Interview

Grönemeyer schreibt weiter

19. November 2020
von Stefan Hauck

48 Wochen hielt sich "Der kleine Medicus" auf den Bestsellerlisten, ab 2021 setzt Dietrich Grönemeyer die Serie mit vier Bänden pro Jahr fort. Im Interview erläutert er die Hintergründe für den Neustart.

"Der kleine Medicus" erschien 2005, 2007 folgten "Die neuen Abenteuer des kleinen Medicus" und "Das Körper-ABC des kleinen Medicus", Hörbücher, Spiele, es gab 2009 ein Musical, 2012 einen Medi-Circus an Schulen, 2014 einen 3D-Animationsfilm: Ist da nicht alles auserzählt?

Keineswegs! Wir müssen die heutige Zeit im Blick haben, um auf aktuelle Themen in der Medizin eingehen zu können. Wir haben neue medizinische Technologien wie die Solartechnologie, es gibt neue Erkenntnisse in der Bioinformatik, Immunologie, Künstliche Intelligenz und OP-Roboter, neue Behandlungsformen und Therapieansätze usw. Denken Sie nur an die E-Help-Welt: Wir haben heute an den Armbanduhren eine Digitaltechnologie, mit deren Hilfe wir den Blutdruck messen oder Sauerstoffsättigung aufzeichnen können; es sind sogar die Ableitung eines Ein-Kanal-EKGs und unterschiedliche Warnmeldungen für Herzrhythmusstörungen einschließlich Vorhofflimmern möglich. Das hat der kleine Medicus bereits als Science-Fiction vorausgesehen – jetzt wird es als Realität erzählt werden können.

 

Wird in den neuen Bänden auch das Corona-Virus vorkommen?

Sicher, wir haben ja bei den Viren und Bakterien viele neue Erkenntnisse gewonnen. Der Erfolg von Biontech bei der Entwicklung des Corona-Impstoffs etwa kommt daher, dass er an individuelle Antikörper-Technologie für die Krebsforschung anknüpfen konnte – ein neuer Ansatz, um das Immunssystem zu stärken. Überhaupt ist die personalisierte und individualisierte Medizin wichtiger geworden: Jeder Mensch ist einzigartig und anders. Das möchte ich auch bei den neuen Bänden vermitteln. Und immer auch einen visionären Blick einnehmen und mit ein bisschen Science Fiction überlegen, was künftig in der Medizin möglich ist.

 

Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, den "Kleinen Medicus" zu schreiben?

"Der kleine Medicus" in Buchform ist ja eigentlich aus Frust entstanden: Ich hatte Ende der 90er Jahre die Filmrechte von Noah Gordons "Medicus" erworben, war Gastprofessor in Harvard und hatte eine Filmgesellschaft gegründet. Es gab drei Drehbücher, die aber nacheinander von Gordons Familie abgelehnt wurden; der Filmproduzent Bernd Eichinger meinte, dass der "Medicus" nach seiner Einschätzung kein Kinofilm sei, sondern viel eher als Serie tauge. Und ich dachte: Was mache ich jetzt? Da kam mir die Idee, Kindern ungewöhnliche Einblicke in die Funktionen des menschlichen Körpers zu geben.

Werden in den neuen Bänden die bekannten Figuren aus dem kleinen Medicus wieder dabei sein?

Es wird die vertrauten Figuren wie Nanolino und seine Schwester Marie, seine Freundin Lilly, Oma Rosi, Dr. X und seine Assistentin Micro Minitec geben, und natürlich den fiesen Gegenspieler Professor von Schlotter. Und irgendwann wird in einem der Bände auch eine kleine Medica auftauchen. Die Bände setzen auf dem Kinofilm-Erfolg auf, wo es viele medizinische Erklärungen gab, etwa wie viele Bandscheiben die Wirbelsäule hat. Dieses Konzept des Abenteuer erzählenden Sachbuchs möchte ich weiterführen, denn damit erreiche ich die Kinder: Diejenigen, die in der Schule eher schwach erschienen, waren bei solchen Erklärungen immer voll dabei, das hat wiederum die Lehrer motiviert und das spornt auch mich an.

 

Ist Ihre Tochter Friederike, die Psychologin und Heilpraktikerin für Pflanzenheilkunde ist, auch mit dabei?

Ich habe mit ihr ja ein Standardwerk zur Wirkung von Heilkräutern geschrieben, "Selbstheilen mit Kräutern", da ist sie ja Expertin und wird deswegen die traditionellen Ratschläge und naturheilkundlichen Rezepte der Oma Rosa genau unter die Lupe nehmen. Meine andere Tochter arbeitet an der Gestaltung mit.

 

Wie viele Bände haben Sie geplant?

2021 werden vier Bände à 72 Seiten erscheinen, und dann sind jedes Jahr vier weitere Bände angedacht – zu erzählen gibt es schließlich genug. Und der Tessloff Verlag hat wunderbare Ideen, ich arbeite mit dem Team sehr gut zusammen, es ist sehr offen und da macht es auch einfach Spaß.

 

Sie haben als Arzt des Grönemeyer Instituts für Mikrotherapie in Bochum und Professor für Radiologie ja mehr als einen Fulltime-Job – was treibt Sie an, für den Nachwuchs zu schreiben?

Mich interessiert seit jeher das Aufklärerische und die Vermittlung von Wissen. Der Gesundheitsunterricht in den Schulen ist immer noch dürftig, viele Eltern sind hilflos – also woher soll das medizinische Wissen kommen? Mit meinem Medi-Circus-Musicals habe ich 150.000 Kinder vor allem in den Schulen erreicht, und einige, die heute Ärztinnen sind, haben mir gesagt, dass sie mein Buch zu ihrem Beruf motiviert hat. Da denke ich, dass sich mein Einsatz lohnt.