Buchmarkt USA

Ein harter Überlebenskampf

4. Januar 2021
von Michael Roesler-Graichen

2020 war für den Sortimentsbuchhandel in den USA ein Schicksalsjahr. Corona sorgte hier für massive Umsatzeinbußen. Die Absage der BookExpo New York und der Verkauf von Simon & Schuster lösten weitere Turbulenzen aus. 

Es sind vor allem drei Ereignisse, die den Buchmarkt der Vereinigten Staaten in diesem dramatischen Jahr erschüttert haben:

  • die endgültige Schließung vieler unabhängiger Buchhandlungen infolge der Corona-Pandemie,
  • das Aus für die Buchmesse BookExpo New York mit ihren Begleitveranstaltungen BookCon und UnBound,
  • und schließlich die Ende November von Bertelsmann verkündete Übernahme der Verlagsgruppe Simon & Schuster durch Penguin Random House.

Während die Verlage verloren gegangene Umsätze im Frühjahr weitgehend wettmachen konnten und laut Verlegervereinigung AAP bis Oktober kumuliert auf ein leichtes Umsatzminus von einem Prozent kamen, hat sich die Lage des Sortimentsbuchhandels massiv verschlechtert. Seit März büßen die unabhängigen Buchhandlungen Umsätze im zweistelligen Prozentbereich ein, und es ist noch nicht abzusehen, ob die Talfahrt mit dem Weihnachtsgeschäft endet.

Covid-19 sei für das schwierigste ­Geschäftsumfeld in den USA seit fast 100 Jahren verantwortlich, meint ­Allison Hill, CEO der American Booksellers Association (ABA). »Unabhängige Buchläden sind einzigartige Zentren ihrer Gemeinden, Orte, die besonders geschätzt werden, weil sie Möglichkeiten bieten, sich zu versammeln und zu verbinden. Angesichts der notwendigen gesundheitlichen Schritte der sozialen Distanzierung und – in einigen Gemeinden – der vorübergehenden Schließung sind Indie-Buchhandlungen besonders hart getroffen worden.«
Seit Beginn der Pandemie im März haben bisher landesweit 57 Mitgliedsbuchhandlungen ihre Ladentüren für immer geschlossen, so die ABA; seit Januar waren es 78. »Viele Läden arbeiten zurzeit im Minus und haben Geldprobleme«, weiß Allison Hill. »Wir glauben, dass viele in ernster Gefahr sind. Nach unserer Einschätzung könnten 20 Prozent der Buchhandlungen im neuen Jahr die Schließung drohen.«

Stellvertretend für die Buchhandlungen, die ihr Geschäft wegen der Corona-Pandemie aufgeben mussten, sei  City Lit Books in Chicago genannt, eine mit viel Engagement und Herzblut vor acht Jahren gegründete Buchhandlung, die sich rasch zu einem kulturellen Treffpunkt mit hochkarätigen Veranstaltungen entwickelt hatte. Doch Inhaberin Teresa Kirschbraun sah angesichts der Lage keine andere Wahl, als das Geschäft zum 1. Dezember zu schließen. »Es ist wahrscheinlich, dass noch einmal mindestens neun Monate vergehen, bevor wir wieder zum normalen Alltags­geschäft zurückkommen – und ich sehe mich nicht in der Lage, die finanziellen Verluste für einen so langen Zeitraum zu tragen«, schreibt sie auf ihrem Blog.

Multichannel-Trend

Schon die ers­ten neun Monate im Corona-Modus zu überstehen, verlangte Buchhändlerinnen und Buchhändlern viel Fantasie und Flexibilität ab. Neben Abhol- und Lieferservices haben sie vor allem ihre Online-Aktivitäten ausgebaut. »Die Buchhändler haben zahlreiche virtuelle Wege gefunden, um Buchkäufer bei der Suche nach Titeln oder bei der Kontaktaufnahme mit Autoren zu unterstützen«, sagt Allison Hill. So böten sie etwa auf Instagram Geschichten für Kinder, Debütautor*innen im Interview auf Zoom, Lesegruppen auf Facebook – oder via FaceTime die Möglichkeit, in Buchhandlungen einzukaufen und sich von den Mitarbeiter*innen Empfehlungen geben zu lassen.
Covid-19 hat in den USA sichtbar dazu beigetragen, die Entwicklung des unabhängigen Buchhandels hin zu einem Multichannel-Geschäft, das Kunden­bedürfnisse auf differenzierte Weise bedient, zu beschleunigen.

Die Lage der Buchbranche in den USA ist auch in nicht-pandemischen Zeiten nicht ohne Weiteres mit der Situation hierzulande zu vergleichen. Für die Corona-Phase gilt dies noch aus einem anderen Grund: Die Nothilfe- und Überbrückungsmaßnahmen, die etwa die deutsche Bundesregierung dem Buchhandel gewährt – unter anderem mit Neustart Kultur –, gibt es in den USA nicht.

Damit nicht ein großer Teil des Einzelhandels – jedes dritte kleine Geschäft könnte von Schließung betroffen sein – nach Corona verschwindet, fordert Allison Hill Unterstützung: »Die US-Regierung muss schnell eine aktive Rolle einnehmen, um sicherzustellen, dass die örtlichen Geschäfte, die unsere Nachbarn beschäftigen und unsere Gemeinden lebendig und einzigartig machen, auch nach Covid-19 noch für uns da sind.«

Fehlende staatliche Hilfe bedeutet das Aus für die New Yorker Buchmesse BookExpo, die für dieses Jahr zunächst verschoben und schließlich ganz abgesagt wurde. Da mit Präsenzveranstaltungen derzeit zu viele Ungewissheiten verbunden seien, habe man entschieden, das Event mit seinen Begleitformaten BookCon und UnBound (Non-Book-Messe) für 2021 zu streichen, so der Veranstalter. Jenny Martin, Event-Direktorin bei Reed Pop (Reed Exhibitions), sagte, man spreche mit Verlagen, Buchhandlungen und anderen Partnern, um herauszufinden, wie man die Veranstaltungen wieder neu konzipieren könnte.
 

Mit Börsenblatt Plus ins Branchengeschehen eintauchen

Sie wollen diesen Plus-Artikel weiterlesen?
Dafür benötigen Sie ein Benutzerkonto sowie ein Abonnement!

  • Zugriff auf alle Plus-Artikel (Analysen und Kommentare der Redaktion, exklusive Branchenzahlen, Interviews, Hintergrundberichte, Reportagen und Artikel aus dem gedruckten Börsenblatt)
  • Alle E-Paper-Ausgaben seit 2019, die aktuelle bereits am Mittwochabend abrufbar
  • Plus-Newsletter mit Highlights und Empfehlungen aus der Redaktion