Von der Mahnung bis zum Inkasso

Was tun bei nicht bezahlten Rechnungen?

17. Juni 2020
von Börsenblatt

Im Moment werden Buchhandlungen verstärkt mit offenen Rechnungen aus der Lockdown-Phase konfrontiert – und fragen sich, wie sie am besten mit der Situation umgehen und ab wann sie ein Inkasso-Unternehmen beauftragen sollen. Carola Markwa, erfahrene Buchhändlerin und Geschäftsführerin des Landesverbands Nord, gibt Hilfestellung.

Das erste Ziel ist ja, die Geschäftsbeziehung zu den Kunden/innen zu erhalten, weswegen gilt: Der Ton macht die Musik. Das verlangt Fingerspitzengefühl und die Grundannahme, dass die Kunden/in nicht mit Absicht noch nicht gezahlt hat: Vielleicht wurde es einfach vergessen, vielleicht hat sie die Überweisung schon ausgefüllt und ihr ist etwas dazwischengekommen, vielleicht hat ein elektronischer Buchungsvorgang nicht richtig funktioniert – was auch immer. Wenn der Rechnungsbetrag nicht eingeht, sollte man gezielt in kleinen Schritten vorgehen:

  1. Buchhändlerinnen sollten zunächst noch einmal routinehalber überprüfen, ob auf der Rechnung ein Fälligkeitsdatum steht. Das kann, gerade wenn eine Buchhandlung überwiegend Bargeschäft hat oder während des Lockdown eine Rechnung nach der anderen geschrieben hat, schon mal vergessen werden. Dann ein Zahlungsziel nennen.
  2. Sie sollten die eigene Buchhaltung überprüfen, sprich: die Zahlungseingänge genau kontrollieren. Es gibt Kundinnen, die ohne Rechnungsnummer überweisen, manche runden sogar Rechnungsbeträge auf und überweisen statt 28,90 € glatte 30 €. Manchmal bezahlt auch der Partner oder die Partnerin die Rechnung, die aber einen anderen Nachnamen hat. Diese Kontrolle ist wichtig, weil sonst später Kosten auf die Buchhandlung zurückfallen.
  3. Ist bis zum Fälligkeitsdatum kein Geld eingegangen, würde ich der Kundin zunächst eine freundlich gehaltene Zahlungserinnerung schreiben ("Sicher haben Sie vergessen …"). Und dann gleich die Bankverbindung, einen Zahlungstermin, und die Summe nennen, um es der Kundin so einfach wie möglich zu machen und damit niemand lange suchen muss.
  4. Dann rate ich, einen Ordner anzulegen mit 4-Wochen-Frist, damit ich dann den Vorgang einfach und ohne Aufwand nachhalten kann.
  5. Ist vier Wochen nach dem Versand der ersten Mahnung die Rechnung immer noch nicht bezahlt, sollte man eine zweite oder auch letzte Mahnung schreiben. Drei Mahnungen sind nicht gesetzlich vorgeschrieben. Diese Mahnung ist im Tonfall sehr deutlich ist ("Wir haben den Titel … am … geliefert …") und eine letzte 14-Tage-Frist einräumen – verbunden mit der Ankündigung, dass bei Nicht-Bezahlung rechtliche Schritte folgen und die Buchhandlung für das Begleichen der offenen Rechnungen ein Inkasso-Unternehmen beauftragen wird.
  6. All das würde ich aber eher bei nicht persönlich bekannten Kundinnen machen – bei den anderen ruft man einfach mal an, schließlich möchte man ja, dass die Kundinnen weiter in der Buchhandlung bestellen.
  7. Bei all dem stellt sich allerdings die Frage: Ab welchem Rechnungsbetrag lohnt sich die Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens? Es gibt zwar keinen Mindestbetrag, ab dem eine Buchhandlung ihre Forderung geltend machen kann. Aber ganz pragmatisch betrachtet, lohnt sich der Aufwand schon rein zeitlich nicht, wenn es um ein Reclam-Bändchen oder ein Taschenbuch geht. Wie viel Zeit muss ich in die Inkasso-Beauftragung investieren? Wie sehen die Vertragsbedingungen des Inkasso-Unternehmens aus und muss ich diesem möglicherweise selbst etwas zahlen, wie sehen dessen Kostenstrukturen aus? Schwierig wird es etwa immer dann, wenn der Schuldner die Forderung bestreitet ("Das Päckchen kam nie an …") Und was Buchhändlerinnen oft nicht mit einrechnen: Was kostet eine Arbeitsstunde einer Buchhändlerin in Euro?
  8. Bei einer Abwägung „Taschenbuch gegen Arbeitszeit und Inkasso“ ist die Abschreibung manchmal die pragmatischere Lösung. Und abschreiben kann und muss man ja nur den Einkaufspreis.
  9. Steht aber eine höhere Summe als Forderung offen, lohnt der Gang zum Inkasso-Unternehmen. Bei der Frage, welches man beauftragt, sollte die Buchhändlerin prüfen, ob es sich bei dem Unternehmen um ein registriertes Inkassobüro mit entsprechender Genehmigung handelt. Schon auf ihrem Briefbogen müssen Inkassofirmen ihre Registrierung hinweisen. Buchhändlerinnen können sie auch leicht kostenlos im Rechtsdienstleistungsregister prüfen. (Ohne eine Registrierung darf eine Firma weder Kosten noch Gebühren geltend machen und der Schuldner kann dann schnell die Inkassokosten abwehren.)

Carola Markwa

verantwortete lange Jahre den Zentraleinkauf Buch für alle Karstadt Warenhäuser, 2003 positionierte sie das Buchhaus Weiland in Hannover neu, 2007 betreute sie als Regionalleiterin Süd 130 Weltbild-Filialen. 2008 wurde Markwa Geschäftsführerin des DBH Warenhaus Medienvertriebs, 2010 Filialleiterin von Lehmanns in Hannover, bevor sie 2014 Geschäftsführerin des Landesverbands Niedersachsen-Bremen und dann 2015 des Landesverbands Nord wurde.