Zum Rückzug des Thalia-CEO

Michael Busch und die Sehnsuchtslehre

3. Mai 2022
von Torsten Casimir

Europas mächtigster Buchhandelsmanager tritt operativ ab. Der Schritt passt zu einem Mann, dessen Markenzeichen es ist, immer wieder etwas Neues anzufangen. Michael Busch hat die Branche mitgeprägt. Ein Rückblick der persönlichen Art von Torsten Casimir. 

Im Hagener Büro Michael Buschs, 2010

Man kennt den Satz noch aus Schulzeiten: „In einem abgeschlossenen System ist die Summe aller Energien konstant.“ Ich habe lange gedacht, ein Gesetz wie dieser Energieerhaltungssatz stimmt immer – bis zur ersten Begegnung mit Michael Busch in dessen Hagener Büro. Denn die Sache ist in Wahrheit die: Nach Gesprächen mit Europas mächtigstem (und Deutschlands umstrittenstem) Buchhandelsmanager nimmt die Gesamtenergie im System regelmäßig zu. Buschs bleibt hoch, die des Besuchers bekommt einen Booster. Energie scheint bei ihm ansteckend zu sein. 

Jetzt zieht sich dieser Kraftmensch und Unternehmer aus der operativen Verantwortung bei Thalia zurück. Selbst enge Vertraute erfuhren von seinem Entschluss, der wohl bereits länger feststand, erst am Vorabend der Veröffentlichung einer entsprechenden Pressemitteilung. Mit wem man auch spricht: Alle nehmen ihm die behauptete Begründung ab, nämlich noch einmal etwas ganz anderes in seinem Leben machen zu wollen. Neues anzufangen – darauf war er auch als Buchhändler spezialisiert. Wir erinnern uns an die leidenschaftlichen Oyo-Erzählungen Michael Buschs. Das war 2010. Er glaubte an eine große Zukunft des E-Books, an eine „neue Dimension des Lesens“, und wollte sich mit einem praktischen, jackentaschenkompatiblen Reader an die Spitze der Bewegung setzen. Als wir damals in der eher nüchtern gehaltenen Firmenzentrale gemeinsam nach einem passenden Hintergrund für ein Foto zum Oyo-Interview suchten, stellte sich Busch im Flur unter ein Saint-Exupéry-Zitat an der Wand: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

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