird die Ausbildung immer wichtiger, und die Frage, wie schnell man neue Entwicklungen in die Ausbildung implementieren kann. An der Station Rahmenbedingungen ging es dann um Fragen wie die, welche KI-Plattformen vertrauenswürdig sind, ob man Inhalte als KI-generiert kennzeichnet oder einen Nutzungsvorbehalt erklärt. Die Peergroup Digitale Distribution hat dazu eine Handreichung vorbereitet.

Welche Aufgabe müsste denn von einer zusätzlichen Peergroup übernommen werden?
Wurzer: Wenn man vom Ansatz der Taskforce IT-Standards ausgeht, die einen Muster-Workflow für einen Verlag entworfen hat, wäre der nächste Schritt, die Stellen zu definieren, an denen KI-Tools eingesetzt werden könnten. Das verändert die Prozesse, schafft andere Wertschöpfungsmöglichkeiten und wirft die Frage auf, welche Kompetenzen dafür gebraucht werden.

Wie lassen sich die Ergebnisse des Peergroup Day für die weitere Arbeit nutzen?
Wurzer: In den Gruppen wurde so gut zusammengearbeitet, dass wir mit den Ergebnissen einen Teil der Böv-Fokustage am 6. und 7. Juni bestreiten werden.
Eckel: Dabei wollen wir möglichst konkret werden und Hilfestellungen und Tools entwickeln, wie sie die Taskforce IT-Standards vorgestellt hat, und wie sie inzwischen auch Teil des Digitalen Wissenshubs sind. Es geht darum, Lösungen zu finden, die schnell zur Verfügung stehen. Daneben stellen sich weiterhin übergeordnete Fragen: Wie gehen wir mit dem massenhaften, kaum regulierbaren Content um? Wie können wir für Glaubwürdigkeit sorgen? Wie gelingt es, demokratische Spielregeln durchzusetzen? Wir sind mit einem neuen Purpose unterwegs, bei dem es um die Qualität des Publizierens und um die Vertrauenswürdigkeit von Quellen geht. Dazu wird Nils von der Kall, Geschäftsführer und Chief Commercial Officer der ZEIT Verlagsgruppe, auf den Fokus-Tagen eine Keynote halten: „Jetzt erst recht! Warum Qualitätsmedien im digitalen Zeitalter so wichtig sind wie nie.“