Das Ahrtal: Buchhandlungen nach der Flut

Eine lange Zeit des Wartens

1. Juli 2025
Barbara Meixner

Im Ahrtal mussten die Buchhändler:innen 2021 den Untergang ihrer Läden im Hochwasser miterleben. Wie geht es ihnen vier Jahre später? Ein Besuch vor Ort.

Buchhandlung am Ahrtor, Ahrweiler

Blick in die Fußgängerzone von Ahrweiler – rechts die Buchhandlung am Ahrtor.

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 ging an der Ahr, kleineren Flüssen in der Eifel und im südlichen Rheinland die Welt unter. Das Hochwasser zerstörte Häuser, Straßen und Schienen, 135 Menschen starben. Die Katastrophe hinterließ aber nicht nur immense wirtschaftliche Schäden, sondern auch psychische Belastungen für viele Betroffene. Nach vier Jahren dauert der Wiederaufbau der Infrastruktur vielerorts an; Schienennetze sind noch nicht wieder hergestellt und müssen mit einem Stückwerk aus Bahn, Schienenersatzverkehr und Ruftaxi zeitraubend überbrückt werden. Da die Gewässer oft durch die Ortsmitte fließen, wurden Stadtkerne teilweise komplett zerstört – dort, wo meist auch der Einzelhandel angesiedelt ist. Längst ist nicht alles wie vorher, in vielen Orten gibt es immer noch verbarrikadierte Läden. Bei den betroffenen Buchhandlungen ist die Lage sehr unterschiedlich. Manche konnten in ihre Ladenlokale zurückkehren, andere wie die Buchhandlung Wachtel in Gemünd haben aufgegeben, weitere sind immer noch am Renovieren. Alle haben Erfahrungen gemacht, mit denen sie so nie gerechnet hatten.

Gerade wiedereröffnet: Oelrich & Drescher in Eschweiler

Jörg Drescher etwa konnte seine Buchhandlung erst vor wenigen Wochen wieder aufschließen, nach zwei Umzügen in drei Jahren, "diesmal hoffentlich endgültig". Nachdem er in der Flutnacht mit Sandsäcken, Holzbrettern und stundenlangem Wasserschippen vergeblich versucht hatte, das Eindringen der Flut zu verhindern, musste er im ersten Stock miterleben, wie um fünf Uhr morgens eine Flutwelle durch die Fußgängerzone rauschte und seine Buchhandlung einen Meter unter Wasser setzte, mit Dreck, Öl und Benzin. Jörg Drescher hatte eine Elementar- und Betriebsausfallversicherung, die sofort eine Anzahlung geleistet hat. "Nach zwei Wochen kam ein Gutachter, die Versicherung hat alles ersetzt, was kaputt war, Ware, Mobiliar, elektronische Geräte. Auch unsere Arbeitsleistung während des Hochwassers." Komplizierter waren die Schäden am Gebäude. Für Mieter Drescher war schnell klar: "Das dauert." Nicht nur Gutachter, auch Handwerker waren überlastet, langwierige Trocknungsprozesse etc. standen an. "Ich musste überlegen, ob ich überhaupt außerhalb meines Onlineshops weitermachen kann." Eines der wenigen Geschäfte, das nicht vom Hochwasser betroffen war, führte ein befreundeter Weinhändler, Dietmar Kohlen. Der bot Drescher an, mit seinen Büchern im Eschweiler Weinladen einzuziehen: "Ein tolles Angebot!" Kohlen räumte 30 Quadratmeter frei, "und schon konnte es losgehen. Ich dachte ja, in spätestens drei Monaten bin ich wieder in meinem Laden".

Aus drei Monaten wurden zwei Jahre, bis auch die Weinhandlung renoviert werden musste – die Nässe war in der Flut in den Keller eingedrungen und hatte Schäden hinterlassen. Was tun? Mittlerweile waren in Dreschers altem Viertel einige Gebäude wiederhergestellt, wenn auch nicht sein ursprüngliches Ladenlokal. Die beiden Händler hörten sich um – und waren erst einmal schockiert: "Viele Flächen waren plötzlich 60 bis 100 Prozent teurer. Das hätte sich für keinen von uns gerechnet." Schließlich fanden sie ein geeignetes Ladenlokal direkt neben der alten Buchhandlung. "Das Haus hatte ein junges Ehepaar zwei Wochen vor der Flut gekauft, um ein Restaurant zu eröffnen." Dies wurde aber nach der nötigen Renovierung des Hauses erst einmal aufgeschoben, Drescher und Kohlen wurden Mieter. "Es war eine wilde Mischung, Bücher und Wein auf 60 Quadratmetern, aber es war auch lustig." Leider sei bei jedem Umzug ein Teil des Umsatzes weggebrochen: "Man kann es Kunden nur schwer vermitteln, dass man schon wieder woanders seinen Laden hat. Zudem sind die Menschen nach der Flut generell weniger in die Innenstadt gekommen. Das Hochwasser hat den Strukturwandel, der zum Sterben der Innenstädte führt, sicher beschleunigt", meint Drescher. 

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