Ungarn

LGBTQ-Referendum gescheitert

4. April 2022
von Börsenblatt

Zeitgleich mit den Parlamentswahlen wurde in Ungarn auch über ein Referendum abgestimmt, bei dem es um Kinder- und Jugendbücher mit LGBTQ-Inhalten ging. Sie durften seit vergangenem Jahr in Buchläden nicht mehr öffentlich präsentiert werden. Die Entscheidung ging denkbar knapp aus.

Die dritte der vier im Referendum gestellten Fragen lautete: "Sind Sie dafür, dass minderjährige Kinder uneingeschränkt sexuell eindeutigen Medieninhalten ausgesetzt werden, die ihre Entwicklung beeinträchtigen?" Im Vorfeld hatte das Kinderbuch "Meseország mindenkié" ("Märchenland für alle") in Ungarn für große politische Diskussionen gesorgt– in der Ende 2020 von der Organisation Labrisz veröffentlichten Anthologie sind 17 bekannte Märchen, bei der die Hauptfiguren einer marginalisierten Gruppe angehören, etwa ein schwuler Prinz, ein Aschenputtel mit alkoholsüchtigem Vater oder ein Hase, der mit drei Ohren geboren wurde. [Update 5.April: "Märchenland für alle" ist am 17. März auf Initiative des "Stern" auf Deutsch erschienen und wird im Buchhandel von DK vertrieben. Innerhalb von zwei Wochen wurde die erste Auflage komplett ausgeliefert, die zweite Auflage ist bereits in Druck.]

Die ungarische Regierung hatte vom Verlag sowie allen anderen Verlagen, die ähnliche Inhalte veröffentlichen, verlangt, das Buch mit einem Warnhinweis zu versehen. Zudem durfte es Minderjährigen nicht mehr zugänglich gemacht werden und musste von den Büchertischen in den Geschäften verschwinden. In Kinderkrippen und Kindergärten durften Bücher mit LGBTQ-Inhalten nur mit Zustimmung der Eltern vorgelesen werden. Das ungarische Parlament hatte im Dezember 2021 den Weg für das Referendum freigemacht, das die Zustimmung der Ungar:innen für die Regierungspoltik deutlich machen sollte; Ministerpräsident Viktor Orbán hatte die Wähler:innen gebeten, "dass wir gemeinsam Nein zu diesen Fragen sagen, so wie wir es vor fünf Jahren getan haben, als Brüssel Ungarn zwingen wollte, Einwanderer aufzunehmen".

Entscheidend waren diesmal die ungültigen Stimmen

Aktivisten hatten unter anderem online und mit Transparenten dafür geworben, gezielt ungültige Stimmen abzugeben. Die Rechnung ging auf. Während sich bei den Parlamentswahlen rund 70 Prozent der Wahlberechtigten in den Wahllokalen einfanden, gaben bei dem zeitgleich stattfindenden so genannten Kinderschutzreferendum nur rund 44 Prozent der Wähler eine gültige Stimme ab. Da jedoch für die Gültigkeit des Referendums eine Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent erforderlich ist, war das Referendum ungültig.

Mindestens 4.107.652 gültige Stimmen wären erforderlich gewesen, aber bei einer Auszählung von fast 99 Prozent der Stimmen wurden nur 3.521.425 gültige Stimmen gezählt. Hingegen wurden 1.347.895 ungültige Stimmen abgeben.

Bei der oben genannten dritten Frage gab es nach Angaben des Nationalen Wahlbüros 3.484.686 (43,99%) gültige Stimmen und 1.627.511 (20,55%) ungültige Stimmen. Bei den abgegebenen gültigen Stimmen entfielen 95,32 Prozent (3.321.638) auf die von der Regierung geforderte "Nein"-Antwort, was das Referendum zu einem Erfolg gemacht hätte, wenn es nicht die 50-Prozent-Klausel geben hätte. Nur 163.048 der gültigen Stimmen (4,68 Prozent) hatten mit "Ja" gestimmt.