Warum Tessloff zur Frankfurter Buchmesse kommt

"In meiner Welt geht das"

30. Juli 2020
von Börsenblatt

Stand oder nicht Stand auf der Frankfurter Buchmesse? An der Frage einer physischen Teilnahme scheiden sich die Geister. Bei Tessloff heißt die Parole: jetzt erst recht! Die Geschäftsführerin Katja Meinecke-Meurer erläutert die Gründe.

In den vergangenen Monaten hat mein Smartphone so viele kleine Dramen erlebt, dass ich manchmal das Gefühl habe, es schaut mich inzwischen ganz mitleidig an. Ist es doch Zeuge vielfacher Kindertränen geworden, übermittelt durch Facetime, Zoom & Co. Als Tante von mehr Nichten und Neffen im besten Kinderbuchalter, als ich an zwei Händen abzählen kann, und an der Quelle zu Büchern sitzend, wurde ich gern und häufig angeklingelt. Unsere sonst meist fröhlichen Gespräche endeten zuletzt oft in Tränen. Welchen Kummer Corona auch und vor allem Kindern bereitet hat, ist mir erst da in seiner ganzen Tragweite klar geworden. 

Hin und wieder aber endeten die Tränen auch in einem trotzigen »jetzt erst recht!« oder in einer dieser kleinen, weisen Verbiegungen von Realität, die nur Kinder beherrschen: »Doch, in meiner Welt geht das!«, warf mir meine fast vierjährige Nichte vor einigen Wochen zu, als wir über den nicht möglichen Besuch auf dem Spielplatz sprachen. Ein Satz, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging. 

»Aber natürlich sind wir weiter für unsere Kunden da!«, rief mir die Buchhändlerin in unserem Dorf zu, als ich sie zufällig am Abend vor dem Lockdown beim Einkaufen traf. Ich hatte gerade vorsorglich »Passierscheine« für unsere Mitarbeiter ausgestellt und traute meinen Ohren kaum. Wieder so ein beherzt entwaffnendes »Warum nicht?!«

Und so war unsere Entscheidung, auch in diesem Jahr als Aussteller auf die Frankfurter Buchmesse zu fahren, ganz einfach. Denn wenn man aufhört, darüber nachzudenken, warum es nicht geht, dann hat man ziemlich schnell eine Menge Ideen, wie es doch geht. Ich bin überzeugt: Wir brauchen die Buchmesse in Frankfurt! Wir brauchen den öffentlichen Raum für Bücher und das Lesen. Wir brauchen Begegnungen, Gespräche und Nähe mehr denn je. Kinder verlernen zunehmend zu lesen, und geschlossene Schulen, Bibliotheken und sinkende Haushaltseinkommen machen es nicht besser. Wir müssen gemeinsam das Lesen feiern. Und wenn es nur eine kleine Feier wird, dann ist das allemal besser als keine Feier.

Kolumbus hat Amerika nicht im Homeoffice entdeckt.

Wir jedenfalls wollen für unsere kleinen (und großen) Leser da sein. Wir wollen unseren wundervollen Händlern danken. Und wir wollen den Menschen, die das Lesen in den vergangenen Monaten neu für sich entdeckt haben, entgegenkommen und sie anstiften: mit einem Moment des Entdeckens und der Faszination auf unserem neuen Messestand. Wir tun dies ganz im Sinne unseres Gründers Ragnar Tessloff. Er war überzeugt, dass man alles lösen kann, wenn man nur neugierig genug ist, die Dinge zu entdecken, zu erforschen, zu verstehen. Die Marke WAS IST WAS, die er etabliert hat, steht bis heute dafür. Ich glaube, gerade jetzt müssen wir alle Entdecker sein. Und Kolumbus hat Amerika nicht im Homeoffice entdeckt.

Trotz allem gilt: Natürlich wiegt die Fragestellung der Sicher­heit schwer. Und natürlich sind wir uns dabei unserer großen Verantwortung bewusst. Aber wir finden jeden Tag Lösungen – im Büro, auf der Reise, beim Kunden. Zusammen mit unserem Messebauer haben wir für Frankfurt ein Gesamtkonzept gefunden, mit dem wir uns genauso sicher fühlen können wie unsere Besucher. Seien wir doch ehrlich: Genießen wir nicht alle gerade die wiedergewonnenen Möglichkeiten der Lockerungen im Biergarten, am Badesee?

Und was, wenn die Messe doch nicht stattfinden kann? Dann haben wir es versucht. Und es hat Spaß gemacht. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!